Umstrittenes Projekt in TaufkirchenHightech-Firmen dürfen in der Frischluftschneise bauen

Lesezeit: 3 Min.

Ein Teil des „Parallelogramms“, nordöstlich des Ikea-Möbelhauses, soll aus dem Grünzug herausgenommen werden. Im Gegenzug bekommt der andere Grünzug weiter westlich ein Stück dazu. Auf dem Luftbild von 2013 ist das Grundstück, auf dem inzwischen die Jochen-Schweizer-Arena steht, noch frei.
Ein Teil des „Parallelogramms“, nordöstlich des Ikea-Möbelhauses, soll aus dem Grünzug herausgenommen werden. Im Gegenzug bekommt der andere Grünzug weiter westlich ein Stück dazu. Auf dem Luftbild von 2013 ist das Grundstück, auf dem inzwischen die Jochen-Schweizer-Arena steht, noch frei. (Foto: Claus Schunk)

Der Regionale Planungsverband opfert einen Teil des Grünzugs für die Ansiedlung von Unternehmen am Luft- und Raumfahrt-Campus Ottobrunn-Taufkirchen. Damit den Münchnern nicht die Luft wegbleibt, bessert er an anderer Stelle nach.

Von Iris Hilberth, Taufkirchen/Ottobrunn

Die Begehrlichkeiten nach freien Flächen im Großraum München sind groß. Die regionalen Grünzüge aber gelten gemeinhin als Tabuzonen. Hier darf nicht gebaut werden, es soll noch nicht einmal darüber nachgedacht werden, denn sonst würde der Stadt München und den angrenzenden Umlandgemeinden schlichtweg die Luft wegbleiben. Von diesem Gebot ist der Regionale Planungsverband (RPV) jetzt ein Stück weit abgerückt, um eine Weiterentwicklung des Hochtechnologiestandorts für Luft- und Raumfahrt in Ottobrunn und Taufkirchen zu ermöglichen. So weit wie die Gemeinde Taufkirchen sich die Rücknahme der Grünzüge an dieser Stelle vorgestellt hat, geht der Kompromissvorschlag des RPV allerdings nicht.

In der Sitzung des Planungsausschusses am Dienstag wurde deutlich, wie schwer sich die Vertreter der Kommunen der Region München damit tun, einen Teil der Freiflächen zu opfern. Schließlich dient diese grüne Lunge des Umlands nicht nur der Erholung, der Land- und Forstwirtschaft und dem allgemeinen Wohlbefinden. Die Grünzüge sind schlichtweg notwendig, um die Kaltluftbahnen in Richtung München offenzuhalten und den überhitzten Siedlungen insbesondere nachts Abkühlung zu verschaffen.

Entsprechend kritisch sahen die Mitglieder des RPV den Antrag der Gemeinde Taufkirchen zu einer umfassenden Rücknahme der Grünzüge vor knapp drei Jahren. 72 Hektar hatte sie im Blick, um nicht nur Hightech-Unternehmen zur Stärkung des Wissenschafts-Standorts anzusiedeln, sondern auch Gewerbe ohne Bezug zur Luft- und Raumfahrt. Ein Teil des Begehrens betraf den Grünzug 10 Gleißental/Hachinger Tal westlich der Ludwig-Bölkow-Allee in Taufkirchen und des Haidgrabens in Ottobrunn, der eine hohe Ausgleichsfunktion für Kaltluftzufuhr und Luftaustausch hat. Auch den Grünzug 11, der den Höhenkirchener Forst und den Truderinger Wald umfasst und zu dem das sogenannte Parallelogramm, ein Waldstück nördlich der B471 gehört, hatten die Taufkirchener im Visier für die Ansiedlung weitere Unternehmen.

Jetzt befand sich der Regionale Planungsverband in dem Dilemma, einerseits die Grünzüge schützen zu wollen und andererseits der Forschung und dem Ausbau des traditionsreichen Standorts für Raum- und Luftfahrt nicht im Weg zu stehen. Schließlich hat der Freistaat Bayern bereits kräftig in den Campus der TU München investiert. Hier sollen in Zukunft 50 Professoren und 1000 Mitarbeiter tätig sein, es wird mit 4000 Studierenden gerechnet. So sollen auch private Unternehmen Platz finden, deren räumliche Nähe zu den Bildungs- und Forschungseinrichtungen gewollt ist.

Für die Erweiterung der Uni-Gebäude sieht der RPV allerdings Verdichtungsmöglichkeiten im Bestand des Technologie- und Innovationsparks (TIP) in diesem Areal. „Ein Riesendruck auf das Gebiet ist nicht vorhanden, es gibt nicht einen großen Investor, der vor der Tür steht“, sagte RPV-Geschäftsführer Marc Wißmann in der Sitzung in München. Benötigt würden laut einer städtebaulichen Untersuchung 4,8 Hektar für einen Parkplatz, 37,2 Hektar für besagte Hightech-Firmen und die Möglichkeit der Verlängerung der U-Bahn-Linie 5 von Neuperlach nach Taufkirchen.  Die Frage war nun: Wo kann man den Grünzügen etwas abknapsen, ohne dass die Münchner gleich überhitzt nach Luft schnappen?

„Wir werden die Grünzüge weiter stärken“, sagte Wißmann, wohl wissend, dass dies „die Quadratur des Kreises“ ist, weil man vorhat, den südlichen Teil des Parallelogramms aus dem Grünzug herauszunehmen. Im Gegenzug allerdings soll auf der anderen Seite der Grünzug nördlich der Jochen-Schweizer-Arena zwischen der A8 und Ludwig-Bölkow-Allee sowie Haidgraben etwas erweitert werden, indem er bis an die Siedlung heran ausgedehnt wird.

Der Bund Naturschutz protestiert

RPV-Vorsitzender Stefan Schelle (CSU), Bürgermeister der Gemeinde Oberhaching, findet: „Dies ist ein Kompromissvorschlag, mit dem alle zufrieden sein können – der Freistaat Bayern, der Landkreis München, die beiden Gemeinden Ottobrunn und Taufkirchen sowie die TU München.“ Man könne jetzt sagen: Die haben sich jetzt drei Jahre lange Zeit genommen, um eines kleines Stück von rechts nach links zu schieben, so Schelle. Doch der Abstimmungsprozess sei notwendig gewesen, da alle Flächen eine unterschiedliche Funktion hätten. Das Kaltluftgeschehen spielte bei den Abwägungen eine entscheidende Rolle. Schelle betonte: „Im südlichen Bereich des Parallelogramms gibt es keinen Wald.“

Der Bund Naturschutz hingegen kritisiert die geplante Veränderung. Dessen Vertreter Thomas Kiesmüller, zugleich Sprecher der Bürgerinitiative zur Rettung der Frischluftschneise im Hachinger Tal, warnte davor, die Grünzüge als verfügbare Fläche zu betrachten und wies erneut auf deren wichtige Funktion hin.  „Sie zu opfern, finden wir nicht gut“, sagte Kiesmüller.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ-Serie: Dahoam in ...
:München, mon amour

Als sie vor fünf Jahren als Professorin an die Bundeswehr-Universität in Neubiberg berufen wurde, hat sich die Deutsch-Französin Isabelle Deflers sofort in den Münchner Osten verliebt. Gemeinsam mit ihrer Familie lebt sie in Haar und schätzt besonders das multikulturelle und friedliche Umfeld.

SZ PlusVon Daniela Bode

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: