Irgendwo schwankend zwischen Euphorie und Misstrauen, so lässt sich vielleicht die aktuelle Stimmungslage der Kulturschaffenden in Bayern umschreiben. Die Erfahrungen der vergangenen 16 Monate Pandemie haben manchen hart getroffen, gerade von Seiten der Politik fühlen sich viele übergangen. Matthias Riedel-Rüppel ist als Leiter des Kleinen Theaters in Haar mitten drin in diesem Geschehen, und er hat seine ganz eigene Taktik entwickelt, um während der Krise zu bestehen. Ein neu entwickeltes Format ist der "DienstTalk", zu dem Riedel-Rüppel regelmäßig einen Gast zu einem online live übertragenen Zwiegespräch ins Theater einlädt. Mit der Landtagspolitikerin Sanne Kurz erörterte der Theaterleiter bei dieser Gelegenheit, welche Perspektiven die Kultur- und Kreativszene nun hat.
Das Krisenmanagement der bayerischen Landesregierung für die Kreativen im Land ist nicht optimal gelaufen, da sind sich Riedel-Rüppel und Kurz einig. Kurz hat an der Hochschule für Film und Fernsehen in München studiert und lange als freie Filmschaffende gearbeitet, seit 2018 sitzt sie für die Grünen im Landtag und ist Sprecherin der Fraktion für Kultur und Film. Ziel müsse es sein, sagt Kurz, bei der Bekämpfung der Pandemiefolgen niemanden zurückzulassen: "Es ist wahnsinnig wichtig, dass man die individuellen Bedarfe in der Kunst- und Kulturbranche sieht und versteht, und dass wir nicht einfach akzeptieren, dass Leute, die früher inszeniert, gesungen, performt haben, jetzt verschwinden und irgendwo an der Kasse arbeiten. Da verlieren wir etwas im Herzen unserer Gesellschaft." Sie hätte sich, sagt Kurz, in Bayern bei der Frage der finanziellen Unterstützung der Kultur ähnlichen Pragmatismus gewünscht wie in Baden-Württemberg; stattdessen, kritisiert die Oppositionspolitikerin, hätten Wirtschafts- und Kultusministerium die Verantwortung für die Branche hin- und hergeschoben.
Über die aktuelle Öffnung der Bühnen freuen sich beide, doch Riedel-Rüppel mahnt zur Zurückhaltung: "Wir sind kulturell sicher noch nicht über den Berg." So müsse es endlich auch Perspektiven für das Nachtleben geben - und allgemein ein überzeugendendes, faires Öffnungskonzept für alle Lebensbereiche, damit auch im Herbst bei möglicherweise wieder steigenden Infektionszahlen die Menschen mitziehen. So sei derzeit etwa das Tanzen als Sport erlaubt, bei Konzerten hingegen nicht, Shopping gestattet, Straßenmusik hingegen verboten, führt Kurz an. "Das passt alles noch nicht zusammen."
Positiv sei, dass die Kultur in Bayern begonnen hat, sich den digitalen Raum zu erschließen und dass sich kleine wie größere Akteure in der Pandemie vernetzt haben. Nun hoffen der Theaterleiter und die Kulturpolitikerin, dass das Vertrauen des Publikums rasch zurückkehrt. Riedel-Rüppel will seine Gäste mit einem starken Programm für Open-Air-Veranstaltungen sowie drinnen überzeugen. Im Juli präsentieren unter anderem Dreiviertelblut ihr drittes Album "Diskothek Maria Elend" in Haar (2. Juli) und Kabarettistin Anka Zink läutet "Das Ende der Bescheidenheit" ein (1. Juli).