Auf der Bühne ist ein Fenster, das hinaus in die Parks dieser Welt ragt: zum Englischen Garten in München, zum Park Güell in Barcelona, zum Churchill Park in Kopenhagen, zum Central Park in New York. Grüne Bäume, grüne Rasen, grüne Seen. Die Projektionen wechseln alle paar Minuten, aber irgendwie sehen sie doch gleich aus. Viel Grün eben.
Alles ist überall ähnlich, soll das vielleicht heißen, nicht nur Grünanlagen, sondern auch Menschen, vor allem, wenn es um die großen Fragen des Lebens geht: Liebe, Partnerschaft, Sex, Macht. Und genau diese Dramen bringt der Garchinger Verein "Zeitkind" mit seiner neuen Produktion "Central Park West" von Woody Allen auf die Bühne: zwei Ehepaare, die sich belügen, beschimpfen und betrügen und von denen jeder auf seine eigene mal mehr, mal weniger liebenswürdige Art und Weise einen Psychoknacks hat.
Um kurz nach 21 Uhr ist eine der letzten Proben vor der Premiere am Freitag zu Ende. Simone Dirksen steht außen auf dem Gang und muss erst einmal durchschnaufen. Im echten Leben ist Dirksen eine Personalerin, die immer höflich bleiben muss. Auf der Bühne ist sie Dr. Phyllis Riggs, eine erfolgreiche Psychoanalytikerin, deren Mann sie betrügt. Eineinhalb Stunden lang wirft sie mit vielen Wörtern um sich, für die man seine Kinder wohl gehörig schimpfen würde. "Am Anfang der Proben hatte ich Angst, dass ich rot werde", sagt Simone Dirksen. So ganz glauben kann man das inzwischen nicht mehr. Selbst, als sie ihre Freundin als "grenzdebile Schnepfe" beleidigt und von intimen Körperzonen spricht, die wie "haarige Austern" aussehen, bleibt ihre Mine kühl.
Simone Dirksen zeigt Phyllis als starke Frau und als tragische Figur. Denn - so bekommt sie es während des Stücks gesagt - Menschen hassen eine Person nicht wegen deren Schwächen, sondern wegen ihrer Stärken. Und so kam es wohl auch, dass ihr Mann Sam (Nikolaus Müller-Weihrich), ein Anwalt, der ebenfalls nicht gerade warmherzig erscheint, schon vor Jahren begann, mit allen möglichen Frauen zu schlafen. Egal, ob sie mit seiner eigenen verwandt oder befreundet sind - so wie Carol (Marion Unger-Maar). Phyllis findet das heraus - und hier beginnen das Stück und die Probe an diesem Abend, nach einem Tag, an dem die Schauspieler in Kanzleien, Schulen, Firmen oder im Haushalt gearbeitet haben.
Das Setting: ein schickes Wohnzimmer mit langer Tafel, Kerzenständern, vielen Gläsern, Wein- und Gin-Flaschen, in der Ecke das Fenster mit den Parkprojektionen. Außer diesen fast ausschließlich grünen Fotos gibt es in dem Zimmer nichts Buntes: die Tischdecke ist grau, die Wände sind schwarz, die Kostüme weiß. Nüchtern sieht das aus, aber auch ein wenig nach Krankenhaus. Das passt gut, denn eine gesunde Psyche hat keiner in dem Raum. Da ist die kalte Phyllis, die alles durchschaut, nur nicht, wie ihre eigene Ehe zu Grunde ging.
Ihr Mann Sam, der mit dem Erfolg und der Stärke seiner Frau nicht zurecht kommt, dass er krankhaft Affären beginnt. Carol, die sich selbst so wenig leiden kann, dass sie gerne in die Haut eines anderen Menschen schlüpfen würde. Und ihr Mann Howard (Andreas Wagner), ein manisch-depressiver, wenig erfolgreicher Schriftsteller. Nach und nach kommen sie alle in dieses Wohnzimmer und finden heraus, dass vieles anders ist, als es scheint. Zum Beispiel, dass Sam gar nicht mit Carol, der Freundin seiner Frau, ein neues Leben beginnen will, sondern mit Juliet (Wendi Müller-Weihrich), einer ihrer Patientinnen. Sie ist eine Studentin Anfang 20 und dank Dr. Phyllis Riggs schaffte sie es, ihre Männerangst zu überwinden.
Ob die Schauspieler, alles Laien, diese Charaktere in ihrer Zerrissenheit darstellen könnten, sei am Anfang die große Frage gewesen, sagt Regisseurin Stephanie Brack, bevor die Probe beginnt. Auch die derbe Sprache, die versauten Witze, die Gespräche über Sex und Betrug möglichst locker rüber zu bringen, sei zu Beginn nicht einfach gewesen. "Inzwischen klappt das gut."
Es ist bereits das zweite Mal, dass Brack mit dem Garchinger Musik- und Theaterverein Zeitkind ein Stück über Dramen einer Ehe inszeniert. Brack ist Juristin und meint, vielleicht interessiere sie es deshalb besonders, wenn es zwischen Menschen kocht und brodelt - um Konflikte geht es schließlich auch vor Gericht. Außerdem sei sie ein Freund von Woody Allans Sprache, dem Wortwitz, dem Ironischen, der Vielschichtigkeit. Denn eigentlich passiert etwa 90 Minuten lang nicht viel auf der Bühne, außer dass Schauspieler sprechen - oder sich anschreien und beleidigen. Zumindest bei der Probe funktionieren allerdings die leiseren Töne besser als die lauten. Vielleicht, weil diese dem echten Leben näher sind. Vielleicht, weil eine Beleidigung, die man ganz ruhig und nüchtern gesagt bekommt, meistens doppelt wehtut.
Der Verein Zeitkind führt "Central Park West" am Freitag, 11., und Samstag, 12. Oktober, von 20 Uhr an im Römerhoftheater in Garching auf. Am Sonntag, 13. Oktober, beginnt die Vorstellung bereits um 18 Uhr. Karten kann man im Rathaus unter Telefon 089/320 89-138 bestellen. Die Abendkasse öffnet eine Stunde vor Vorstellungsbeginn. Voraussichtlich führt der Verein das Stück noch einmal Ende Januar auf.