SZ-Serie: Schlüsselposition - Folge 6:Der Wassermann

SZ-Serie: Schlüsselposition - Folge 6: Auch für "Asterix", "Ursula" und "Carl Orff" trägt Jürgen Köhler Sorge: Insgesamt hat der Schleißheimer Ruderverein 34 Boote an der ehemaligen Olympiaanlage.

Auch für "Asterix", "Ursula" und "Carl Orff" trägt Jürgen Köhler Sorge: Insgesamt hat der Schleißheimer Ruderverein 34 Boote an der ehemaligen Olympiaanlage.

(Foto: Robert Haas)

Als Bootswart und Vereinsvorsitzender lebt Jürgen Köhler an der Regattastrecke Oberschleißheim seine Leidenschaft für das Rudern aus. Er ermutigt jeden, es einmal zu probieren.

Von Irmengard Gnau, Oberschleißheim

Die Augen müssen sich erst an das schummrige Licht gewöhnen, das durch das geöffnete Eingangstor in die Bootshalle 13 fällt. Ruhig hinter einander aufgereiht hängen die Ruder, "Skulls", an der Wand und strecken die farbigen Schlagblätter nach unten von sich.

Jürgen Köhler streicht mit der Hand über einen hölzernen Bootskörper. Dort hat sich ein Riss gebildet, er wird ihn bei Gelegenheit ausbessern. Früher war Köhler einmal Modellbauer, diese Bastelerfahrung kommt ihm heute zugute: Als Bootswart und Vorsitzender des Schleißheimer Ruderclubs pflegt der 53-Jährige die 34 Boote des Vereins, die in den Hallen an der Olympia-Ruderregattastrecke auf ihren Einsatz warten.

In stillen Augenblicken weht das Flair der Olympischen Spiele noch über die Strecke

Vom Eingang des Bootshauses aus schaut Köhler direkt auf die Ruderstrecke. Glatt und weit streckt sich die Wasseroberfläche hin, nur wenige Ruderer und Kanuten sind an diesem trüben Nachmittag auf dem Wasser. Die Strecke ist "ziemlich ideal", sagt Köhler, ihm fallen nur wenige schönere ein in Deutschland. 2230 Meter lang, 140 Meter breit und etwa 3,50 Meter tief ist das Becken, in stillen Augenblicken weht das Flair der Olympischen Wettkämpfe immer noch darüber.

"Eigentlich auch langweilig", sagt Köhler und lacht. Er ist mit dem Main aufgewachsen, in Unterfranken, ein Schulfreund nahm ihn mit elf Jahren einfach mit zum Ruder-Club Karlstadt. Es dauerte ein wenig, bis Köhler Gefallen am Rudern fand, erzählt er, doch irgendwann fuhr er einfach los. Seither hat ihn der Sport nicht mehr losgelassen. "Rudern ist auch eine Leidenschaft", sagt Köhler im weichen fränkischen Dialekt.

SZ-Serie: Schlüsselposition - Folge 6: Die Ruderregattastrecke in Oberschleißheim bietet Sportlern eine 2230 Meter lange Wasserfläche zum Trainieren.

Die Ruderregattastrecke in Oberschleißheim bietet Sportlern eine 2230 Meter lange Wasserfläche zum Trainieren.

(Foto: Robert Haas)

"Wenn man morgens um 6 Uhr aufs Wasser geht, es ist ganz ruhig, keine Geräusche, nur die Vögel und ein leichtes Rauschen, und dann geht über der Strecke die Sonne auf - das hat man bei keiner anderen Sportart", schwärmt Köhler.

Auf der Strecke gleitet ein Boot über das Wasser. Die synchronen Bewegungen der vier Ruderer wirken zugleich sanft und kraftvoll, beinahe lautlos ziehen sie ihre Bahn. Rudern kann genauso als Einzelsport wie als Teamsport ausgeführt werden. Wer die Technik einmal verinnerlicht hat, kann quasi mit jedem Partner zusammen im Boot fahren, wie Köhler erklärt. Am Rande eines Wettbewerbs fuhr er einmal mit dem Viererboot der argentinischen Nationalmannschaft mit. "Es ging."

Das Rudern fordert viel von den Sportlern

"Das A und O ist, ein Gefühl für das Boot zu bekommen." Vom Steg sicher auf den Rollsitz eines der schmalen Einsitzerboote zu gelangen, sieht für Ungeübte zunächst nach einer ziemlich wackligen Angelegenheit aus. Doch nach ein, zwei Tagen könnten Anfänger bereits auf der Regattastrecke fahren, meint Köhler - um eine richtig gute Technik zu entwickeln, braucht es allerdings Jahre. Insgesamt verlangt das Rudern doch einiges. Rasche Erfolgserlebnisse sind selten. "Man muss viel machen für wenig Strecke", drückt es Köhler aus. Soll heißen: Wer bei Wettkämpfen über 1500 Meter oder in der Sprintregatta über 500 Meter erfolgreich sein will, sollte schon 70 bis 80 Kilometer pro Woche hinter sich bringen, um gut in Übung zu sein.

Nicht jedermanns Sache, ebenso wenig wie das frühe Aufstehen oder Training im Winter. "Solange das Wasser nicht gefroren ist, kann man fahren", sagt Köhler. Warm wird es schon irgendwann durch das Rudern. Bei schlechtem Wetter geht es in den Kraftraum in der Turnhalle, dreimal pro Woche zum Muskelaufbau.

Bei soviel gefordertem Einsatz passt es gut, dass Köhler seine Begeisterung fürs Rudern an seinen Sohn Markus weitergegeben hat. Seit sechs Jahren ist der 16-Jährige im SRC dabei, sein Vater trainiert ihn. Selbst ist Jürgen Köhler nach einer Fußverletzung erst wieder ins Training eingestiegen, heuer wird er nur den Sohn Regatten fahren sehen.

Im vergangenen Jahr sei er an 130 Tagen auf der Trainingsstrecke gewesen, rechnet Markus Köhler vor, dazu kommen Trainingslager und etwa ein halbes Dutzend Regatten. "Es geht viel Zeit dafür drauf", rekapituliert er und schaut hinunter auf die Blasen an seinen Händen, "aber das ist es mir wert." Im Seitenblick des Vaters liegt ein wenig Stolz.

Den Schleißheimer Ruderclub gibt es seit 1996

In Deutschland ist Rudern gleichwohl eine Randsportart, das ist Köhler bewusst. Nicht nur, wenn er, ein bisschen wehmütig, an eigene Erfahrungen bei internationalen Wettkämpfen zurückdenkt, sondern auch beim Blick auf den eigenen Verein. Seit 1996 gibt es den Schleißheimer Ruderclub, seither kann der Verein auf einige Erfolge blicken, er zählte zwischenzeitlich einmal 201 Mitglieder. Heute sind es um die 130. Viele Jugendliche hätten den Verein verlassen, etwa um anderswo zu studieren, sagt der Vorsitzende. Lange hatte der Verein eine Kooperation mit dem Carl-Orff-Gymnasium in Unterschleißheim, es gab eine Ruderklasse. Doch auch die hat sich inzwischen zerschlagen.

Trotzdem ermutigt Köhler jeden, es einmal zu probieren. Etwa am Sonntag, 1. Mai. Dann ist auf der Regattastrecke in Oberschleißheim "Tag des Wassersports".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: