Tassilo-Kulturpreis der SZ:Der Glücksbringer

Werner Reischl hat die Kleinkunstbühne "Massl-Maker" im Oberhachinger Gasthof Weißbräu gegründet. Damit verhilft er vielen Künstlern zu einem Auftritt

Von Franziska Gerlach, Oberhaching

Tassilo-Kulturpreis der SZ: "Für die Bühne nicht geeignet" befanden die Teilnehmer eines Workshops, an dem Werner Reischl teilnahm. Er akzeptierte das Urteil und konzentriert sich nun darauf, andere ins Rampenlicht zu bringen.

"Für die Bühne nicht geeignet" befanden die Teilnehmer eines Workshops, an dem Werner Reischl teilnahm. Er akzeptierte das Urteil und konzentriert sich nun darauf, andere ins Rampenlicht zu bringen.

(Foto: Claus Schunk)

Matthias Matuschik zum Beispiel. Den bekannten Radiomoderatoren und Kabarettisten konnte Werner Reischl ganz spontan für einen Auftritt auf seiner Kleinkunstbühne "Massl-Maker" gewinnen. Als absoluter Neuling in der Szene. Und auf einer Bühne, die noch kaum einer kannte. Aber, sagt Reischl, er verfolge eben eine eigene Art des Netzwerkens. Er habe sich so lange durchgefragt, bis er Matuschiks Telefonnummer hatte. Ist er also einer von der hartnäckigen Sorte? Sagen wir so: Der 62-Jährige ist keiner, der schnell aufgibt. Er bleibt am Ball. "Es ist nicht so leicht, mich zu entmutigen."

An einem Winternachmittag fällt die schale Sonne durch die Fenster des Deisenhofer Gasthofes "Weißbräu", dessen Wirt Manuel Contreiras gleich angetan war von der Idee einer monatlichen Kleinkunstveranstaltung. Bei der Premiere der Massl-Maker im Februar 2017 sei es dann rappelvoll gewesen, erzählen der Wirt und der Veranstalter, so voll, dass zusätzliche Stühle herbeigeschafft werden mussten. So voll, dass Reischl tatsächlich Leute abweisen musste. Es gab aber auch Abende, an denen nur 40 von gut 70 Plätzen besetzt waren. Macht aber nichts. "Die Akzeptanz im Ort schreitet monatlich voran", sagt Reischl. Und dass ein Künstler schlecht performt habe, das sei überhaupt noch nicht vorgekommen. Bei keinem der neun Abende. Zauberer und Clowns traten in Deisenhofen schon auf, Kabarettisten und eine Frauenbands, Stand-up-Comedians und Poetry Slammer, die meisten von ihnen kommen aus der Region, manche stehen noch ganz am Anfang ihrer Karriere, aber auch bekannte Künstler wie eben Matuschik oder der Liedermacher Rainer Markus Wimmer aus Karlsruhe standen schon beim Massl-Maker auf der Bühne. "Das war mein Opener, mein erster Künstler", sagt er. Reischl, eckige Brille, dunkles Hemd, wusste, dass er zur Premiere einen zugkräftigen Namen brauchen würde. Ansonsten aber war dem Mann aus Erding doch einiges neu, als er vom Finanzwirt zum Förder der Kleinkunst jedweden Genres wurde. Mit Anfang 60, pünktlich zum Renteneintritt, begab er sich beherzt (und mit emsigen Helfern, denn ohne geht es nicht) auf unbekanntes Terrain. Er recherchierte nach einem geeigneten Veranstaltungsort, und weil er in den Achtzigerjahren hier einmal als Volleyballtrainer tätig war, er diese Gegend also kannte, nahm er sich vor allem Gaststätten im südöstlichen Landkreis vor - bis er auf Manuel Contreiras traf, der ihm den Saal des Weißbräus nun kostenfrei überlässt. "Er kam her, hat sein Projekt vorgestellt und ich habe gesagt: Ja, da mache ich mit", erzählt der Wirt. Bringt ihm ja auch etwas: gut gelaunte Gäste, die im Idealfall den Abend über essen und trinken.

Ein Glücksfall. Überhaupt sieht er einen großen Vorteil darin, eine Kleinkunstbühne im Landkreis zu betreiben. In der Stadt München sei nämlich nicht nur die Raummiete höher, sondern auch der Druck auf die Veranstalter. Das Publikum erwartet schließlich etwas für sein Geld, da darf man sich keine Ausrutscher erlauben. Reischl dagegen möchte auch weniger erfahren Künstlern eine Bühne bieten, sie sollen sich bei ihm ausprobieren dürfen. "In den Münchner Bühnen ist es für Einsteiger schwierig, einen Auftritt zu bekommen", sagt er. Und es schwingt doch Stolz mit, wenn Reischl erzählt, dass bei ihm auch die junge Schauspielerin Christina Baumer aufgetreten sei, die ja gerade richtig durchstarte. Um überhaupt an Künstler zu kommen, postete Reischl zunächst in verschiedenen Facebookgruppen, und auch sonst gab es einiges zu tun: Für die Bühne musste ein Lichtkonzept erarbeitet werden - ein warmes Rot für eine heimelige Wohnzimmeratmosphäre sollte es sein. Reischl kümmerte sich aber auch um die Pressearbeit und die Werbung, und musste dabei erfahren, dass es gar nicht so einfach ist, bei den örtlichen Einzelhändlern Flyer auszulegen. Kurzum: Werner Reischl stürzte sich ins kreative Chaos, anstatt seine neu gewonnene Freizeit lesend auf der Couch oder auf dem Golfplatz zu verbringen - was für ihn als leidenschaftlichen Golfspieler durchaus eine Option gewesen wäre. Also, warum macht er das? Freiwillig?

"Ich hatte schon immer etwas für Herausforderungen übrig", sagt Reischl. Und er hat nicht nur eine neue Herausforderung bekommen. Er scheint seine neue Tätigkeit auch in vollen Zügen zu genießen, vor allem des Austauschs mit den Künstlers wegen, das halte lebendig. "Das ist aber mehr als ein Zeitvertreib", sagt er. "Professionelles Hobby", dieser Ausdruck treffe es eigentlich recht gut. Dabei war Reischl am Anfang gar nicht so scharf auf die Rolle des Kulturveranstalters. Er wollte lieber selbst auf der Bühne stehen, Wissenskabarett schwebte ihm vor. Doch wie sich im August 2016 bei der Kabarettakademie in Bad Kissingen zeigte, können das andere besser. "Meine Körpersprache ist nicht lustig genug für die Bühne", gibt Reischl offen zu. Er sei zu steif, meinten die anderen Teilnehmer der Workshops. Als Massl-Maker ist Reischl nun anderen ein Glücksbringer, denn Massl bedeute im Jiddischen ja verdientes Glück, im Gegensatz zum Dusel, den man ja einfach so hat.

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