Tassilo:Ein Ort im Opernfieber

Tassilo: Die Königig der Nacht aus der "Zauberflöte".

Die Königig der Nacht aus der "Zauberflöte".

(Foto: lks)

Schon als Kind hat Ricarda Geary die Liebe zu Musik und Theater eingesogen. Jetzt bereichert sie mit ihrem Ensemble das musikalische Leben in Oberhaching.

Von Udo Watter, Oberhaching

Die Dorfgesellschaft als kultureller Topos genießt keinen allzu guten Ruf. Nicht zuletzt dank Theaterstücken wie "Jagdszenen aus Niederbayern" oder Filmen wie "Das weiße Band" weiß man, dass das kleine Böse in der Provinz besonders gerne brütet. Mögen sich die Zeiten auch seither geändert haben, aber als Parabel für die kollektive Kleingeistigkeit und konservative Verstocktheit seiner Bewohner hält das flache Land immer noch ganz gut her.

Die Gemeinde Oberhaching kann solche Klischees nicht bedienen, im Gegenteil. Der Ort liegt ja ohnehin nicht in tiefster Provinz - die Landeshauptstadt ist nur 20 Kilometer entfernt - gleichwohl ist es selbst in der bildungsbürgerlich geprägten Region rund um München ungewöhnlich, wie stark sich hier eine offene, aus dem lokalen Geist geborene Kultur entfaltet, wie der Gemeinsinn im Dienste der schönen Künste Blüten treibt. Besonders eindrucksvoll zeigt sich das alle zwei Jahre, wenn in der Maschinenhalle im Ortsteil Ödenpullach quasi die "Oberhachinger Opernfestspiele" stattfinden, Eigenproduktionen, bei denen das halbe Dorf mitwirkt.

Bei den jungen Stimmen kommt sie ins Schwärmen

2012 war die Premiere mit der "Zauberflöte", 2104 wurde "Die Fledermaus" aufgeführt und heuer wird im Juli Mozarts "Entführung aus dem Serail" dort gezeigt. Initiatorin dieser Projekte ist Ricarda Geary, Musiklehrerin am örtlichen Gymnasium und die Frau, die als Regisseurin auch für die Inszenierungen verantwortlich zeichnet.

Aber nicht nur das. Mitwirkende Ensembles wie der Kammerchor Oberhaching und das Kammerorchester Oberhaching wurden von ihr gegründet (2010 und 2011), dazu kommt noch der von ihr geleitete Chor des Gymnasiums. Und ihren Vater Gerold Huber, gelernter Schulmusiker in Straubing, hat sie dafür gewonnen, die musikalische Leitung zu übernehmen. "Es ist ein schönes Miteinander. Es ist toll, wenn der Schüler neben dem Profi steht", sagt die 1968 in Straubing geborene Geary, die in einer Musiker- und Künstlerfamilie aufwuchs.

"Die jungen Stimmen sind bezaubernd", schwärmt sie. Sie betont aber auch, dass etliche Profis am Ort mitmachten. Zum einen professionelle Musiker, die das Orchester verstärkten, zum anderen Leute wie Harald Beckenlehner, der seine Erfahrung als Bühnenbauer am Residenztheater mitbringt und das Bühnenbild gestaltet. Die Kostüme für die Darsteller stammen aus der Werkstatt der Oberhachingerin Uta Nußbaum und ihrer Helfer. "Sie machen alle mit".

Opernfestival im abgelegenen Weiler

Das gilt in gewisser Weise auch für Landwirt Martin Schmid, im Nebenjob Vorsitzender des örtlichen Fußballvereins FC Deisenhofen: Er hat - als Geary nach einem geeigneten Veranstaltungsort für die Opernaufführungen im Gemeindegebiet suchte und seine Maschinenhalle in Ödenpullach entdeckte - nicht lange gezögert und diese zur Verfügung gestellt. "In dieser großen Scheune, das ist einzigartig", urteilt sie. Auch Schmids Nachbarn, ebenfalls Landwirte, unterstützten das kleine Opernfestival in dem abgelegenen Weiler, der von Wäldern und Feldern umgeben ist, und stellen an den sechs Aufführungstagen ihre Wiesen als Parkplätze zur Verfügung.

Die Qualität der Inszenierungen ist hoch, neben dem am Ort wohnenden Berufsmusikern werden auch Profibläser für die Projekte verpflichtet, und die Solisten sind ebenfalls namhaft. Die Akustik ist erstaunlich gut, das Ambiente speziell - manchmal streichen Katzen um die Beine der Orchestermusiker und die Künstlergarderobe ist ein feuchter Kartoffelkeller - und die hohe, hölzerne Halle, die 450 Leute fasst, war bisher immer ausverkauft.

Die Liebe zur Musik schon früh eingezogen

Die Verwirklichung eines solchen Projekts im Hinterland ist ein ehrgeiziges Projekt, bei dem nicht nur Geary und Gerold Huber Zeit, Arbeit und Herzblut investieren, sondern zahlreiche Menschen, die in der Gemeinde leben oder arbeiten. Der Lehrerin, die seit 1999 am Oberhachinger Gymnasium wirkt, ist es besonders wichtig, diese kollektive Leidenschaft herauszustreichen. Sie selber sieht sich nicht so gerne in den Mittelpunkt gerückt, wenn sie entsprechende Gefahr wittert, dann blitzen ihre blauen Augen unter den blonde Locken lauernd auf.

Geary entfaltet eine charmante Melange aus Zurückhaltung und Resolutheit, sie verbindet Temperament und Eigenwilligkeit der Künstlerseele mit Organisationstalent und Bestimmtheit der Lehrerin. Und natürlich ist es - bei aller Unterstützung auch von Seiten der Gemeinde - gerade ihre Initiative, Impulskraft und Energie, die solche Projekte möglich macht. Die Liebe zur Musik, aber auch zum Theater hat sie schon früh eingesogen, über die Eltern, aber auch die Geschwister - ein Bruder ist der Konzertpianist Gerold Huber, der mit dem international gefeierten Bariton Christian Gerhaher ein festes Lied-Duo bildet.

Mit ihrem dirigierenden Vater verbindet sie ein blindes Verständnis, bei Konzerten des Kammerorchesters spielt sie manchmal als Violinistin mit. Sie übernimmt freilich auch immer wieder selbst die musikalische Gesamtleitung bei großen Chorprojekten. So hat sie in vergangenen Jahren in der Kirche St. Bartholomäus Händels "Messias", Haydns "Schöpfung" oder Bachs "Weihnachtsoratorium" mit verschiedenen Oberhachinger Ensembles aufgeführt. Im November dieses Jahres steht mit den "Carmina Burana" ein weiterer Klassiker an, zudem würde Geary gerne mal Orffs "Die Kluge" inszenieren und Glucks "Orfeo ed Euridice". Auch ein Open-Air-Konzert im felsigen Gleißental schwebt ihr vor.

Für sie gilt Nietzsches Bonmot "Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum" wohl ganz besonders, aber ihr geht es nicht um Selbstinszenierung, sondern um die Sache und den Nachwuchs. "Die Jugendlichen geben einem unheimlich was zurück in ihrer Begeisterung." Sie zur Musik hinzuführen, ist ihr ein besonderes Anliegen. Und dass so viele Oberhachinger, die ja stets auch Möglichkeit zum Opernbesuch in der nahen Großstadt haben, die Chance nutzen, in der eigenen Gemeinde musikdramatische Werke auf die Beine zu stellen (oder zu besuchen), freut sie sehr. "Es ist schön, etwas am Ort zu machen."

Oberhaching, Tassilokandidaten Sophie und Vincent Neeb

Ricarda Geary, Lehrerin am Gymnasium in Oberhaching, trifft mit ihren Projekten auf die Resonanz einer musikbegeisterten Gemeinde.

(Foto: Angelika Bardehle)
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: