Kandidatin für den Tassilo 2018:Theater auf Augenhöhe

Kandidatin für den Tassilo 2018: Für den Fotografen blickt Anschi Prott gerne nach oben. Für die Bühne aber wünscht sich die 51-Jährige, dass Schauspieler, Macher und Publikum auf derselben Ebene aufeinander treffen, Theater zum sinnlichen Erlebnisraum jenseits von Hierarchien wird.

Für den Fotografen blickt Anschi Prott gerne nach oben. Für die Bühne aber wünscht sich die 51-Jährige, dass Schauspieler, Macher und Publikum auf derselben Ebene aufeinander treffen, Theater zum sinnlichen Erlebnisraum jenseits von Hierarchien wird.

(Foto: Robert Haas)

Die Regisseurin, Schauspielerin und Pädagogin Anschi Prott aus Unterföhring bringt mit ihrem Projekt "Junges Bürgerhaus" Jugendliche auf die Bühne. Entscheidend ist dabei das gemeinsame Erarbeiten der Stücke.

Von Irmengard Gnau, Unterföhring

Anschi Prott trägt gerne Schwarz. Vom Äußeren der Unterföhringerin sollte sich das Gegenüber aber nicht täuschen lassen - Prott ist alles andere als einfarbig und düster. Die 51-Jährige weiß mit ihrer Lebhaftigkeit einen Raum zu füllen, erst recht, wenn sie über Theater spricht.

Das Theater ist seit ihrer Jugend Protts Passion, seit vier Jahren hat sie diese auch zu ihrem Hauptberuf gemacht. Das erklärte Ziel der Regisseurin, Schauspielerin und Pädagogin dabei: auch andere begeistern. "Ich will Theater machen, das jeder versteht", sagt Prott. Es soll keine elitäre Einrichtung sein, die Bühne keine hohe Warte der Kunst, von der aus ein paar Kreative einem passiven Publikum vorspielen; sondern vielmehr eine Begegnungsstätte, wo Regisseur, Schauspieler und Publikum miteinander auf Augenhöhe agieren.

Die "Bürgerbühne" wäre in den Augen der Unterföhringerin ein Idealkonzept. Ein Prinzip, das viele deutsche Häuser in den vergangenen Jahren etabliert haben, erstmals das Dresdner Staatsschauspiel 2009, das in München aber - zu Protts großem Bedauern - noch keine rechte Rolle spielt. Bürger entwerfen dabei Stücke unter der Leitung professioneller Theaterregisseure und bringen sich selbst und ihre eigenen Themen ein. Mit einem ganz ähnlichen Ansatz arbeitet Prott seit gut eineinhalb Jahren auch in Unterföhring.

"Blick weiten, Herz öffnen, Spaß haben!"

Das Angebot "Junges Bürgerhaus" will vor allem junge Menschen wieder mehr für die Bühne gewinnen - indem sie selbst erleben, was es heißt, Theater zu spielen. Mit ihrem Ensemble von 14- bis 26-Jährigen hat Prott im vergangenen Jahr das Stück "Der Kanzler" erarbeitet; eine Politsatire, die die Gruppe nach eigenen Recherchen entwickelt hat. Das Skript schrieb Prott, die auch Regie führte. Das Ensemble überzeugte, auch weil die jungen Schauspieler ihre Rollen im Probenprozess selbst geformt hatten. "Blick weiten, Herz öffnen, Spaß haben", umreißt Prott ihre Probenprinzipien. Wer sich Erkenntnisse spielerisch erarbeite, durch selbst erfahrene Perspektivwechsel etwa, baue auch seine Vorurteile ab, ist sie überzeugt.

Ihre eigene Faszination für die Bühne entdeckte Prott mit 19. In der Berufsschule hing ein Zettel aus, die gebürtige Münchnerin wurde neugierig. "In der Theatergruppe habe ich zum ersten Mal einen Ort gefunden, wo ich so genommen wurde, wie ich bin", erinnert sie sich. Die Oberhexe in Otfried Preußlers "Die kleine Hexe" ist ihre erste Rolle. Und Prott entdeckt noch etwas für sich: Dass sich die Bühne eignet, um politische Aussagen zu treffen - "mit viel Spaß", wie sie sagt. Diese Erkenntnis verfolgt die 51-Jährige auch in ihren eigenen Inszenierungen, in Stücken von Dürrenmatt oder Max Frisch oder eigenen Arbeiten, etwa zu Sophie Scholl.

Ermutigt von ihrer Regisseurin besucht Prott parallel zu ihrer Berufsausbildung zur Notarinspektorin eine Schauspielschule in München. Sie spielt die ersten Stücke, in Boulevardtheatern. Mit 24 Jahren wechselt sie zum ersten Mal auf den Regiestuhl, macht Workshops und beginnt mit 40 noch ein Studium der Theaterpädagogik. Doch es dauert noch ein paar Jahre, bis sie beschließt, sich ganz auf die Bühne zu konzentrieren: 2014 gründet Prott "Theater ist mehr", kurz Tim. Seither inszeniert sie für Amateur- und Profigruppen, bietet Kurse an und arbeitet mit Schulklassen. Mit ihrem eigenen Probenraum im Keller neben dem Wohnhaus hat sich Prott einen Lebenstraum erfüllt.

Hier nimmt so manches ihrer Stücke seinen Anfang. Nebenan stapeln sich die Requisiten, Plakate von früheren Aufführungen. Für Fotos und Marketing der Tim-Inszenierungen zeichnet Protts Mann verantwortlich. Auch ihre Tochter hat die 51-Jährige mit ihrer Leidenschaft angesteckt, wenn auch "nur" als Hobby. Nachdem sie die Verdienstmöglichkeiten einer Schauspielerin näher recherchiert hatte, habe sie sich für eine Ausbildung zur Medienkauffrau entschieden, sagt Prott und grinst. Für sie selbst ist Theater Vollzeitjob. "Man muss auch auf sich aufpassen, dass der Spaß und die Energie erhalten bleiben", sagt sie. Bislang scheint ihr das gut zu gelingen.

Vorschläge können an tassilo@sueddeutsche.de oder per Post an die SZ-Lokalredaktion Landkreis München geschickt werden: Hultschiner Straße 8, 81677 München. Einsendeschluss: 28. Februar.

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