Serie: Oh, mein Gott!:Klingendes Himmelreich

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"Unsere größte Aufgabe ist es, Leute für Musik zu begeistern", sagt Johannes Eppelein, der Kirchenmusiker der evangelischen Gemeinde in Taufkirchen. (Foto: Claus Schunk)

Johannes Eppelein ist in der Taufkirchner Jerusalemkirche nicht nur Organist, der 27-Jährige leitet auch mehrere Ensembles in der Gemeinde. Musik ist für den in der Oberpfalz geborenen Pfarrerssohn der Schlüssel zum Glauben - und zum ewigen Leben.

Von Udo Watter, Taufkirchen

An manchen Tagen hat Johannes Eppelein das Gefühl, die Welt antworte nicht. Keine Resonanz. Er greift in die Tasten seiner Orgel, aber das ausgewählte Kirchenlied tritt nicht aus der Stille in den Raum, weil die Münder geschlossen bleiben oder sich nur halbherzig bewegen. Kein Widerhall. Auf ein Gebet folgt kein beherztes "Amen", die Menschen auf den Kirchenbänken wissen nicht genau, wann sie aufstehen oder sich hinsetzen sollen. "Es ist unglaublich spürbar, welche Leute im Gottesdienst sind. Manche sind unsicher, was zu tun ist", sagt der gebürtige Oberpfälzer, der seit Oktober 2009 Kirchenmusiker an der evangelisch-lutherischen Jerusalemkirche in Taufkirchen ist.

"Man wird dann auch mal unkreativ"

Bei Konfirmationen oder Taufen etwa ist nicht selten das Gros der Besucher sozusagen "bildungsfern", was die Rituale, Texte oder Gesänge in der Kirche anbelangt. Aber auch an manch höherem Feiertag ist das Echo der Kirchenbesucher suboptimal und untergräbt dadurch nicht zuletzt die Inspiration des Organisten. In solchen Momenten hat Eppelein Schwierigkeiten, eine versierte Improvisation durchzuziehen. "Man wird dann auch mal unkreativ."

Freilich gibt es auch die besonders schönen Momente, in denen die Gemeinde kongenial mitschwingt, in denen eine Atmosphäre kollektiver Feierlichkeit erblüht. So wie jüngst am Karfreitag, als mehr als 150 Leute in die kleine Kirche an der Eichenstraße gekommen waren, um der "Musikalischen Andacht zur Sterbestunde" beizuwohnen, die das Jerusalem-Vokalensemble gestaltete. Eppelein war sehr bewegt und verdrückte sogar ein paar Tränen. "Musik spricht mich auf einer Ebene an, wo mich das gesprochene Wort nicht erreicht. Und ich denke, da geht es vielen Menschen so."

Der 1988 in Regensburg geborene Eppelein zeichnet neben dem Orgeldienst an Sonn- und Feiertagen für die Leitung der Kantorei, des Bläserkreises und des Jerusalem-Vokalensembles in Taufkirchen verantwortlich und darüber hinaus für große kirchenmusikalische Projekte wie die Aufführung des Weihnachtsoratoriums 2014 oder demnächst von John Rutters "Gloria" (am 17. April in der katholischen Pfarrkirche St. Georg). Daher ist er von einem höheren Impuls getrieben: "Unsere größte Aufgabe ist es, Leute zu begeistern für Musik."

Ohne Idealismus geht es nicht

Eppelein ist zwar nur nebenamtlicher Kirchenmusiker mit offiziell 13,3 Stunden die Woche, aber das reicht bei weitem nicht, um all die Aktivitäten zu verwirklichen, die sich der junge Mann, der seit 2009 evangelische Kirchenmusik in München studiert, auf die Fahnen geschrieben hat. So hat er unter anderem den Bläserkreis "Hachinger Tal" gegründet, das Jerusalem-Kammerorchester und zuletzt 2014 das Jerusalem-Vokalensemble, wobei die Mitglieder nicht nur aus Taufkirchen, sondern dem gesamten Münchner Süden und der nahen Großstadt kommen.

Ohne Idealismus ginge das nicht: "Das ist schon überwiegend ehrenamtlich." Freilich ist es auch eine Aufgabe, die gleichsam eine höhere Belohnung nach sich zieht. Für Eppelein ist "die Hoffnung auf ein ewiges Leben nur in Zusammenhang mit Musik zu denken". Quasi eine Pforte zur Transzendenz: "Das Sanctus aus Bachs h-Moll-Messe, das ist für mich das Himmelreich."

Glaube und Musik als Säulen des Lebens

Glaube und Musik - diese beiden Säulen bestimmen sein Leben schon von früh an - er wuchs als Pfarrerssohn in Nittenau/Oberpfalz auf und früh in die kirchenmusikalische Gemeindearbeit hinein. Mit 15 Jahren übernahm er die Jungbläserausbildung und die stellvertretende Leitung des örtlichen Posaunenchores. Mit 18 Jahren gründete er in seiner Heimatgemeinde einen Kinderchor und einen "Chor für Junggebliebene". Nach Abitur 2008 und Zivildienst nahm er im Wintersemester 2009 das Studium der evangelischen Kirchenmusik an der Hochschule für Musik und Theater in München auf.

Der Vater, Pfarrer und begeisterter musikalischer Laie, ist ihm großes Vorbild, und was für ihn gilt, gilt auch für den Sohn: "Mein Beruf ist ganz gewiss auch Berufung." Insofern gibt es für Johannes Eppelein auch nicht eine strikte Trennung zwischen professioneller und privater Ebenen. "Kirchenmusiker ist weit mehr als ein Job. Im Privaten ist er eine große Bereicherung, meine Freundin und ich haben uns zum Beispiel darüber kennengelernt. Sie, meine Schwester und mittlerweile sogar deren Freund singen begeistert in meinen Chören."

In einer schwer katholischen Gegend wie der südlichen Oberpfalz aufzuwachsen, barg im übrigen Reize ganz eigener Natur: "Die anderen Kinder konnten es gar nicht glauben, dass ich der Sohn eines Pfarrers bin." Geschadet hat es jedenfalls seiner Toleranz nicht, sowohl im Studium, wo die meisten (der allerdings insgesamt wenigen) Kommilitonen Katholiken sind, spielten konfessionelle Schranken oder Auseinandersetzungen keine Rolle und auch in Taufkirchen nicht, wo die Ökumene hinreichend gepflegt wird. Auch in seinen Chören und Ensembles spielen Protestanten neben Katholiken und bei den großen Aufführungen in der Gemeinde ist es ohnehin ein großes Miteinander.

"Das Bedürfnis nach Religiosität hat nicht nachgelassen"

Dass beide Volkskirchen unter Mitgliederschwund, Austrittswellen und generell schwindender Attraktivität leiden, ist wohl ein unumkehrbares Phänomen der Moderne. Liberalisierung, Globalisierung, die Sehnsucht nach persönlicher Spiritualität, auch die moderne Eigenart, sich nicht festlegen zu wollen, seien Gründe hierfür. Aber: "Das Bedürfnis nach Religiosität hat nicht nachgelassen", ist Eppelein überzeugt. Die Frage nach der Existenz, die Frage: "Was passiert nach dem Tod?" beschäftige immer noch viele Menschen.

Um sie auf die - aus christlicher Sicht - richtigen Antworten hinzuführen, dürfe sich die Kirche aber nicht verbiegen: "Wir müssen authentisch bleiben. Wir bringen uns um unsere eigenen Botschaft, wenn wir uns anbiedern." Gottesdienste zu Halloween oder zum Valentinstag etwa findet er nicht so glücklich. Und erzwingen könne man ohnehin nichts: "Die Fähigkeit zu glauben, ist eine Gnade Gottes."

Er selber hat bisher keine großen Glaubenskrisen durchlebt, höchstens punktuelle Zweifel. "Aber der Zweifel bringt uns weiter. Er lässt uns reflektieren." Diese klugen Worte sind bezeichnend für den in München lebenden Kirchenmusiker, der nach Studienabschluss wohl Taufkirchen verlassen wird, um anderswo hauptamtlich zu arbeiten. So lange wird er freilich noch an der relativ kleinen Orgel in der relativ kleinen Jerusalemkirche spielen und große, kirchenmusikalische Projekte mit seinen verschiedenen Ensembles realisieren. Geistliche Popularmusik wird er dabei wohl nie ins Programm nehmen, dafür gute Chorwerke des 19. oder 20. Jahrhunderts wie eben John Rutters "Gloria" oder die Klassiker Schütz, Bach, Mendelssohn, Mozart und Brahms umso lieber. Denn eine gewisse Qualität will er mit Blick nach oben schon bieten: "Das sind wir ihm schuldig."

© SZ vom 06.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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