Taufkirchen:Livestream aus dem Rathaus

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Die Taufkirchner Gemeinderäte wollen ihre Sitzungen künftig im Internet übertragen

Von Patrik Stäbler, Taufkirchen

Im Jahr 2002 hat Edmund Stoiber eine Rede gehalten, die in die Geschichtsbücher eingegangen ist - obschon er dies nicht beabsichtigt hatte. Beim Neujahrsempfang seiner CSU holperte und stolperte der damalige Ministerpräsident derart furios durch sein flammendes Plädoyer für einen Transrapid zum Münchner Flughafen, dass ein Mitschnitt davon hunderttausendfach im Internet angesehen und hernach zigmal kopiert und bearbeitet wurde. Unfreiwillig zum Internet-Star? "Das kann uns auch passieren", warnte Paul Haberl (CSU) in der jüngsten Sitzung des Taufkirchner Gemeinderats seine Kolleginnen und Kollegen und erinnerte an Stoibers Transrapid-Rede. "Das muss uns allen bewusst sein."

Anlass für diese Mahnung ist die Diskussion darüber, ob der Gemeinderat seine Sitzungen künftig per Livestream im Internet übertragt. Genau das hat die Fraktion aus FDP und Freien Wählern per Prüfantrag gefordert. Und trotz Bedenken - nicht nur von Paul Haberl - hat das Gremium nun den nächsten Schritt gemacht. So beschloss der Gemeinderat, dass die Rathausverwaltung die für den Livestream nötige Änderung der Geschäftsordnung veranlassen und Einverständniserklärungen von allen Beteiligten einholen soll. Letzteres ist laut einhelliger Meinung unabdingbar, wenn Sitzungen in Bild und Ton im Internet übertragen werden. Darüber hinaus müsste im Fall von Taufkirchen noch die Mikrofonanlage im Sitzungssaal auf Vordermann gebracht und mit Kameras ausgerüstet werden, wofür die Verwaltung mit Kosten in Höhe von 15 000 Euro rechnet.

Dabei äußerten sowohl David Grothe (Grüne) als auch Maike Vatheuer-Seele (FDP) - sie ist die treibende Kraft hinter dem Antrag - ihre Zweifel, ob die Gemeinde wirklich so viel Geld in die Hand nehmen muss. "Wir hätten mittlerweile die technischen Möglichkeiten, das selbst zu regeln", sagte Vatheuer-Seele mit Blick auf die Laptops und Tablets, die vor fast jedem Gemeinderatsmitglied auf dem Tisch stehen. "Da kann sich dann jeder selbst überlegen, ob er sein Mikrofon und die Kamera an- oder ausmacht." Und für Bürgeranfragen könne man einen separaten Computer mit eigenem Mikrofon aufstellen. "Das ist alles sehr einfach und weit weg von 15 000 Euro", betonte die FDP-Gemeinderätin, "und dafür können wir einen wichtigen Beitrag zur Barrierefreiheit leisten." Schon in ihrem Antrag hatte Maike Vatheuer-Seele etwa auf Menschen mit Behinderungen, Senioren und Familien mit kleinen Kindern hingewiesen, die oft nicht persönlich ins Rathaus kommen könnten, um die Sitzungen zu verfolgen - denen man dies aber mittels eines Livestreams ermöglichen sollte. Überdies führte ihre Fraktion die aktuelle Corona-Lage an, deretwegen die Öffentlichkeit zurzeit im Rathaus "nur begrenzt Zutritt hat".

Bislang überträgt im Landkreis München lediglich der Neurieder Gemeinderat seine Sitzungen im Netz. In anderen Kommunen wurden entsprechende Anträge abgelehnt - zumeist mit Verweis auf datenschutzrechtliche Bedenken. Dass diese von FDP, SPD und Grünen "nur belächelt" würden, sei "bemerkenswert", sagte Thomas Vieweg (CSU). "Ich denke schon, dass wir uns das im Hinblick auf den Datenschutz noch mal genau anschauen sollten." Zudem warnte Vieweg davor, dass diejenigen im Gemeinderat, die eine Liveübertragung der Sitzungen ablehnten, "in eine komische Rolle" kommen könnten. Die Bedenken teilten weitere Mitglieder der CSU-Fraktion, die sich gegen den Beschluss aussprachen. Dieser wurde letztlich aber mit 17 zu 7 Stimmen angenommen.

© SZ vom 01.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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