SZ-Serie: Sound des Sommers:Sanft, aber laut

SZ-Serie: Sound des Sommers: Summertime: Stefan Schreiber (Dritter von links) mit drei Schülern beim Sommerfest vor dem Unterhachinger Kultur- und Bildungszentrum.

Summertime: Stefan Schreiber (Dritter von links) mit drei Schülern beim Sommerfest vor dem Unterhachinger Kultur- und Bildungszentrum.

(Foto: Claus Schunk)

Mit seinem durchdringenden Sound ist das Saxofon prädestiniert für Auftritte unter freiem Himmel. Wer viel übt wie der Profimusiker und Musikschullehrer Stefan Schreiber, kann aber schon mal Ärger mit den Nachbarn bekommen.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Der Ton kommt von weit unten. Wenn man die Augen schließt und nicht wüsste, dass man sich nicht am Meer befindet, sondern im südlichen Landkreis München, könnte man glatt meinen, das sei ein Schiffshorn. Doch dann folgen weitere Töne und es fügt sich zusammen zum altbekannten "Summertime".

Vier Saxofone geben mit George Gershwins Stück in Moll beim Sommerfest im Unterhachinger Kultur- und Bildungszentrum (Kubiz) mit den Ton an. Es ist laut, aber angenehm laut. Das zu den Holzblasinstrumenten zählende Saxofon hat im Vergleich zu den Blechblasinstrumenten einen sanfteren Sound, klingt weicher als eine Trompete, aber erheischt gerade unter freiem Himmel mehr Aufmerksamkeit als eine Blockflöte, es klingt schwerer, voluminöser.

Dabei braucht auch der Saxofonist draußen viel mehr Kraft zum Spielen als in einem Konzertsaal. Zumindest wenn er ohne Verstärker spielt. "Mehr Energie", nennt das Stefan Schreiber, Profimusiker und Saxofonlehrer an der Musikschule Unterhaching, der mit drei Schülern hier diesen Sound in den Sommer des Hachinger Tals hinausbläst. "Man muss sich eben darauf einstellen, dass draußen der Ton nicht reflektiert wird", sagt er. Trotzdem spielt er lieber ohne Verstärker. "Das ist total direkt", sagte er, "man muss sich viel mehr auf die Mitspieler einstellen."

Auch Stefan Schreiber hat früher Straßenmusik gemacht

Im Sommer hört man das Saxofon gerne mal in der Fußgängerzone oder auf einem beliebten Platz. Auch Stefan Schreiber hat während seines Studiums am Richard-Strauss-Konservatorium in München hin und wieder Straßenmusik gemacht, in Straßburg, in Paris, häufig auch in Prag.

Klar gebe es in den meisten Städten Auflagen, an die man sich halten müsse; mitunter müsse man auch erst einmal vorspielen, bevor man als Musiker die Stadt beschallen darf. Die Stückauswahl spiele bei der Straßenmusik dagegen keine große Rolle. "Es ist relativ egal, ob man etwas Bekanntes spielt. Es kommt darauf an, ob der Funke überspringt."

Wenn Schreiber, heute 53, nicht gerade an der Musikschule unterrichtet, spielt er auf großen wie kleinen Bühnen. Er ist viel mit The Notwist zusammen aufgetreten, etwa auch auf dem Münchner Odeonsplatz, spielte in Bands wie Enders Room, dem Tied and Tickled Trio, dem Franz-David Baumann Quintett, dem Saxofon-Quartett Con Tempo und sowie dem ICI Ensemble München.

Auch ist er im Münchner Volkstheater in der Dreigroschenoper zu hören. Die New Orleans Dixie Stompers wären da noch zu nennen, die übrigens auch bei "Doctor Döblingers geschmackvolles Kasperltheater" in der Folge "Kasperl und die Sepplfalle" aufritt.

Man kann beim Hören der CD meinen, die Jazz- Formation tritt tatsächlich beim Kasperl direkt im Biergarten auf. Stefan Schreiber gibt aber zu, dass sie bei dieser Aufnahme nicht unter freiem Himmel gespielt haben. Bei anderen Gelegenheit hingegen machte er jenseits der großen Bühnen schon manche Erfahrung, welche Tücken sich mitunter für einen Musiker auftun, wenn der den geschützten Raum eines Veranstaltungssaals verlässt.

Der größte Feind von Outdoor-Konzerten kann durchaus auch der Sound der Kirche sein. Schreiber erinnert sich noch gut an einen Auftritt in der niederbayerischen Provinz auf einem Platz zwischen Rathaus und Kirche. "Wir mussten immer wieder neu ansetzen, weil ständig die Glocken geläutet haben." Auch ein kleiner Hund hat ihm schon mal akustisch richtig herausgefordert. "Der ist immer wieder hergekommen, hat geheult und das Saxofon angebellt", erzählt Schreiber.

Das möchte manch ein Nachbar vielleicht auch gerne mal, wenn er diesem Instrument mit seinem durchdringendem Sound nicht so wohlgesonnen ist. Denn das Saxofon ist laut, sehr laut. Schreiber rät seinen Schülern trotzdem: "Einfach spielen!" Er weiß aber auch: Wenn man so viel übt wie ein Profi und in einer kleinen Wohnung in der Stadt wohnt, "hält das keiner aus". Er selbst hatte daher immer einen Übungsraum außerhalb.

Es gibt aber aus der Musikgeschichte Beispiele von berühmten Saxofonisten, bei denen das nicht so war. Sonny Rollins etwa, der sein Instrument mit auf die Williamsburg Bridge in New York nahm, um dort zu üben, wodurch auch sein Album "The Bridge" entstanden sein soll. Oder Stan Getz, der bei offenem Fenster geübt haben soll, was vor allem zu Beginn seiner Musikerkarriere in der Bronx eher für Ärger als für Begeisterung in der Nachbarschaft geführt haben soll.

1965 berichtete das US-Nachrichten-Magazin Time, sein Vater habe ihm einst ein verbeultes 35-Dollar-Saxofon aus dem Leihhaus mitgebracht. Stanley spielte demnach acht Stunden am Tag darauf herum, bis alle Mieter ringsherum verärgert waren. "Stellt das Kind ruhig!", soll hin und wieder jemand gebrüllt haben, was seine Mutter veranlasste, aus der Küche zurückzurufen: "Spiel lauter, Stanley, spiel lauter!"

Zur SZ-Startseite

SZ-Serie: Sound des Sommers
:"Mähdreschen ist für mich Entspannung"

Landwirt Max Kraus sitzt zur Erntezeit gerne im Führerhaus seiner großen Maschine. Dass man dort sein eigenes Wort kaum versteht, ficht ihn nicht an.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: