Taufkirchen:Gute Vorsätze, erfolgreich multipliziert

Taufkirchen: Schwierige Stücke auf hohem Niveau gespielt: das Konzert im Ritter-Hilprand-Hof.

Schwierige Stücke auf hohem Niveau gespielt: das Konzert im Ritter-Hilprand-Hof.

(Foto: Claus Schunk)

Beim Neujahrskonzert in Taufkirchen wagen sich 122 Musiker an Dvořák und Tschaikowski - und reüssieren

Von Cathrin Schmiegel, Taufkirchen

Das neue Jahr ist von Vorsätzen untrennbar. Diese Vorsätze haben wiederum Anspruchsdenken zur Folge. Und dass dieses manchmal besonders hoch ausfällt, liegt in der Natur der Sache. Wer Beweise für die These finden will, brauchte am Samstagabend nur das Neujahrskonzert im Ritter-Hilprand-Hof in Taufkirchen zu besuchen. Dort inszenierten Chor und Orchester unter der Leitung von Claus Blank und Johannes Eppelein drei besonders schwere Stücke von Antonín Dvořák und Pjotr Tschaikowski. Weil besonders viele Menschen auftraten - 70 im Chor, 50 im Orchester und zwei Dirigenten - und diese nicht aus einem gemeinsamen Ensemble stammten, multiplizierten sich die Ansprüche.

Für den Auftakt wagte sich Blank an Tschaikowskis erstes und berühmtestes Klavierkonzert in b-Moll von 1874. Das Stück ist unter Musikkundigen umstritten. Schon Tschaikowskis Mentor - der russische Pianist Nikolai Rubinstein - hielt es für unrettbar. Andere wie der Soziologe Theodor W. Adorno kritisierten Tschaikowski für seine Neigung zu kitschigen Kompositionen. Weitere Worte, die bereits fielen: schon da gewesen, einfältig, zu pompös. Auch Dirigent Eppelein gab vorab zu: "Es ist der Schlager unter den klassischen Werken." Doch dann schob er hinterher: "Es ist ja kein schlechteres Stück, weil es die Leute gerne hören wollen." Und da behält er recht.

Am schwersten wiegt bei diesem Werk aber nicht unbedingt die Kritik. Es ist vielmehr die Opulenz und klangliche Bandbreite. Die muss ein Dirigent erst einmal in den Griff bekommen, und Eppelein schaffte das fast mühelos. Er führte sein Orchester durch die pathetische Einleitung in Des-Dur mit berühmtem Bläserstück und leitete es über in ein harmonisches Tête-à-Tête zwischen Flügel und Streichern. Das nahm die Schwere und klang so herrlich ungezwungen, als würde das Orchester schon wesentlich länger als ein paar Tage zusammen proben.

Beeindruckend aber war neben Eppelein besonders eines: Claus Blanks Klavierspiel in allen drei Sätzen. Es war so wild, als wolle Blank in Konkurrenz mit dem Pianisten Lang Lang treten, der mit Tschaikowskis Werk und den Berliner Philharmonikern schon brillierte. Aber immer in dem Maße, wie es das Stück auch braucht. Die Kontrolle verlor Blank nicht.

Das galt später am Abend auch für eine andere Solistin: Margit Pertler-Tomasi, eine Taufkirchnerin und mittlerweile engagiert im Mozarteum-Orchester Salzburg. Sie spielte den Cellopart in Tschaikowskis Rokoko-Variationen mit sehr viel Eleganz und Virtuosität. Dabei verhedderte sie sich nie, was an dieser Stelle besonders betont werden muss.

Der Komponist nämlich reizte die Möglichkeiten des Cellospiels bis ins Kleinste aus. Das war auch dem Cellisten Wilhelm Fitzenhagen zu verdanken, der Tschaikowski unterstützte. Herausgekommen ist eine Hommage an sein Idol Mozart und eine Leichtigkeit, die der depressive Tschaikowski damals ironischerweise selbst nicht verspürte. Diesen Tribut ans schöne Leben transportierte auch das Orchester beim Taufkirchner Neujahrskonzert sehr gekonnt.

Das letzte Stück führte noch einmal ins Pathetische: mit dem "Te Deum" von Antonín Dvořák. Es entstand seinerzeit für die 400-Jahr-Feier zur Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus, was seine Wucht erklärt. Die Kritik hat Dvořák mit Tschaikowski gemeinsam, auch ihm wurde oft Einfalt vorgeworfen. Doch eigentlich ist es nicht leicht zu spielen: "Das Werk ist eine Prachtkomposition", sagt Eppelein. "Es muss durch seine Opulenz überzeugen." Da ist es besonders herausfordernd, jeden Ton in seiner Ganzheit auszuschöpfen. Sonst verliert das "Te Deum" seine Wirkung.

Der Chor hielt diesem Anspruch stand, Bariton Eric Fergusson die meiste Zeit: Er musste an einer Stelle die Lautstärke korrigieren - da klang seine Stimme kurz blass. Herausragend aber war Anastasiya Peretyahina, deren Sopranstimme wie Eiskristalle über dem Saal hing. Das machte die Zuschauer sprachlos, ließ Dvořáks Idee greifbar werfen und einen Satz von Johannes Brahms verständlich. Der sagte einmal im Scherz: "Das Te Deum ist wohl für die Feier der Zerstörung Wiens und Berlins durch die Böhmen gedacht und scheint mir dafür auch recht geeignet."

Als Eppelein am Ende des Stücks seine Hände das letzte Mal senkte und er erst beim Einsetzen des Applauses stoßartig ausatmete, da wusste jeder: Dieser Abend war ein Kraftakt für die Beteiligten. Aber einer, der gelang.

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