Taufkirchen:Die kultivierte Schwester des Striptease

Lesezeit: 3 min

Man muss kein Magermodel sein, um mit fantasievoller Entkleidungskunst zu fesseln: Miss Golden Treasure von den "Petits Fours". (Foto: Frank Ullmer/oh)

Die Protagonistinnen der "Petits Fours Burlesque Show" wollen das Publikum mit auf eine nostalgische Reise in die große Zeit der frivol-humorvollen Tanzkunst nehmen.

Von Udo Watter, Taufkirchen

Als berühmteste Ahnfrau des anrüchigen Tanzes gilt Salome, Tochter der Herodias. Mit ihren enthüllenden Bewegungen soll sie Herodes Antipas und seine männliche Entourage einst bei einem Fest in Galiläa derart in Verzückung versetzt haben, dass der Herrscher ihr jeden Wunsch zu erfüllen versprach - in dem Fall war es, gemäß biblischer Legende, der Kopf von Johannes dem Täufer. Eine der bekanntesten modernen Protagonistinnen tänzerischer Betörung wird in diesem Jahr besonders gewürdigt: die vor 100 Jahren als Spionin hingerichtete Niederländerin Mata Hari. Der Tanz als Kunst der Verführung, er ist ein so altes wie zeitloses Phänomen. Ob nun Schleier-, Tempel- oder Schlangentanz - man könnte mit dem Titel eines bekannten Brigitte-Bardot-Films sagen: Und ewig lockt das Weib.

Burlesque dient vor allem der erotisch-humorvollen Unterhaltung

Das Kultur- und Kongresszentrum Taufkirchen ist diesen Samstag, 25. Februar, Schauplatz einer Hommage an eine besondere Form des erotischen Tanzes: Die "Petits Fours Burlesque Show" will das Publikum auf eine nostalgische Reise in die große Zeit dieser sinnlichen Kunst mitnehmen. Ein entscheidendes, weil gewisse Vorurteile entschärfendes Charakteristikum: Burlesque dient vor allem der erotisch-humorvollen Unterhaltung und im Gegensatz zum Striptease weniger der erotischen Animation.

Historisch gesehen war Burlesque eine Vorläuferin des heutigen Striptease und ist aus dem American Vaudeville und Varieté entstanden. Zunächst ein erotisches Side-Entertainment im Dunstkreis von Wanderzirkussen, entwickelte sie sich zum eigenständigen Genre und hatte in den Jahren vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ihre Glanzzeit. Im Laufe der Zeit kamen Einflüsse wie die Pin-up-Posen der Fünfziger hinzu oder das Spiel mit Fetischen. Seit etlichen Jahren erlebt sie als "New Burlesque" eine Renaissance, besonders befeuert durch erfolgreiche Protagonistinnen wie Dita von Teese oder den Hollywood-Film "Burlesque" aus dem Jahr 2010 mit Christina Aguilera.

Feminine Selbstbestimmung und laszive Machtentfaltung als Leitmotiv

Bei der Revue in Taufkirchen werden die deutschlandweit tourenden "Petits Fours" eine Melange aus klassischer Burlesque, Tanz und Ballett, Gesang und Puppenspiel zeigen. Natürlich geht es auch um Erotik, aber ebenso um Komik, Glamour und Wandlungsfähigkeit. Das tease (englisch: reizen, necken) im Wort Striptease ist definitiv wichtiger als das strip (ausziehen): Ganz nackte Tatsachen gibt es im Burlesque (vom italienischen "burla", Schabernack) im Prinzip nicht.

Petits Fours sind ein Feingebäck aus Frankreich. Die Tänzerinnen der Show präsentieren sich auch gern als süße Versuchung. (Foto: Veranstalter)

Und generell ist auch eine Art feminine Selbstbestimmtheit und spielerisch-laszive Machtentfaltung ein Leitmotiv: In den Worten Dita von Teeses: "Die Frau gibt, was sie geben möchte und hält gleichzeitig zurück, was sie zurückhalten will." Auch die bewusste Absage an das Festlegen auf junge, superschlanke Model-Körper beansprucht emanzipatorischen Charakter. Eine der größten Stars der internationalen Szene ist etwa die üppige New Yorkerin Dirty Martini. Der Franzose Jean-Marc Barbieux nannte "New Burlesque" in einem Artikel für Arte die "kultivierte Stiefschwester des Striptease".

Auch für die Mitwirkenden bei der "Petits Fours Show" (Petits Fours heißen kleine französische Gebäck-Kunstwerke) gibt es keine oberflächliche Schönheitsvorgaben: Ob Kikki La Bise, Miss Golden Treasure, Mademoiselle Parfait de la Neige oder Diva la Kruttke, die "Queen unter den Drama-Queens" - sie stehen für die Maxime der Show: "Die Weiblichkeit jeder Frau muss gefeiert werden." Um die eigene Sinnlichkeit herauszuarbeiten, um die Pin-up-Comedy und das beabsichtigte Flair knisternder Nostalgie optisch zu unterstreichen, sind der Fantasie bei den Accessoires und Requisiten kaum Grenzen gesetzt: Federboas, Handschuhe, Fächer, Strapse, High Heels, Travestie-Elemente oder pompöse Kostüme gehören zum Standard - Dita von Teese rekelt und dreht sich gelegentlich in einem überdimensionalen Martini-Glas. Man darf gespannt sein, in welchen fantasievoll-frivolen Ausstattungen "The Petits Fours" in Taufkirchen posieren.

Ausgefallene Accessoires prägen viele Bühnendarstellungen

Musikalisch flankiert die Tanzdarbietungen das Gesangstrio The Pearlettes, das bekannte Schlager und Evergreens aus den Dreißigerjahren bis zu den Fünfzigern präsentiert. Könnte durchaus sein, dass der ein oder andere Besucher bei all diesen visuellen und akustischen Versuchungen den Kopf verliert - freilich im Gegensatz zu Johannes dem Täufer nur im übertragenen Sinne.

Am Samstag, 25. Februar, herrscht freie Platzwahl im Kulturzentrum. Bestuhlt wird mit je vier Plätzen an runden Tischen, an denen man Getränke und Speisen genießen kann. Ab vier Personen kann ein Tisch reserviert werden. Karten gibt es im Vorverkauf für 22 Euro. Diese sind unter 089/666 722 152 oder -153 sowie bei München Ticket erhältlich. Die Abendkasse öffnet um 19 Uhr.

© SZ vom 24.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bühnenshow
:"Burlesque ist der Inbegriff weiblicher Erotik"

Für Elsie Marley ist es ein feministischer Akt, sich auf der Bühne auszuziehen. Doch den Spaß an der Freizügigkeit der Künstlerin mit pakistanischen Wurzeln versteht nicht jeder - am wenigsten ihre eigene Mutter.

Von Esther Diestelmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: