Tanz:Ballettstunde vor Publikum

Tanz: Henri Frey (links) kann sich von Vladimir Shklyarov viel abschauen.

Henri Frey (links) kann sich von Vladimir Shklyarov viel abschauen.

(Foto: Shcherbakov Ballett-Akademie)

Das 17-jährige Nachwuchstalent Henri Frey bekommt an der Shcherbakov-Ballett-Akademie in Unterschleißheim öffentlich Nachhilfe von einem Star des Mariinsky Theaters St. Petersburg

Von Sophie Kobel, Unterschleißheim

Henri Frey zupft an seinem engen weißen Funktionsshirt und den schwarzen Leggins. Er schwitzt. Das ist für den 17-Jährigen an sich nichts besonderes, denn als angehender Profi-Balletttänzer trainiert er sechs Tage in der Woche, drei bis acht Stunden am Tag. Das Training an diesem Samstagabend allerdings ist etwas Besonderes für ihn. Unter dem Motto "Etude - Up Close & Personal mit den Stars des Mariinsky Theaters" organisiert die Shcherbakov-Ballett-Akademie in Unterschleißheim bereits zum zweiten Mal einen Abend rund um das Thema Tanz: Zwei Balletttänzer und eine Ballerina vom Bayerischen Staatsballett sind zu Gast und führen ein kurzes Duett auf.

Anschließend bekommt Frey vor dem Publikum eine Einzelstunde von Vladimir Shklyarov, der unter anderem Erster Solist bei dem weltbekannten Mariinsky Theater in St. Petersburg ist: "Ich bin schon sehr aufgeregt, schließlich ist er in der Ballettwelt ein Star. Er wird mich sicher streng korrigieren", sagt Frey.

Mit sieben begann er mit dem Ballett, weil eine Lehrerin ihn beim Kinderturnen als außergewöhnlich elegant bezeichnet hatte. Mit 17 hat er das Abitur in der Tasche, trotz des täglichen Trainings am Nachmittag. Dass in seinem Leben neben dem Ballett wenig Platz hat, nimmt er für Chancen wie diese gerne in Kauf. "Natürlich hat man immer Schmerzen, vor allem in den Füßen und Beinen. Dazu kommt die Panik, dass man nicht wirklich weiß, wie es weitergeht. Das ändert für mich aber nichts daran, dass der Tanz immer meine erste Wahl sein wird", sagt er und dehnt seine Beine für die bevorstehende Variation, die Shklyarov ihm jetzt vortanzt.

Als der 34-Jährige in seinen Sneakers zu tanzen beginnt, berührt sein Kopf bei einem seiner Sprünge fast die Decke des Ballettstudios. "Ich verstehe natürlich, dass Henri heute ein wenig gestresst ist, darum werde ich eher einfachere Schrittfolgen wählen. Es ist für mich eher wichtig zu sehen, wie schnell und spontan er Neues nachtanzen kann", sagt Shklyarov auf Russisch. Eine Dolmetscherin übersetzt den ganzen Abend lang seine Worte für das Publikum, manchmal erklären auch Ilya Sherbakov oder seine Frau Janice Chan den Kindern, was der Tänzer zu ihnen sagt.

Vor einem Jahr gründete das Ehepaar die Ballettschule eine Gehminute von der Unterschleißheimer S-Bahn-Station entfernt. Beide lernten sich an der Ballettkompanie in Südkorea kennen und zogen anschließend gemeinsam nach München, wo Sherbakov acht Jahre lang als Tänzer beim Bayerischen Staatsballett engagiert war.

Henri Frey tanzt inzwischen eine Variation aus Adolphe Adams "Giselle", Shklyarov steht in der Ecke und nickt zufrieden: "Zunächst mal großen Respekt, dass du alle Sprünge durchgehalten hast, ich weiß nicht, ob ich das gerade noch könnte", sagt er und lacht. "Aber dein Ellenbogen gehört höher und deine Handbewegung ist noch nicht perfekt. Tu so, als würdest du eine Münze zwischen den beiden Fingern halten. Nochmal von vorne, mit mehr Power", übersetzt die Dolmetscherin seine Kritik, und Shklyarov drückt an der Stereoanlage zum zweiten Mal auf Play. Für Frey ist die Arbeit an dieser Variation wichtig, denn er wird sie in zwei Wochen beim "Prix de Lausanne" in der Schweiz aufführen. Der Münchner wird 2020 der einzige deutsche Kandidat sein, der an dem Wettbewerb teilnimmt. "Bei dem Wettkampf werden auch Stipendien vergeben und es ist mein Traum, auf die Royal Ballett School in London zu gehen. Da ist es einfach nicht leicht, ruhig zu bleiben", sagt er. Aber: "Es motiviert sehr, zu wissen, dass ein Tänzer wie Shklyarov sich Zeit für einen nimmt."

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