Taufkirchen:Namensgeber mit NS-Vergangenheit

Taufkirchen: Weil die Gemeinde die Baulast für einige Straßen übernimmt, kommen jetzt auch die Namen auf den Prüfstand.

Weil die Gemeinde die Baulast für einige Straßen übernimmt, kommen jetzt auch die Namen auf den Prüfstand.

(Foto: unk)

Die Gemeinde Taufkirchen übernimmt mehrere bisher private Straßen. Darunter ist auch eine, die nach dem Flugzeugbauer Willy Messerschmitt benannt ist, der KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter einsetzte. Deshalb wird über die Umbenennung diskutiert.

Von Iris Hilberth, Taufkirchen/Garching

Will man mit dem Auto zur Airbus-Group im Technik und Innovations Park (TIP), dem großen Gewerbegebiet östlich der Autobahn 8, bei dem man nie so genau weiß, ob man sich nun in Taufkirchen oder in Ottobrunn befindet, erhält man folgenden Hinweis: "Achtung, im Navigationssystem als Ziel bitte ,Willy-Messerschmitt-Straße 1, 82024 Taufkirchen' eingeben." Es wird die Taufkirchner einerseits freuen, dass das große Unternehmen nun auch bei der Wegfindung ganz eindeutig ihrer Gemeinde zugeordnet wird - und nicht etwa Ottobrunn. Doch tut sich hier jetzt ein ganz anderes Problem auf: der Name der Straße. Willy Messerschmitt war ein Flugzeugbauer, der während der Nazi-Zeit Tausende Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge eingesetzt hatte. Viele von ihnen waren damals an Unterernährung, Überanstrengung und Krankheiten zu Tode gekommen.

Die Straße auf dem Taufkirchner TIP-Gelände heißt schon lange so und geht mittendrin mal in die "Magistrale" über. Daneben gibt es noch eine Robert-Koch-Straße und eine Lilienthalstraße. Straßenschilder bezeugen die Verwendung dieser Namen. Nur offiziell sind die Benennungen nicht, da sie sich einst auf Privatgelände befanden. Nun hat die Gemeinde Taufkirchen die Straßenbaulast übernommen und muss die Verbindungen als Ortsstraßen widmen.

Im Bauamt sah man darin zunächst eine reine Formsache. Namen gab es ja schon, die konnte man doch einfach übernehmen. Die Verwaltung schlug daher vor, alles so zu belassen und nur bei Lilienthal noch einen "Otto" voranzustellen, um das Gebiet einheitlich mit Vor- und Nachnamen von Physikern und Flugzeugkonstrukteuren zu versehen. Doch da hatten vor allen die Grünen etwas dagegen. Messerschmitt habe einen Musterbetrieb der NS-Zeit geführt und sich für die Sklavenarbeit im KZ stark gemacht, empörte sich Gabriele Zaglauer-Swoboda über die Namenswahl und verwies auf Recherchen des SPD-Landtagsabgeordneten Peter Paul Gantzer.

Die Diskussion wurde vor Jahren schon woanders geführt

Der hatte sich vor einigen Jahren vehement gegen die Ehrung des Flugzeugbauers Messerschmitt mit einer Gedenktafel im neuen U-Bahnhof Garching Forschungszentrum eingesetzt. Insgesamt 26 Bildtafeln sollen in der 2010 eröffneten Station an große Wissenschaftler wie Max Planck und Albert Einstein erinnern. Darunter eben auch Willy Messerschmitt und Claus Dornier, die in ihren Werken Tausende Zwangsarbeiter beschäftigten.

Die Technische Universität (TU) München und der Garchinger Stadtrat hatten damals der Auswahl für die Ehrentafeln zugestimmt. "Es ist in der Diskussion hoch hergegangen, aber ich konnte die Ehrung Messerschmitts leider nicht verhindern", sagt Gantzer heute. TU-Präsident Wolfgang Herrmann hatte damals nach "intensiver Befassung" die Ansicht vertreten, einer Ehrung stehe nichts im Wege, Messerschmitt habe mit dem NS-Regime nichts am Hut gehabt und sei in seiner eigenen Firma vom Regime kalt gestellt worden.

In Garching entschied man sich für eine Hinweistafel

Gantzer sieht das anders. Er schrieb seinerzeit an die Mitglieder des SPD-Ortsvereins Garching: Es stehe fest, dass Messerschmitt im KZ Dachau, im KZ Flossenbürg, in einem Augsburger Außenlager und in einer Reihe weiterer Zwangsarbeiterlager Produktionsstätten gehabt habe. Auch sei "unbestritten", dass er "obwohl angeblich im April 1942 "entmachtet" - sich im Oktober 1942 um Zuweisungen von KZ-Häftlingen für die Produktion des Großseglers bemühte."

Erst Ende der Neunzigerjahre sei öffentlich geworden, dass Messerschmitt Zwangsarbeiter beschäftigte, "von denen viele aufgrund der unzumutbaren Bedingungen zu Tode kamen", schrieb Gantzer. Die Tafel wurden dennoch aufgehängt, allerdings mit dem Zusatz: "Seine Firma baute während des Zweiten Weltkriegs Kampfflugzeuge auch unter Einsatz von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen, von denen viele dabei zu Tode kamen".

In Taufkirchen hat man die Entscheidung über die Straßenbenennung erst einmal vertagt. "Ich will mir nicht vorwerfen lassen müssen, für einen Nazi gestimmt zu haben", sagte Michael Lilienthal von den Freien Wählern. Die einhellig Meinung im Gremium war: Man will sich zunächst genauer informieren. Zumal, wie Swoboda anführte, die offizielle Willy-Messerschmitt-Straße in unmittelbarer Nähe zur ehemaligen KZ-Außenstelle in Ottobrunn verlaufen würde.

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