Tag der Bibliothek:"Ich fühle mich immer noch jung"

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Thomas Klupp will mit seinem Buch jugendliche und erwachsene Leser gleichermaßen ansprechen. (Foto: Andreas Hornoff/oh)

Thomas Klupp liest in Pullach am Tag der Bibliothek aus dem Roman "Wie ich fälschte, log und Gutes tat". Im Interview erzählt der 41-Jährige, was ihn mit seinem 16-jährigen Protagonisten verbindet

Von Irmengard Gnau, Pullach

Jedes Jahr am 24. Oktober macht der "Tag der Bibliotheken" mit verschiedenen Veranstaltungen auf das Angebot der knapp 11 000 Bibliotheken in Deutschland aufmerksam. Er wurde 1995 unter der Schirmherrschaft Richard von Weizsäckers von der deutschen Literaturkonferenz ins Leben gerufen. Das Datum erinnert an die von Karl Benjamin Preusker (1786-1871) am 24. Oktober 1828 im sächsischen Großenhain eingerichtete Bibliothek für Lehrer und Schüler, die 1832 nach Preuskers Plan zur ersten deutschen Bürgerbibliothek erweitert und für alle geöffnet wurde. In der Charlotte-Dessecker-Bücherei Pullach stellt aus diesem Anlass Thomas Klupp seinen neuen Roman "Wie ich fälschte, log und Gutes tat" vor, der junge wie erwachsene Leser ansprechen soll. Klupps Romandebüt "Paradiso" wurde mehrfach ausgezeichnet, mit seinem neuen Werk ist der 41-Jährige für den bayerischen Buchpreis nominiert.

SZ: Ihr Autorenkollege Benedict Wells lobte ihr Buch als "die in Worte gegossene Jugend". Wie bewahrt man sich als Autor einen jugendlichen Blick auf die Welt?

Thomas Klupp: Ich fühle mich immer noch jung, deshalb war es gar nicht so schwer, sich in den Charakter eines 15-, 16-Jährigen hineinzufühlen. Erwachsensein ist ja auch nur eine soziale Konstruktion. Außerdem wächst man nie ganz aus den Themen heraus, die einen in diesem Alter beschäftigen, der Erwartungsdruck von außen zum Beispiel. Im Alter zwischen 14 und 20 Jahren hat der vielleicht gerade eine besondere Relevanz, aber das ist ja ein grundsätzliches Thema.

Was können Erwachsene von diesem Blick mitnehmen?

Einer meiner wesentlichen Impulse ist es, die Leute auf intelligente Art zu unterhalten. Zugleich kann die Hauptfigur Benedikt Jäger vielleicht ein bisschen als Spiegel eigener Problemlagen dienen. Im Bezug auf die Gesellschaft, in der sich Benni befindet, in der von der Mutter bis zur Schulleiterin alle manipulieren und tricksen, zeigt sich da auch eine gewisse Zeitmentalität.

Auch ihr Protagonist Benni fälscht Noten und Zeugnisse, lügt teils sehr geschickt. Lag dieses Thema für Sie in Zeiten eines eher laxen Umgangs mit der Wahrheit durch einige Personen der Öffentlichkeit gewissermaßen auf der Hand?

In der Literaturgeschichte ist die Figur des Betrügers seit Urzeiten etabliert, denken Sie an Odysseus oder Felix Krull. Aber in unserer heutigen Zeit der neuen Medien und der fast zu einer kulturellen Praxis gewordenen Selbstoptimierung, des Image-Stylings, eröffnen sich ganz andere Möglichkeiten. Ich empfinde dieses Image-Styling als sehr massiv, ich denke da zum Beispiel an die gefälschten Dissertationen mancher Politiker oder Strategien der Selbstvermarktung insgesamt. Was für Werte in Sachen Glaubwürdigkeit setzt eine solche Gesellschaft? Da sind wir schon im dunkelorangen Bereich, würde ich sagen.

Trotzdem ist Ihr Protagonist ein Sympathieträger.

Mir war wichtig, dass er mit seinen Betrügereien durchkommt, um diesen erhobenen Zeigefinger zu verhindern. Und um zu zeigen: Systeme, in denen alle fälschen, regulieren sich gewissermaßen selbst.

Aber was für eine Bedeutung hat Aufrichtigkeit denn dann noch?

Wahrheit und Aufrichtigkeit haben natürlich einen Wert. Andererseits sind auch die betrügenden Figuren nicht per se kalt oder zynisch. Bennis Mutter zum Beispiel täuscht andere aus der Defensive heraus über ihre Herkunft. Im Umgang miteinander sind die Figuren oft aufrichtig, zumindest in ihrer Sympathie für andere. Der Leser soll durch die Charaktere sehen, welche Strukturen hinter so einem betrügerischen System stehen.

© SZ vom 23.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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