SZ-Talentiade:Konzentriert gegen den imaginären Gegner

Die 14 Jahre alte Jovana Cvijanovic vom TSV Neubiberg wurde vergangenes Jahr in ihrer Altersklasse deutsche Vizemeisterin im Taekwondo-Formenlauf. Um auch in der U 17 ganz vorne mitzumischen, trainiert sie vier Mal pro Woche

Von Angela Boschert, Neubiberg

"Wenn sie sauer ist, dann läuft sie zu Höchstleistungen auf", sagt Jens Bolduan mit Blick auf Jovana Cvijanovic, die gerade im Spagat auf dem Hallenboden sitzt und sich für das bevorstehende Training aufwärmt. Die 14-Jährige hat schon diverse vordere Plätze auf Landesebene erstritten, wurde dann 2018 deutsche Vizemeisterin im Taekwondo-Formenlauf und ist auf dem Sprung in den bayerischen Landeskader. Doch sie will mehr. Sie will Weltmeisterin im Taekwondo werden.

Dafür trainiert sie viermal pro Woche, in Dachau, woher sie stammt, und in Neubiberg. Besonders weil Jovana in diesem Jahr schon in der sehr stark besetzten Altersklasse U 17 starten muss. Ihre Mutter fährt sie deshalb auch jeden Sonntag nach Neubiberg, wo Jens Bolduan heute wieder das Formen-Wettkampfteam trainiert. Er feilt an jeder Technik, ermahnt seine Schüler immer wieder, den Oberkörper aufzurichten. "Dann habt ihr mehr Stabilität und die Techniken sind stärker und präsenter", erklärt er ihnen. Auch Jovana nickt und denkt an ihr Vorhaben, selbst wenn es bedeutet, jeden Tag Spezialübungen zum Muskelaufbau und für eine bessere Stabilität zu machen.

Taekwondo hat sie vor sechs Jahren kennengelernt, als sie zum Probetraining beim TSV Dachau 1865 ging. Sie wollte schauen, was Mutter und Schwester dort machen. Und die koreanische Kampfsportart gefiel ihr. Kein Wunder, ist der Trainer dort doch Reinhard Langer, der mehrfache deutsche und Europameister und Olympia-Vierte 1988 im Freikampf. Das Kämpfen mit Weste und Schutzausrüstung empfindet Jovana allerdings noch heute als "zu brutal". Bei den Formen hingegen fasziniert sie, "dass man immer sehr präzise sein muss". Präzises Bewegen kennt sie vom Kunstturnen, das sie vor dem Taekwondo betrieben hat.

SZ-Talentiade: Jovana Cvijanovic mit ihrem Trainer Jens Bolduan.

Jovana Cvijanovic mit ihrem Trainer Jens Bolduan.

(Foto: Claus Schunk)

Schnell zeigten sich erste Erfolge, die Jovana motivierten, die Formen oder Poomse - also Kämpfe gegen mehrere imaginäre Gegner mit einer vorgeschriebenen Abfolge von Verteidigungs- und Angriffstechniken - zu verfeinern. Denn hier gilt es wie beim Eiskunstlaufen und Kunstturnen, die Preisrichter mit exakten, schnellen, wirkungsvollen Techniken zu überzeugen, nicht bloß mit deren korrekter Ausführung. "Es ist ein Auf und Ab, weil ein und dieselbe Form von zwei Preisrichtern völlig verschieden beurteilt werden kann", weiß auch Bolduan aus langjähriger Erfahrung.

Zu ihm kam Jovana Cvijanovic vor zwei Jahren, weil beim TSV Dachau der Schwerpunkt auf dem Zweikampfbereich liegt und ihre Mutter nach einem Verein suchte, der ihre Tochter im Formenbereich intensiver fördern kann. "Dabei stieß sie auf die Erfolge von Bärbel Reiner vom TSV Neubiberg, die im deutschen Nationalkader und mehrfache deutsche und internationale Meisterin ist", erzählt Jovana. Bolduan ist Reiners Trainer. Er trainiert jetzt beide. Mit Erfolg: Neben dem deutschen Vizemeistertitel hat es Jovana bereits in den Perspektivkader der bayerischen Taekwondo-Union, kurz BTU, geschafft.

Doch sie hat mehr vor. Konzentriert und dabei selbstkritisch geht die Schülerin an ihren Platz zurück, greift sich an ihre Haare, die sie zu einem beeindruckenden Dutt aufgesteckt hat, und läuft erneut ihre Form. Sie will dahin, wo Bärbel Reiner, ihr sportliches Vorbild, im Dezember schon war: zur Technik-Weltmeisterschaft. Reiner schaut zu ihr, wird konzentrierter im Blick, als Jovana eine Bewegung etwas ungenau ausführt.

Reiner kennt das internationale Geschäft. Ein kleiner Wackler verhinderte, dass sie und ihr Partner vergangenes Jahr bei der WM der Erwachsenen im Synchron-Laufen die Finalrunde erreichten. Umso intensiver bereitet Bolduan sie auf die WM 2020 vor. "Davon profitiert Jovana. Doch jetzt stehen erst einmal die Austrian Open Poomse im Juni an", sagt Reiner. Auch Jovana wurde dafür von der BTU nominiert und wird auf große internationale Konkurrenz treffen. Sie hofft, dieses Mal die Finalrunde zu erreichen, was in ihrer starken Altersgruppe schwer ist.

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Mehrere Trainer und das Formenteam helfen beiden bei der Vorbereitung, denn hier trainieren auch andere bayerische Meister und Teilnehmer an deutschen Meisterschaften. Vier Jugendliche aus diesem Team sind außerdem Trainerinnen im Taekwondo-Breitensport des TSV Neubiberg. Einige starten außer im Formenlauf immer wieder erfolgreich im Freikampf-Team.

Für alle ist dieser Sport eine zweite Familie und eine Leidenschaft, mit der sie in der Gemeinschaft zu sich selbst finden können. Gestützt durch Bolduans Überzeugung, einer alten Taekwondo-Weisheit: "Für mich ist nicht der Sieg wichtig, sondern der Einsatz, den die Sportler zeigen." Die Erfolge in der Vielfalt seiner Schüler geben ihm Recht.

Mit der Talentiade 2019 prämiert die Süddeutsche Zeitung zum zehnten Mal die Leistung von Sporttalenten (bis Jahrgang 2000) aus München und der Region sowie die Nachwuchsarbeit ihrer Vereine. Wir suchen deshalb junge Sportlerinnen und Sportler, die in den letzten beiden Jahren - unabhängig von Sportart oder Titeln - sportliches Engagement gezeigt haben. Vergeben werden unter anderem neun Förderpreise à 1500 Euro. Bewerbungen und Vorschläge bis 18. Juni unter sz.de/talentiade2019.

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