SZ-Serie "Reife(n)prüfung":Der Arbeitsweg als Fitnesstour

SZ-Serie "Reife(n)prüfung": Hat schon früh umgesattelt: Firmengründer Roland Dürre, heute Aufsichtsrat von Interface, mit Rad.

Hat schon früh umgesattelt: Firmengründer Roland Dürre, heute Aufsichtsrat von Interface, mit Rad.

(Foto: Claus Schunk)

Viele Firmen bieten Angestellten, die mit dem Rad ins Büro kommen, Duschen, Ladestationen und Reparaturservice. Sie fördern damit nicht nur die Gesundheit ihrer Mitarbeiter, sondern kommen auch deren Wünschen nach.

Von Irmengard Gnau

Radfahren ist gesund, und wie: Nur etwa eine halbe Stunde am Tag kann Krankheiten wie Bluthochdruck, Herzleiden oder Diabetes vorbeugen, betonen Mediziner gern, außerdem ist die regelmäßige Bewegung natürlich gut gegen Übergewicht. Und Stress baut es auch noch ab. Das ist nicht nur eine Wohltat fürs Privatleben, sondern auch am Arbeitsplatz eine nützliche Sache. Das bemerken auch immer mehr Unternehmen. Gesunde, gut gelaunte und motivierte Mitarbeiter sind wohl der Wunsch jedes Vorgesetzten. Viele Betriebe im Landkreis engagieren sich deshalb dafür, dass ihre Mitarbeiter möglichst angenehm mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren können.

Der ADFC zeichnet radaffine Unternehmen und Institutionen mit dem EU-weiten Siegel "Fahrradfreundlicher Arbeitgeber" aus. Zehn Betriebe in Bayern tragen das Siegel bereits, darunter der Münchner Verkehrsverbund MVV und das Landratsamt Augsburg. Im Landkreis München ist noch niemand zertifiziert - bislang. Auf ihrer Website und in einem Handbuch gibt die Initiative Tipps, wie Betriebe ihre Mitarbeiter vom Fahrradpendeln überzeugen können. Bei der Interface AG in Unterhaching, ein IT-Dienstleister mit insgesamt etwa 150 Mitarbeitern an fünf Standorten in Deutschland, ist ein wichtiges Kriterium bereits erfüllt: Der Chef radelt voran. Auch wenn er heute nicht mehr aktiv das Unternehmen führt, sondern in den Aufsichtsrat gewechselt ist, gibt Interface-Gründer Roland Dürre in dieser Hinsicht ein gutes Vorbild ab.

Privat legt Dürre seit Jahren fast alle Strecken mit dem Fahrrad zurück, engagiert sich auch gesellschaftlich für eine aktive Mobilität. "Agilität ist für mich ein prägendes Thema, in meinem Berufsleben als Programmierer genauso wie im Arbeitsumfeld", sagt Dürre. Schon in frühen Berufsjahren bei Siemens animierte er seine Kollegen, mit dem Fahrrad zu fahren, um den täglichen Stau vor dem Firmengelände zu umgehen. Da scheint es nur plausibel, dass auch im Gebäude der eigenen IT-Firma, die seit 1990 ihren Standort in Unterhaching hat, Radfahrer sehr willkommen sind.

"Es ist ungesund, länger als sechs Stunden zu sitzen."

In der Garage finden die Mitarbeiter ein eigenes, absperrbares Abteil für ihre Fahrräder vor, außerdem gibt es im Keller eine Dusche und Umkleide. "Wir wissen, dass es ungesund ist, länger als sechs Stunden zu sitzen - also müssen wir ja nicht auch noch bei der Mobilität hinter einem Autolenkrad sitzen", sagt Dürre.

Damit die Zweiradpendler nicht nur in Unterhaching noch mehr werden, gibt es mehrere Aktionen. Seit 2001 etwa rufen die Krankenkasse AOK und der ADFC zur Aktion "Mit dem Rad zur Arbeit" auf. Knapp zwei Millionen Radler haben sich nach Angaben der Veranstalter bereits beteiligt, in diesem Jahr ließen mehr als 210 000 das Auto stehen. Auch beim "Stadtradeln", der Kampagne des Klima-Bündnisses aus Städten, Gemeinden und Landkreisen zum Schutz des Weltklimas, waren in diesem Jahr neben Kommunen, Schulen und Privatleuten auch wieder etliche Unternehmensteams aus dem Landkreis vertreten, die drei Wochen lang eifrig in die Pedale traten. Die richtige Infrastruktur am Arbeitsplatz macht es freilich leichter, sich morgens und abends in den Sattel zu schwingen.

SZ-Serie "Reife(n)prüfung": Firmensprecher Florian Specht in den Umkleide- und Duschräumen des Unternehmens.

Firmensprecher Florian Specht in den Umkleide- und Duschräumen des Unternehmens.

(Foto: Claus Schunk)

Gerade große Unternehmen haben das offensichtlich erkannt. Beim Halbleiterexperten Infineon am Hauptsitz in Neubiberg zum Beispiel gibt es neben Duschen und Umkleideräumen künftig auch eine Reparaturstation. Während der Arbeitszeit können die Mitarbeiter ihre Räder an einem der etwa 1220 Fahrradstellplätze - im Freien und überdacht - sicher verstauen. Man stelle es, schreibt Infineon, den Mitarbeitern natürlich frei, das für sie geeignete Verkehrsmittel zu wählen. Der Campeon liegt nah an der S-Bahn-Station Fasanenpark, das Unternehmen bietet ein Job-Ticket an; außerdem gibt es natürlich auch Auto-Parkplätze, etwa 2230 an der Zahl. Doch die gute Erreichbarkeit mit dem Rad spiele durchaus eine große Rolle, heißt es aus dem Unternehmen. Im Herbst plane man, zwei MVG-Leihradstationen aufzubauen, eine davon an der S-Bahn, damit die Mitarbeiter auch Job-Ticket und Leihrad kombinieren oder das Rad für Wege zwischen den Infineon-Standorten in Neubiberg und Neuperlach nutzen können.

Die Nachfrage nach Infrastruktur steigt

Die Allianz-Versicheurng in Unterföhring stellt ihren Beschäftigten sogar Firmenräder zur Verfügung. Für Dienstfahrten könnten Mitarbeiter die sogenannten Campusbikes oder E-Bikes benutzen, erklärt ein Sprecher. Wer seinen Weg zum Campus des Versicherers auf dem Rad zurücklegt, findet dort etwa 700 überdachte Stellplätze vor - im Vergleich zu 2700 Parkplätzen für Autos -, außerdem zehn Umkleiden mit 32 Duschen. Außerdem gibt es weitere Hilfsmittel: Wer etwa sein Fahrrad nach einer Fahrt durchs Gelände säubern will, dem steht ein Reinigungsgerät zur Verfügung. Für Elektro-Biker gibt es neun Ladestationen. Regelmäßig kommt außerdem ein Reparaturservice nach Unterföhring - Mitarbeiter können ihr Rad morgens abgeben und abends nach dem Service wieder mitnehmen.

Die Nachfrage nach solcher Fahrradinfrastruktur steigt offenkundig auch von Seiten der Mitarbeiter. Obwohl der Campus seit seinem Umzug außerhalb Münchens liegt, kämen täglich viele Allianzer mit dem Fahrrad ins Büro, heißt es aus Unterföhring. Bei Infineon fahren einer Mitarbeiterumfrage zufolge im Sommer sogar etwa 30 Prozent der Mitarbeiter mit dem Fahrrad, im Winter sind es immerhin noch 15 Prozent. Und auch bei Interface macht das Beispiel des Gründers Schule. Etwa ein Drittel der Belegschaft in Unterhaching komme regelmäßig mit dem Rad, sagt Marketingsprecher Florian Specht. "Sich aus eigener Kraft fortzubewegen, ist ja durchaus artgerecht für den Menschen", sagt Dürre mit einem Augenzwinkern.

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