Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Lichtblicke, Folge 2:Der Höhepunkt

Als Mesner in der Ottobrunner Michaelskirche ist Hubert Grasberger auch für die Kerzen am Adventskranz zuständig - für ihn eine ganz besondere Aufgabe.

Von Angela Boschert, Ottobrunn

Seit acht Jahren klettert Hubert Grasberger in der Adventszeit immer wieder die Leiter hinauf - immer dann, wenn er die Kerzen am Adventskranz der evangelischen Michaelskirche Ottobrunn ansteckt. Das geschieht mit einem Zündholz und die Augen des Mesners leuchten, sobald er auf die erste Stufe der Leiter tritt. Das erste Licht am Adventskranz ist nach wie vor etwas Besonderes für ihn. Damit beginne die "stade Zeit" und die Ankunft des Christkinds, sagt Grasberger. Er genießt die Wochen vor Weihnachten, obwohl sie für ihn viel Arbeit bringen.

Die ersten Jahre sei er im Advent immer angespannt gewesen, aber inzwischen macht er sich einen Plan und geht diesen gedanklich immer wieder Schritt für Schritt durch, um nichts zu vergessen. Die Leiter kommt etwa in die Sakristei, damit sie jeden Tag gut greifbar ist. Wie er zum Adventskranz hochsteigt, weiß der Mesner genau: "Ich mache das so, dass ich mit dem Kopf in der Mitte des Kranzes rauskomme und von da alle vier Kerzen gut erreiche", schildert er und ergänzt lachend: "Wenn ich höher klettere, stecke ich wie in einem Hula-Hoop-Reifen."

Die erste Kerze beleuchtet nur die unmittelbare Umgebung des Adventskranzes mit ihrem warmen Licht, aber sie schafft in dem großen Kirchenraum eine heimelige Atmosphäre. Für Dekan Mathis Steinbauer weist der Lichtschein voraus auf die Geburt Jesu, dem Gott das Licht mitgegeben habe als Zusage, dass er die Menschen nie allein lassen werde. Dieses besondere Licht solle versöhnen, Friedfertigkeit bringen in eine dunkle Welt, wenn Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung herrscht.

So sei es auch in dem bekannten Kirchenlied "Wir sagen euch an den lieben Advent" gemeint, das Steinbauer und seine Michaelskirchengemeinde Ottobrunn inspiriert. Denn die Reste der Adventskerzen kommen in das Friedenslicht, das bis nach Silvester hinten im großen Kirchenraum steht. Viele Menschen kämen mit ihren Kerzen und holten sich das Licht nach Hause, erzählt Mesner Grasberger.

Bis alles soweit ist, hat Grasberger zu tun. Der Adventskranz musste aufgehängt werden. Die Kirche hat dafür eigentlich eigens einen mächtigen Eisenrohling, den sogenannten Römer, mit angeschweißten Kerzenhaltern. Der bringt mit Grün und Kerzen bei knapp zwei Metern Durchmesser gut 75 Kilogramm auf die Waage. Doch dieses Jahr ist es anders: Die Gemeinde bekam einen Kranz gespendet. Die fehlenden Kerzenhalter montierte der Mesner nach einem Besuch im Baumarkt noch dran. Die Frauen, die sonst den großen Kranz binden, haben stattdessen 35 kleinere Kränze gestaltet, die zugunsten der Gemeinde verkauft wurden.

Jetzt leuchtet der Adventskranz zwischen Altar und Kanzel. Bis vor einigen Jahren war sein Platz auf der anderen Seite des Altars, sodass in manchem Jahr gar nicht das vierte Adventslicht entzündet werden konnte, weil er dem Christbaum weichen musste. Das fand Grasberger schade. Einmal geriet der Kranz an seiner alten Position sogar in Gefahr: Bei der Probe für ein großes Konzert wollte ihn ein Musiker zwei Meter zur Seite schieben, hat ihn dabei allerdings ungewollt oben aus der Verankerung gehoben. "Dann brauchten sie drei Mann, um ihn wieder einzuhängen", erinnert sich Grasberger und lacht. Die Kerzen blieben zum Glück unversehrt.

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Quelle:
SZ vom 02.12.2020
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