Taufkirchen:Aufs Schmerzlichste verfallen

Taufkirchen, Kulturzentrum, Ballett,  Foto: Angelika Bardehle

Arabesque in schwingendem Tutu: Der Abend in Taufkirchen begann mit einer Inszenierung von "Die Jahreszeiten" nach Tschaikowsky.

(Foto: Angelika Bardehle)

Unsterbliche Liebe, zerbrechliche Elfen, fiese Ungeheuer - bei einem hochkarätigen Ballettabend in Taufkirchen zeigen die Tänzer zauberhafte Inszenierungen

Von Franziska Gerlach, Taufkirchen

Plötzlich huschte da etwas Rotes über die Bühne im Kulturzentrum Taufkirchen. Ganz aufgeregt reckte dieses fragile Wesen den Kopf vor und wieder zurück, stichelte enge Schritte auf den Boden. Endlose Schleifen an Pirouetten drehte Yelena Pankova in ihren Spitzenschuhen an diesem Abend aber nicht. Die Bewegungsarbeit der Primaballerina liegt auf den Armen, so wie es sich nun einmal gehört bei einer Inszenierung von "Der Feuervogel", dem bekannten Ballett nach der Musik von Igor Strawinsky.

Zwei russische Volksmärchen kommen in der getanzten Geschichte um das prächtige Federvieh zusammen, das sich in die Gärten des Zauberer Koschtscheis verlaufen hat. Es gibt in der Geschichte natürlich einen Prinzen, der sich in eine Prinzessin verliebt, einen Wunderbaum mit goldenen Äpfeln, ein Riesenei und fiese Ungeheuer. Irina Pop-Kovács, ehemals Primaballerina, hielt sich bei ihrer Choreografie an jene Elemente, mit denen der berühmte russische Choreograf Michail Fokin bereits bei der Uraufführung des Balletts 1910 in Paris für Furore sorgte. Wer in den engen Stuhlreihen des großen Saales in Taufkirchen Platz nahm, der fühlte sich zwar nicht zwangsläufig an die Pariser Oper erinnert.

Doch die formidablen Tänzer, unter ihnen auch Solisten des Bayerischen Staatsballetts, brauchten nur wenige Minuten, um die Besucher mit der Aura klassischer Tanzdarbietungen zu umhüllen. Das lag zum einen an einem stimmigen Bühnenbild und geschmackvollen Kostümen, aber auch an der starken Leistung von Katarina Markovskaya, die in der Rolle der Prinzessin Zarewna jene Noblesse nach Taufkirchen tanzte, die das Ambiente für manchen vermissen ließ. Mit der Zerbrechlichkeit einer Elfe kokettierte sie vor dem jungen Prinzen Ivan (Maxim Chashchegorov), der ihr seit der ersten Begegnung aufs Schmerzlichste verfallen war. Dann führte sie präzise Sprünge auf oder zirkelte Pirouetten, und als sie sich dem Prinzen schließlich zaghaft nähert, wirkte sie so luftig-weich wie eine Feder des Feuervogels, ohne auch nur für den Bruchteil einer Sekunde die Körperspannung aufzugeben.

Denn Ballett ist die Kunst, den Anschein der Mühelosigkeit aufrechtzuerhalten. Die Frau ist leicht, der Mann dagegen stark genug, um sie durch die Lüfte zu balancieren. Tradierte Rollenbilder werden gerade in klassischen Inszenierungen nur selten aufgebrochen. Doch wer in der Vorweihnachtszeit ins Ballett geht, der sucht unter Umständen gar nicht nach modernen Interpretationen und Emanzipation im Tanz. Der will sich vielleicht ganz bewusst in einem Märchen verlieren, in dem Prinzen auf geschmeidig flachen Sohlen um ihre Angebetete werben, die dann natürlich auch in einem zuckrigen Tutu in Pastelltönen herumwirbeln darf.

Das zeigte sich auch zu Beginn des Abends, als die Kompanie nach der Musik Peter Tschaikowskys "Die Jahreszeiten" tanzt. Ein Paar an seinem Lebensabend erlebt darin noch einmal die Phasen seiner Liebe - und wie ließen sich diese Begegnung besser darstellen als im Pas de Deux, dem tänzerischen Duett. Doch während die frisch Verliebten im Frühling noch mit federnden Schritten aufeinander zu tanzten, war das Miteinander im Herbst des Lebens von Innigkeit und Körperkontakt geprägt, ehe der Kreis sich schließlich in einem liebreizenden Auftritt der Enkelkinder in Nikolausmänteln und einem Reigen schloss. Dafür gab es Applaus. Die Taufkirchner hatten ein Fest für die Augen bekommen, das dumpfe Klacken der Ledersohlen lieferte ihnen außerdem die tröstliche Gewissheit: Das Ballett hat nichts eingebüßt von seiner Zauberkraft. Es kann die Welt heilen - für die Dauer eines gelungenen Auftritts.

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