SZ-Serie: Macht hoch die Tür:Holder Knabe im lockigen Haar

SZ-Serie: Macht hoch die Tür: Günter Staudter und Harald Nottmeyer treffen in der Unterhachinger Kirche St. Korbinian Vorbereitungen für die Christmette.

Günter Staudter und Harald Nottmeyer treffen in der Unterhachinger Kirche St. Korbinian Vorbereitungen für die Christmette.

(Foto: Claus Schunk)

Zur Christmette ziert eine geschnitzte Figur des Jesuskindes den Hochaltar in der Unterhachinger Pfarrkirche. Sie stammt aus dem frühen 18. Jahrhundert und wird übers Jahr im Heimatmuseum verwahrt

Von Michael Morosow, Unterhaching

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit; es kommt der Herr der Herrlichkeit. Wenn die Kirchgänger am Heiligen Abend kurz vor 23 Uhr sich gegen die schwere Holztüre der Kirche Sankt Korbinian in Unterhaching stemmen und nach wenigen Schritten ihre Finger in den steinernen Weihwasserkessel tauchen, um sich zu bekreuzigen, dann erwartet sie bereits der holde Knabe im lockigen Haar.

Festlich gewandet steht er am Hochaltar, beide Arme auf Brusthöhe angewinkelt, die Handrücken den Besuchern der Christmette zugewandt, so als würde er selbst jeden Moment die Weihnachtsbotschaft verkünden. Nur am Heiligen Abend nimmt das Jesuskind den Platz am Hochaltar ein, wird mitten in das 1699 gemalte Bild gerückt, das künstlerisch "Heiliger Wandel" genannt wird und die heilige Maria, den Jesusknaben und Josef zeigt.

Dieses Bild entfachte im 17. und 18. Jahrhundert Reiz genug, dass in den bäuerlich strukturierten Ort mit allenfalls 200 Einwohnern an manchen Tagen aus allen Himmelsrichtungen bis zu tausend Gläubige pilgerten. Grund: Die Gottesmutter trägt die Gesichtszüge der damaligen Kurfürstin Henriette Adelheid, als Jesus glaubt man den siebenjährigen Prinzen Max Emanuel, als Josef den Kurfürst Ferdinand Maria zu erkennen.

SZ-Serie: Macht hoch die Tür: Nackig bis auf die Windel ist die aus einem Stück Holz lebensecht gefertigte Jesusfigur

Nackig bis auf die Windel ist die aus einem Stück Holz lebensecht gefertigte Jesusfigur

(Foto: Claus Schunk)

Regelmäßig an Heiligabend also wird das hölzerne Jesuskind vor das gemalte Jesuskind gestellt. Mit einer vierjährigen Unterbrechung. Nach dem Tode von Pfarrer Konrad Schmid im Jahr 2002 landete die Figur, warum auch immer, im Pfarramtsspeicher, wo es seinen ebenfalls geschnitzten Eltern Gesellschaft leistete.

2006 erfolgt die Wiederauferstehung

Dass sie im Jahr 2006 eine Art Wiederauferstehung feiern konnten, ist dem Vorsitzenden des Unterhachinger Heimatmuseums Harald Nottmeyer zu verdanken, der die drei Figuren dort entdeckte und das richtige Gespür hatte. Allein Maria und Josef, die zeitweise in Verdacht standen, Teil des weithin bekannten Hachinger Kripperl gewesen zu sein, gefielen den von ihm verständigten Kunsthistorikern des Erzbischöflichen Ordinariats, aber das Jesuskind elektrisierte sie gar. Dieses ist quasi aus einem besonderen Holz geschnitzt.

Bereits beim ersten Hinsehen lässt sich feststellen, dass es mit Maria und Josef keine Verwandtschaft hat. Es ist aus einem Stück geschnitzt, während bei Maria und Josef nur Kopf, Arme und Beine aus Holz sind. Ihre Körper bestehen aus mit Werg umwickelten Drahtgestellen. Bis in die Siebzigerjahre wurden die drei Figuren, auf ein Gestell montiert und reichlich geschmückt, bei der Fronleichnamsprozession in Unterhaching getragen. Das Besondere aber an dem Jesuskind: Es wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts geschnitzt, Maria und Josef in der zweiten. Das Kind ist also älter als seine Eltern.

Nachdem Heimatpfleger Günter Staudter in einer Spendenaktion genügend Geld gesammelt hatte, nahm ein Restaurator sich der in die Jahre gekommenen Barockfigur an, legte die Originalfarben aus dem 18. Jahrhundert frei, ließ ihr eine handgeknüpfte Perücke anpassen und beseitigte zudem eine delikate Verstümmelung: Dem Jesuskind war, damit es bei Prozessionen an dem Gestell befestigt werden konnte, eine mächtige Furche in den Hintern geschlagen worden.

Als Nottmeyer und Staudter am Donnerstag das Christkind im Heimatmuseum fertig machten für den großen Auftritt, gerieten beide wieder einmal ins Schwärmen über die Güte der Schnitzkunst: "Wunderbar, wie der Künstler perspektivisch die Arme zur Geltung kommen lässt", jubilierte Nottmeyer. "Schau mal, wie perfekt die Knie gemacht sind und die Falte am Fuß, wie bei einem echten Säugling", frohlockte Staudter. Dann legten beide dem nackten Jesuskind das Brokatkleid an, setzten dem holden Knaben das lockige Haar auf den kahlen Kopf, winkelten seine Arme auf Brusthöhe an und drehten seine Handflächen nach außen.

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