SZ-Serie "Oh, mein Gott!" - 15. und letzte Folge:"S'Lebn is a Freid"

Lesezeit: 3 min

Richard Slawik hatte alles verloren. Dann gab ihm die evangelische Kirche in Feldkirchen eine Arbeit als Hausmeister. Für ihn war es die Rettung. Heute ist er sich sicher: Es gibt einen Gott.

Von Christina Hertel, Feldkirchen

Richard Slawik hat viele Namen. "Uganda" nennen ihn die Leute, weil er früher so gut Fußball spielen konnte. "Ritschi der Baumeister", weil er alles reparieren kann, und "König vom Wertstoffhof", weil er auch Schrott aufhebt und am Ende etwas Brauchbares damit anstellt. Nur "Herr Slawik" sagt in Feldkirchen niemand zu ihm.

Er ist ein Kumpeltyp. Kariertes Hemd, Strickweste, weißer Bart, dunkles Lachen. "S'Lebn is a Freid" ist einer seiner Lieblingssprüche. Aber sein eigenes Leben war lange überhaupt nicht fröhlich.

"Was alles passiert ist, kann kein Zufall sein"

Vor zehn Jahren, da war er Mitte 40, begann sein Neustart als Hausmeister in der evangelischen Kirchengemeinde Feldkirchen. Seitdem glaubt er, dass es "irgendetwas geben muss". Er sagt irgendwas und meint einen Gott, eine höhere Macht. "Was alles passiert ist", sagt er, "kann kein Zufall sein."

"Wenn sich nichts ändert, lebst du vielleicht noch ein Jahr", sagte der Arzt zu Slawik. Sein Rücken war kaputt, seine Knie waren ramponiert, was sonst noch alles, will er nicht sagen. Nur so viel: Es ging ihm schlecht. Für fünf Mitarbeiter war er als Chef einer Gartenbaufirma mal verantwortlich. Dann sprang sein größter Kunde ab, Aufträge fehlten, die Firma ging pleite. Slawik wurde arbeitslos, ein paar Jahre lang.

"Ich war am Boden." Und das Aufstehen fiel ihm schwer. Doch er nahm die Warnung des Arztes ernst. Er wollte leben und vor allem wollte er sich wieder gebraucht fühlen. Also ging er zum Arbeitsamt, sagte, dass er jeden Job annehmen würde, egal ob bezahlt oder nicht. Vom Amt wurde er in den Dornacher Kindergarten geschickt, der zu der evangelischen Kirchengemeinde Feldkirchen gehört. Er sollte dort als Hausmeister arbeiten.

Der Job als Hausmeister im Kindergarten liegt dem Mann

"Wenn ich reinkomm', rufen die Kinder gleich alle Ritschi, Ritschi, der Baumeister", sagt Slawik und macht eine Kinderstimme nach. Er klingt ein bisschen stolz. Dass Kinder ihn mal so mögen könnten, hätte er nie gedacht. "Ich war immer für das Grobe da." Er ist gelernter Elektriker und Straßenbauer. Mit den Händen zu arbeiten, liegt ihm und er braucht so eine Arbeit auch. In einer Fabrik am Fließband arbeiten - "eine Horrorvorstellung". Dafür hat er jetzt entdeckt, wie es ist, Menschen zum Lachen zu bringen. Das ist ihm mittlerweile mindestens genauso wichtig.

Serie: Oh, mein Gott
:In direkter Beziehung

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Von Bernhard Lohr

Einmal ist er mit ein paar Kindergartenkindern, "die so ein bisschen schwierig waren", auf einen Reiterhof gefahren. "Schon auf der Fahrt haben wir nur Party gemacht. Wir haben Wickie gehört." Und Slawik stimmt das Lied an: "Hey, hey, Wickie, hey, Wickie, hey." Die Hände schwingt er im Takt. "Die Eltern meinten danach zu mir: Endlich lachen meine Kinder wieder." Und Slawik lacht auch.

Nach einer Weile im Kindergarten ging der Hausmeister der evangelischen Kirche in Feldkirchen in Ruhestand. Und der Pfarrer fragte ihn, ob er der Nachfolger werden möchte. Mittlerweile arbeitet Slawik dort auch als Mesner. Außerdem kümmert er sich um die Segenskirche in Aschheim. Sein Leben, sagt Slawik, gehe stetig bergauf. Er ist sich sicher, dass jemand dahinter steckt, der das alles für ihn geplant hat. Vor seiner Arbeit für die Kirche verschwendete er an Gott keinen Gedanken. Jetzt gibt er an Sonntagen das Abendmahl aus und sammelt den Klingelbeutel ein. Slawik gibt jedem, der den Gottesdienst besucht, die Hand. Ein paar älteren Damen legt er immer ein Kissen auf den Platz. Er macht das nicht, weil er es muss, sondern, weil er will.

Der evangelischen Kirche fühlt sich Slawik näher, "weil es da nicht so steif zugeht"

Eigentlich ist Slawik katholisch. Aber der 56-Jährige fühlt sich der evangelischen Kirche näher. "Weil es da nicht so steif zugeht. Und bei uns ist sowieso immer was los." Das liege an Pfarrer Torsten Bader. Der habe immer außergewöhnliche Ideen. An Ostern sollte Slawik zum Beispiel einen Felsen basteln - als Symbol für den Stein vor Jesu Grab. "Der Torsten ist nicht so, wie man sich einen Pfarrer vorstellt", sagt Slawik. Und man merkt, dass er ihn ein bisschen bewundert.

Putzen, die Obstbäume hinter der Kirche schneiden, Rasenmähen, all das und noch mehr, das sind Slawiks Aufgaben. Damit er nichts vergisst, schreibt er sich To-do-Listen. Auch heute hat er sich einen Zettel mitgebracht, auf dem alles steht, was er sagen will. Ein Punkt heißt: Hochzeit. "Das ist auch so eine Geschichte, warum ich glaub', dass da was sein muss." Seine Frau Brigitte kennt Slawik schon sein ganzes Leben. Beide kommen ursprünglich aus Feldkirchen. "Ich hab' zu meiner Mama immer gesagt, die heirate ich mal. Sie hat mich ausgelacht. Wir waren ja grade mal so groß." Slawik zeigt mit der Hand auf die Höhe seiner Hüfte.

Nach 40 Jahren trifft er Brigitte wieder, nach vier Monaten heiraten sie

Aus diesem Traum wurde erst mal nichts: Brigitte zog weg. 40 Jahre kein Kontakt. "Und dann fällt mir beim Aufräumen ein Foto von uns die Hände." Richard und Brigitte im Sandkasten. Slawik wollte sie wiedersehen und suchte sie auf Facebook. "Wir chatteten stundenlang. Sie hat überall auf der Welt gelebt. Asien, Australien. Aber gerade jetzt war sie wieder in Feldkirchen." Ein Treffen auf einem Gartenfest, vier Monate später die Hochzeit. "Für uns gab es keinen Grund noch länger zu warten." Die Geschichte mit seiner Frau hat Slawik in seinem Glauben bestärkt. Er ist sich sicher: Zufälle gibt es nicht.

© SZ vom 09.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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