Kunstaktion:34 Blicke auf die Ukraine

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„Ich musste diese Bilder festhalten, weil sie so schrecklich sind“, sagt Xenia Marz über ihre Fotocollage. (Foto: Claus Schunk)

Die Taufkirchner Künstlerin Xenia Marz hat das Kriegselend in dem Land in einer Fotocollage festgehalten – sie ist im Rathaus der Gemeinde zu sehen, die eine „solidarische Partnerschaft“ mit der westukrainischen Stadt Peretschyn unterhält. Wenn sie denn jemand sieht.

Von Patrik Stäbler, Taufkirchen

Von oben rechts blickt Wolodimir Selenskij hinab auf Leid und Zerstörung in seinem Land, auf Trauer und Tod – in Form von 34 Fotografien, aufgenommen von Kriegsreportern in der Ukraine. Zusammengestellt hat diese Collage die Künstlerin Xenia Marz aus Taufkirchen, wo das Werk nun im ersten Stock des Rathauses erstmals öffentlich zu sehen ist. Neben dem ukrainischen Präsidenten ist auf den Bildern, die die Fotografin und Malerin nachträglich bearbeitet hat, auch noch ein weiterer Politiker vertreten: Wladimir Putin, den sie bewusst in die entgegengesetzte Ecke von Selenskij platziert habe, sagt Xenia Marz. „Also ganz unten, quasi in die unterste Schublade.“

Schließlich hat Russlands Präsident jenen Angriffskrieg gegen die Ukraine vom Zaun gebrochen, der sich an diesem Samstag zum dritten Mal jährt. „Das ist ein denkwürdiges Datum“, sagt Taufkirchens Bürgermeister Ullrich Sander (parteilos) bei der Vernissage, „weil es unsere Sorgen um Frieden in der Ukraine und in Europa immer mehr betrifft“. Seine Gemeinde ist dem attackierten Land auf besondere Weise verbunden – über eine „solidarische Partnerschaft“ mit der westukrainischen Stadt Peretschyn, die der Gemeinderat Anfang 2023 einstimmig befürwortet hat.

Diese Verbindung wolle man mit der Collage stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken, sagt Herbert Heigl, auf dessen Initiative hin das Werk im Rathaus zu sehen ist. Entstanden ist es bereits kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022. „Ich musste diese Bilder festhalten, weil sie so schrecklich sind“, sagt Xenia Marz über die Entstehungsgeschichte. Und dann hält sie ihre Hände rechts und links neben die Ohren, ihre Augen weiten sich und sie sagt eindringlich: „Ich hatte so einen dicken Kopf.“

Ursprünglich, erzählt Herbert Heigl, wollte die Künstlerin ihre Collage als Beitrag zur „No Hate“-Aktion einreichen, die Mitte 2023 in Taufkirchen gastierte. Doch das habe nicht geklappt, weshalb man das Werk nun eben im Nachgang zeige. Und zwar passenderweise neben einer Ausstellung mit Bildern, die Kinder und Jugendliche im Rahmen von „No Hate“ gemalt haben und die ebenfalls im ersten Stock des Rathauses zu sehen ist.

Insofern sei der Ausstellungsort durchaus gut gewählt, sagt Ullrich Sander – einerseits. Andererseits herrsche hier oben vor seinem Büro abseits von Gemeinderatssitzungen kaum Publikumsverkehr. „Deshalb müssen wir noch mal überlegen, ob wir nicht einen anderen Platz für die Collage finden, wo sie eine größere Öffentlichkeit zu sehen bekommt“, so der Bürgermeister.

Künstlerin Xenia Marz enthüllt mit Initiator Herbert Heigl und Bürgermeister Ullrich Sander (von links) die Collage im Rathaus. (Foto: Claus Schunk)

Schließlich soll das Kunstwerk möglichst viele Menschen an das Leid erinnern, das der russische Angriffskrieg nun schon seit drei Jahren über die Ukraine bringt. Welch schreckliche Folgen das hat, davon hat sich Michael Schanz bei bisher 14 Hilfstransporten in das Land überzeugen können. Der Taufkirchner engagiert sich beim Verein Bayerische Ostgesellschaft, der schon seit Jahrzehnten ein Projekt für Not leidende Kinder in Peretschyn betreibt. Nach dem russischen Angriff habe man einen „Hilferuf“ aus der Stadt nahe der Grenze zur Slowakei erhalten, erzählt Schanz bei der Vernissage. Denn obwohl Peretschyn nicht im Kriegsgebiet liegt, musste die 9000-Einwohner-Kommune mehr als 3000 Binnenflüchtlinge aufnehmen. Dies habe die ohnehin arme Region enorm belastet, so Schanz. Daher habe die Bayerische Ostgesellschaft Hilfstransport um Hilfstransport nach Peretschyn entsandt – mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Kleidung, aber auch Waschmaschinen, Heizungen und Kühlschränken.

„Wenn wir hier eine solche Krise hätten, dann wäre Grünwald als Erstes leer“

„Unser Ziel ist es, dort langfristig zu helfen“, betont Michael Schanz. Aus diesem Grund hat er im Gemeinderat für jene „solidarische Partnerschaft“ zwischen Taufkirchen und Peretschyn geworben – mit Erfolg. Und so beteiligt sich inzwischen auch das Rathaus an der Unterstützung für die ukrainische Stadt, wo vor allem die Ärmsten unter den Kriegsfolgen litten, betont Schanz. „Ich sage immer: Wenn wir hier eine solche Krise hätten, dann wäre Grünwald als Erstes leer. Denn die Reichen können es sich leisten zu gehen, aber die Armen müssen bleiben.“

Wie immens das Kriegsleid in der Ukraine ist, das zeigen die Fotos in Xenia Marz’ Collage. Auf ihnen sieht man zerbombte Häuser, zerstörte Autos und trauernde Menschen. Und – mit ernstem Blick – Wolodimir Selenskij, dessen Position in der obersten Reihe ebenfalls kein Zufall sei, sagt die Künstlerin. Schließlich habe sie gehofft, dass der ukrainische Präsident und sein Land in diesem Krieg obsiegen. „Doch heute wissen wir“, fügt Xenia Marz mit traurigem Blick hinzu, „dass es wahrscheinlich anders ausgehen wird.“

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