Traditionelle Wirtshäuser:Ein Prosit auf die Ungarn

Traditionelle Wirtshäuser: Grasbrunn: Eröffnung Gasthof Gut Keferloh Foto: Claus Schunk

Grasbrunn: Eröffnung Gasthof Gut Keferloh Foto: Claus Schunk

(Foto: Claus Schunk)

In Keferloh wurde im Jahr 955 mit einem Pferdemarkt der Vorläufer des Oktoberfests begründet. Eine bewegte Geschichte hat auch der Gasthof, der frühere Kreitmair.

Von Lars Brunckhorst, Grasbrunn

Es gibt nur wenige Gasthäuser im Münchner Umland, die in einem Atemzug mit den sogenannten Biertempeln in der Stadt genannt werden. Wenn dieses noch dazu aus dem Munde von zwei so prominenten Münchnern wie dem Journalisten und Schriftsteller Hannes Burger sowie dem früheren Oberbürgermeister Christian Ude geschieht, dann kommt das schon fast einem Ritterschlag gleich. Der Keferloher Gastwirtschaft, die heute unter dem Namen "Gut Keferloh" firmiert, aber nach wie vor als der "Kreitmair" bekannt ist, wurde dieser vor einem Vierteljahrhundert zuteil.

In dem 1994 erschienen Büchlein "Beim Kreitmair in Keferloh" zählt Burger das Wirtshaus zu den Kultstätten familiärer Gastlichkeit und Münchner Gemütlichkeit und Ude, der sonst auf fast alles außerhalb seiner schönen Stadt herabblickte, spricht dem Gasthaus ebendort gar einen "festen, angestammten Platz in der Geschichte der Münchner Gastronomie" zu.

Traditionelle Wirtshäuser: Gasthaus Gut Keferloh Pferdemarkt zu Keferloh 1880 Repro: Claus Schunk

Gasthaus Gut Keferloh Pferdemarkt zu Keferloh 1880 Repro: Claus Schunk

(Foto: Claus Schunk)

Durchaus zu Recht. Keferloh ist nämlich nicht nur der geografische Mittelpunkt des Bierlandes Oberbayern, wie dem Flecken östlich von München vor vier Jahren hoch offiziell von der staatlichen Vermessungsverwaltung bescheinigt wurde; Keferloh ist auch die Wiege der bayerischen Biertradition schlechthin. Aus dem kleinen Ortsteil der heutigen Gemeinde Grasbrunn stammt zum einen der Ur-Bierkrug, der tönerne Keferloher. Zum anderen wurde auf den Feldern rund um das Gut Keferloh über Jahrhunderte hinweg das Vorläuferfest der Münchner Wiesn gefeiert.

So wurde in Keferloh dem Gerstensaft schon hektoliterweise zugesprochen, als die Theresienwiese noch Weideland war. Die Anfänge des Keferloher Marktes reichen gar bis ins Jahr 955 zurück. Damals verkauften die siegreichen Bayern angeblich nach der Schlacht auf dem Lechfeld die Pferde der geschlagenen Ungarn in Keferloh, in der Folge etablierte sich ein jährlicher Viehmarkt. Erst mit der Hochzeit des späteren Königs Ludwig I. mit Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen 1810, zu deren Ehren ein Pferderennen auf der nach der Braut benannten Theresienwiese veranstaltet wurde, etablierte sich das Feld, das damals noch außerhalb der Stadt lag, zum Festplatz, womit der Niedergang des Keferloher Markts begann. Trotzdem findet noch heute einmal im Jahr in Keferloh ein großes Bier- und Landwirtschaftsfest statt: der Keferloher Montag. Termin wäre eigentlich an diesem Montag gewesen; doch Corona macht heuer nicht nur dem Münchner Oktoberfest einen Strich durch die Rechnung.

Dabei hatte Keferloh in der Vergangenheit alles andere als einen guten Ruf. Bei Ärzten und der Gendarmerie soll der erste Montag im September vor 150 Jahren im Kalender rot angestrichen gewesen sein - so sehr ging es rund um den Viehmarkt zur Sache. Brutale Zustände hätten nicht nur rund um das Fest geherrscht, heißt es in Überlieferungen von Augenzeugen, die Betrunkenen hätten auf dem Heimweg nach München, der gut und gerne zwei Wochen dauern konnte, auch in den Wirtshäusern entlang der Strecke schlimmste Zechgelage gefeiert.

Redensartlich ist denn auch der Begriff "Keferloherisch" für einen recht derben Umgang überliefert. So notierte 1851 Felix Schiller in seinem Reiseführer über München: "Besucht man diesen Markt, so muß man sehr auf der Hut sein, um nicht keferloherisch behandelt zu werden." Wegen des groben Miteinanders, heißt es, sei auch der Bierkrug, der Keferloher, so konstruiert worden, dass er zu Bruch geht, ohne größere Schäden anzurichten, wenn ihn sich die Trunkenbolde gegenseitig auf den Kopf schlugen.

Traditionelle Wirtshäuser: Marktgeschehen 1934 Repro: Claus Schunk

Marktgeschehen 1934 Repro: Claus Schunk

(Foto: Claus Schunk)

In der jüngeren Vergangenheit verbinden sich mit Keferloh und dem dortigen Wirtshaus dagegen buntere, ja schillerndere Geschichten. So war das Wirtshaus mit seinem großen Biergarten von den Siebzigerjahren an bis in die Neunziger besonders bei der Münchner Bussi-Gesellschaft beliebt. Ob Sportler wie Gerd Müller, Udo Lattek und Rosi Mittermeier, Showstars wie Udo Jürgens, Katja Ebstein oder Freddy Quinn und Schauspieler wie Gustl Bayrhammer, Walter Sedlmayr und Karlheinz Böhm - sie alle trugen sich ins Gästebuch ein. Einmal wurde der Biergarten gar zum beliebtesten Münchens gewählt.

Der "Kreitmair", wie das Wirtshaus auch über diese legendäre Zeit seines damaligen Wirts Willi Kreitmair hinaus genannt wurde und bis heute zum Teil wird, war mal eine Institution im Münchner Osten. Der vor sieben Jahren verstorbene Wiesnwirt Willi Kreitmair, dem das Winzerer Fähndl auf dem Oktoberfest und der Spöckmeier unweit des Marienplatzes gehörten, hatte das Wirtshaus 1969 gekauft, das seit 1863 von der Bauers- und Wirtsfamilie Stadler geführt worden war. Kreitmair hatte damit durchaus mutig ein bewusstes Zeichen gegen den damals allgemein beklagten Niedergang der bayerischen Wirtshaustradition gesetzt - mit Erfolg. In dem großen Biergarten mit der angrenzenden Tenne für Hochzeiten und andere Feste verabredeten sich über Jahrzehnte Freunde und Familien, Junge und Junggebliebene. Die Münchner Wirtelegende hat übrigens stets gentleman-like diskret über seine Gäste, die berühmten wie die weniger bekannten, geschwiegen. Weder seine persönlichen Freunde noch seine lieben Stammgäste müssten "irgendwelche pikanten Enthüllungen" befürchten, versicherte er zu seinem 60. Geburtstag am 24. Oktober 1994.

Traditionelle Wirtshäuser: Gasthaus Gut Keferloh

Gasthaus Gut Keferloh

(Foto: Claus Schunk)

Mit dem Rückzug der Familie Kreitmair begann dann freilich ein Auf und Ab. Nach dem Verkauf des Anwesens zur Jahrtausendwende meldeten mehrere Wirte Insolvenz an und waren Gasthaus und Biergarten immer wieder für längere Zeit geschlossen. Deshalb wäre sogar schon mehr als einmal fast der Keferloher Montag ausgefallen, wenn sich nicht andere Wirte fürs Bierzelt gefunden hätten. Dabei hat die Münchner Augustiner-Brauerei, der das Gasthaus heute gehört, viel Geld in eine behutsame Renovierung und Modernisierung gesteckt. So wurde die Gaststätte erst einmal von allen alten dunklen Möbeln und Erinnerungsstücken entrümpelt, die historischen Holzdielen wurden wieder frei gelegt und die Decken bayrisch blau gefärbt. Mit dem neuen Namen "Gut Keferloh" wurde auch demonstrativ mit der alten Zeit unter der Paulaner-Brauerei gebrochen.

Traditionelle Wirtshäuser: Drinnen wie draußen wird die Tradition gepflegt.

Drinnen wie draußen wird die Tradition gepflegt.

(Foto: Claus Schunk)

Die letzte Neueröffnung war vor knapp einem Jahr. Seither versucht Jens "Theo" Heupgen als neuer Wirt, den Ruf Keferlohs als Bewahrer der Münchner Wirtshaustradition wiederherzustellen.

Prächtige Kirchen

Wer sich für Kultur- und Kunsthistorisches interessiert, sollte seinen Besuch im Gasthof Gut Keferloh mit einem Abstecher zu zwei Kirchen verbinden. Der erste verlangt nur wenige Meter, denn gleich hinter dem Wirtshaus liegt das Kirchlein Sankt Aegidius, das älteste Gotteshaus im Raum München. Die Kirche wurde zwischen 1170 und 1173, als Keferloh zum Kloster Schäftlarn gehörte, im romanischen Stil errichtet und 2013 nach aufwendiger Restaurierung wieder eröffnet. Bei den Arbeiten wurden unter anderem die ursprünglichen Wandmalereien wieder freigelegt. Seither finden in dem kleinen Gotteshaus regelmäßig Andachten und klassische Konzerte statt. Ein wenig weiter, aber mit dem Fahrrad gut machbar, ist es durch den Wald und unter der Autobahn hindurch über Grasbrunn nach Möschenfeld, dem Gut der Milliardärsfamilie von Finck. Dort steht die weithin bekannte Wallfahrtskirche Sankt Ottilie, eine prachtvolle Barockkirche mit Zwiebeltürmen, die während des Dreißigjährigen Krieges errichtet wurde. Beachtung verdienen vor allem die drei Altäre. Aber auch ohne einen Besuch der Kirche lohnt ein Abstecher zum Gut Möschenfeld, das gebettet zwischen Wäldern und im Schnittpunkt mehrerer Alleen auf einer großen Waldlichtung liegt. Lars Brunckhorst

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