Taufkirchen:Bürgerbegehren könnte an Fragestellung scheitern

Taufkirchen: Von oben betrachtet wirkt Taufkirchen nicht zuletzt wegen der Hochhäuser der Siedlung "Am Wald" bereits seit langem sehr städtisch.

Von oben betrachtet wirkt Taufkirchen nicht zuletzt wegen der Hochhäuser der Siedlung "Am Wald" bereits seit langem sehr städtisch.

(Foto: Claus Schunk)

Der Gemeinderat muss am Donnerstag über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens "Stopp der Verstädterung" abstimmen. Dabei geht es auch darum, ob es verständlich formuliert ist.

Von Patrik Stäbler

Im August weilen nicht nur Schüler, sondern auch Bundes- und Landespolitikerinnen, alle Tatort-Kommissare sowie die meisten Talkshow-Moderatorinnen in der Sommerpause. Gleiches gilt auf lokaler Ebene für zahllose Mitglieder von Stadt- und Gemeinderäten: Wo sonst eine Sitzung die nächste jagt, legen die ehrenamtlichen Politiker - einmal abgesehen von den Ferienausschüssen - meist von Ende Juli bis Mitte September eine Auszeit ein. Eigentlich. In Taufkirchen aber ist an diesem Donnerstag, also mitten in der Sommerpause, eine Gemeinderatssitzung angesetzt. Genauer gesagt ist es eine Sondersitzung mit nur einem einzigen Tagespunkt: dem Bürgerbegehren "Stopp der Verstädterung".

Unter diesem Schlagwort hat die Taufkirchner Ortsgruppe des Bundes Naturschutz (BN), unterstützt von der Initiative Lebenswertes Taufkirchen (ILT), in den vergangenen Wochen und Monaten mehr als 1200 Unterschriften gesammelt und am 20. Juli im Rathaus eingereicht - genug, damit sich der Gemeinderat binnen eines Monats damit beschäftigen muss. Das Gremium hat nun am Donnerstag zu entscheiden, ob das Bürgerbegehren rechtlich zulässig ist, was angesichts der nicht gerade simplen Fragestellung kein leichtes Unterfangen ist.

Sie lautet: "Sind Sie für die Grundsatzentscheidung, dass kein neues Wohnbaurecht für den freien Privatmarkt ermöglicht werden darf, solange das genehmigte nicht realisiert wurde, und dass danach für diesen Markt höchstens 4000 Quadratmeter Geschossfläche pro Jahr ermöglicht werden dürfen mit mindestens 0,5 Quadratmeter Grünfläche je 1 Quadratmeter Geschossfläche."

Es sei dies eine Formulierung, "die jemand, der sich nicht mit Bauleitplanung auseinandergesetzt hat, gar nicht verstehen kann", kritisiert Hildegard Riedmaier, die Fraktionschefin der CSU. Und das wiederum ist ihr zufolge "typisch für Herrn Pötke, der den Drang hat, Leute durcheinanderzubringen und an die Öffentlichkeit zu gehen".

Der angesprochene Jörg Pötke ist Vorsitzender der BN-Ortsgruppe und war überdies von 2008 bis zu seiner Suspendierung 2012 Bürgermeister der Gemeinde. Er hat kräftig für das Bürgerbegehren geworben, das er als "womöglich letzte Chance" für die Menschen in Taufkirchen bezeichnet, "die Identität ihres Wohnorts im Hachinger Tal zu wahren".

Schließlich sei die Einwohnerzahl der Gemeinde von 1500 um das Zwölffache auf über 18 000 gestiegen, heißt es in der Begründung des Bürgerbegehrens. Diese Zahlen seien nicht falsch, sagt Riedmaier, "aber nur, wenn man zurückrechnet bis in die 1960er-Jahre". In der jüngeren Vergangenheit hingegen sei Taufkirchen - gerade im Vergleich zu den Nachbarorten - bloß äußerst moderat gewachsen, betont die CSU-Fraktionschefin.

Die Grünen gehen auf Distanz zum Bund Naturschutz

Hört man sich im Gemeinderat um, dann äußern etliche Mitglieder Kritik an der Fragestellung - und noch mehr an Jörg Pötke. Diesem, so sagt es Riedmaier, "geht es nicht um das Ansinnen, sondern um seine Person". Auch David Grothe (Grüne) nennt den früheren Bürgermeister den "Hauptinitiator des Bürgerbegehrens, der damit Ziele verfolgt, die seine eigenen sind".

Die Grünen würden zwar den "Geist des Bürgerbegehrens" befürworten, sagt Grothe, also dass die Gemeinde in puncto Wohnbebauung künftig "maßvoller vorgeht als bisher". Die in der Fragestellung erhobene Forderung lehne seine Partei indes ab. "De facto würde das ein Verbot jeglicher Bebauung bedeuten", sagt der Fraktionschef. "Gerade mit Blick auf das geplante Altenheim, zu dem ja auch Wohnungen gehören, können wir das nicht unterstützen."

Das Gros des Gemeinderats steht dem Bürgerbegehren also kritisch gegenüber. Eine Ausnahme stellt Beatrice Brückmann von der ILT dar - naturgemäß, zählt sie doch zu den offiziellen Vertreterinnen des Bürgerbegehrens. Dessen Ziel sei es, das Wachstum von Taufkirchen zu bremsen, sagt die Gemeinderätin und Zweite Vorsitzende der BN-Ortsgruppe. "Wenn alle Bauvorhaben realisiert werden, die derzeit geplant sind, dann leben hier sehr viele Menschen auf sehr engem Raum - und dann ist Taufkirchen nicht mehr das Taufkirchen, das wir kennen."

Die Vorwürfe aus dem Gemeinderat, hinter dem Bürgerbegehren stecke ein persönliches Anliegen von Jörg Pötke, nennt Brückmann "so was von absurd". Ihr zufolge geht es den Initiatoren allein um die Sache. "Ich verstehe einfach nicht, wieso man das immer wieder in den Vordergrund stellt und nicht endlich einen Schlussstrich zieht."

"Wir hätten es selbst gerne verständlicher formuliert."

Die Kritik an der komplexen Fragestellung könne sie dagegen nachvollziehen, sagt Brückmann. "Wir hätten es selbst gerne verständlicher formuliert." Doch dies sei an den rechtlichen Vorgaben gescheitert. "Das ist ja die größte Schwierigkeit bei allen Bürgerbegehren", betont die ILT-Politikerin. "Dass man das so formuliert, dass es rechtlich in sicheren Tüchern ist."

Ob das in diesem Fall gelungen ist, darüber muss der Gemeinderat am Donnerstag entscheiden. Dann wird dem Gremium auch das Gutachten einer Kanzlei zur Frage der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens vorgestellt, das vom Rathaus in Auftrag gegeben wurde. Sollte eine Mehrheit im Gemeinderat zu dem Schluss kommen, dass das Anliegen und die Fragestellung rechtens sind, dann kann er entweder die geforderten Maßnahmen selbst beschließen oder es käme binnen drei Monaten zum Bürgerentscheid. Verneint das Gremium hingegen die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens, könnten dessen Initiatorinnen und Initiatoren gegen diese Entscheidung Klage erheben.

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