SZ-Serie "Reife(n)prüfung":Oft sind es nur Kleinigkeiten

SZ-Serie "Reife(n)prüfung": Norbert Berger könnte sich südlich der Bahn einen "Shared Space" vorstellen, wo alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind.

Norbert Berger könnte sich südlich der Bahn einen "Shared Space" vorstellen, wo alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind.

(Foto: Claus Schunk)

Norbert Berger kennt die Radwege in Haar bestens. Er weiß, wo es läuft und wo es hakt. Manchmal machen grobe Kiessorten den Radlern das Leben schwer, mal sind es fehlende Bordsteinabsenkungen oder ein Mast mitten auf dem Weg.

Von Bernhard Lohr, Haar

Norbert Berger weiß genau, wo er hin will. Der passionierte Radfahrer hat einige Stellen in Haar ausgemacht, über die er sich immer wieder ärgert oder auch freut. Und so radelt er voran zu der hohen Bordsteinkante an der Leibstraße, die es Radfahrern und auch Rollstuhlfahrern erschwert, auf ihrem Weg voranzukommen. Er zeigt den großen und aus seiner Sicht überaus gelungenen Fahrrad-Abstellplatz am Freibad und weist quasi im Vorbeifahren auf eine Bordsteinabsenkung am Ende der Waldluststraße hin. Da habe der Planer mitgedacht, sagt er. Aufmerksame Bürger wie den 55-Jährigen braucht die Gemeinde. Sie arbeitet an einem Mobilitätskonzept. Das Rad spielt da eine wichtige Rolle.

Der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum hat von der Gemeinde den Auftrag bekommen, in einem aufwendigen Prozess den gesamten Ort zu durchleuchten und herauszufinden, wie in einer wachsenden Stadtrand-Kommune die Mobilität der Zukunft aussehen kann. Eine Verkehrszählung bestätigte die gefühlte Belastung durch den Autoverkehr auf der B 304, der B 471 und auch auf der Leibstraße. Und eine Haushaltsbefragung hat gezeigt, dass das Fahrrad ein äußerst populäres Verkehrsmittel ist: 20,4 Prozent der Haarer nutzen das Rad regelmäßig. Etwa 50 Prozent des Verkehrs in Haar ist hausgemacht; es geht also um Strecken, die für das Rad geeignet sind. Schon in einer ersten Präsentation zeigte sich, dass die Gemeinde auf bessere Bedingungen für den Radverkehr setzen sollte. Eine eigene Fahrradstudie ist geplant.

Als Probleme nannten Bürger in der Befragung fehlende Radwege und Radfahrstreifen. Es gab Vorschläge, Fahrradstraßen einzurichten und Fahrradständer aufzustellen. Mancher empfahl, Fußwege für Fahrradfahrer freizugeben. Über eine Bürgerbeteiligung sollen weitere Punkte aufgenommen werden.

An der B471 ist Schluss

Norbert Berger hätte Ideen. Er radelt täglich etwa fünf Kilometer von Eglfing nach Feldkirchen in die Arbeit. Im Ort ist für ihn das Rad das Top-Fortbewegungsmittel, weil er damit schnell ist, direkte Wege nehmen kann, die Autofahrern versperrt sind, und er spart sich die Parkplatzsuche.

Ein Beispiel, wo seiner Meinung nach die Möglichkeit gut genutzt wurde, Radfahrern auf eigenen Trassen kurze Wege zu schaffen, ist für ihn die Radfahrbrücke über die Ladehofstraße, die die Peter-Henlein-Straße und den Park-and-Ride-Platz am Bahnhof verbindet. Für Radfahrer, die aus München kommen, ergibt sich so eine Trasse, die dann weiter am Bahnhof vorbei über die Leibstraße hinweg an der Bahn entlang bis zur Vockestraße reicht. Dort ist freilich an der B 471 Schluss. Die Chance, dort eine ähnliche Brücke wie an der Ladehofstraße zu schaffen, sei mittlerweile wohl vertan, beklagt Berger. Man hätte sich Grundstücke dafür sichern und Geld in die Hand nehmen müssen. So bleibt dem Radler nur, sich über die stark befahrene B 471 zu tasten, um dann wieder Fahrt aufzunehmen und flott auf einem Kiesweg die neue Radlbrücke über die A 99 anzusteuern, die einen bis nach Neukeferloh bringt.

SZ-Serie "Reife(n)prüfung": Die Leibstraße ist ein Problem für Radler, sie müssen dort auf der Straße fahren.

Die Leibstraße ist ein Problem für Radler, sie müssen dort auf der Straße fahren.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Berger sagt, die Bedingungen für Radfahrer in Haar seien ganz in Ordnung. Es werde auch etwas dafür getan. Er erinnert sich an die Aktion "Haar steigt auf", die viele mobilisiert habe, nun allerdings schon einige Jahre zurückliegt. Auch ist es einige Zeit her, dass mit Hilfe der Gemeinde mit feinem Split gut befahrbare Feldwege zum Bugasee geschaffen wurden. Die Wege seien schlechter geworden, sagt Berger, weil gröbere Kiessorten aufgebracht würden. Es sind manchmal solche Kleinigkeiten, die Radfahrern das Leben schwer machen. Aus Bergers Sicht ist das aber genau die Chance: Mit kleinen Verbesserungen wird auch viel erreicht. Es muss nicht immer eine neue Brücke sein.

Die Leibstraße ist eine Problemzone

Ein Problem in Haar ist die Leibstraße. Wobei sich bei der Tour durch Haar erst einmal zeigt, wie belebt die Geschäftsstraße ist. Radfahrer freilich müssen auf der Straße fahren oder auf dem Gehweg. Und da bekommen etwa Kinder oder Rollstuhlfahrer auf Höhe der Gemeindebücherei Probleme, weil ein Bordstein von einer Gehwegebene zur anderen das Fortkommen erschwert. "So Kleinigkeiten könnte man doch schnell beheben, denkt man sich", sagt Berger. Den fehlenden Radweg vermisst er gar nicht so sehr und kann dem Gedanken etwas abgewinnen, die Leibstraße südlich der Bahn in einen "Shared Space" umzuwandeln - also als Straßenraum, auf dem alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt unterwegs sind.

Wie ein Symbol des Scheiterns wirkt jedenfalls ein 40 Meter langer Radwegstutzen zwischen St.-Konrad-Straße und Wasserburger Straße. Für mehr hat es nicht gereicht, weil eine Einigung mit Grundstückseigentümern nicht gelang. Radwege gibt es in Haar an den großen Straßen, auch wenn sie wie etwa an der Wasserburger Straße manchmal recht schmal sind. Radwege existieren am Jagdfeldring und in Eglfing. Vom Rathaus heißt es, die Gemeinde habe ein gutes Radwegenetz. Überall, wo der Gemeinde der Grund gehöre, gebe es Radwege. Die Ortsteile seien gut vernetzt. Das deckt sich weitgehend mit Bergers Erfahrung, wobei es auch da auf Details ankommt.

SZ-Serie "Reife(n)prüfung": Bei solchen Stolperschwellen wie vor der Bücherei hofft Norbert Berger immer noch, dass sie schnell beseitigt werden.

Bei solchen Stolperschwellen wie vor der Bücherei hofft Norbert Berger immer noch, dass sie schnell beseitigt werden.

(Foto: Claus Schunk)

Berger lobt, dass an der Kreuzung der Wasserburger Straße zum Jagdfeldring die Übergänge von der Straße zum Radweg abgeflacht worden sind. Eine Problemstelle sieht er an der Ecke zum Büroturm, vor dem Kino, wo Radfahrer aus dem Jagdfeld raus in Richtung Wasserburger Straße fahren. Dort sind Gehwegplatten so verlegt, dass Radfahrer abbremsen müssen. Eine Geschichte, die zeigt, wie kompliziert und langwierig es sein kann, bis Verbesserungen umgesetzt werden, erzählt der Ampelmast direkt vor dem Büroturm. Dieser ist mit rot-weißer Warnfolie umwickelt. Das erinnert noch daran, dass der Mast einmal mitten im Radweg stand. Es hieß, das Problem würde in Zuge der Hochhausbaustelle beseitigt, erzählt Berger. Doch lange geschah nichts. Dann wurde einfach der Radweg neu markiert. Er verläuft jetzt knapp am Mast vorbei.

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