SZ-Serie "Landmarken" im Landkreis München:Wagnerhaus ohne Richard

Ein 300 Jahre altes Gebäude in Oberhaching heißt nur zufällig wie der Komponist. Sein Name bezieht sich vielmehr auf ehemalige Bewohner. Zu sehen ist hier der Alltag auf einem Bauernhof, wie er früher mal war.

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Es soll vor ein paar Jahren mal zwei Musikfreunde aus München nach Oberhaching verschlagen haben, weil sie sich hier auf den Spuren von Richard Wagner wähnten. Am "Tag des offenen Denkmals" konnte man in Deisenhofen direkt neben dem Gasthof Weißbräu auch das "Wagnerhaus" besichtigen, so weit, so richtig. Rein zeitlich gesehen, wäre es auch nicht allzu abwegig zu vermuten, der 300 Jahre alte, aufwendig sanierte Hof hätte tatsächlich einst dem Komponisten als Unterkunft gedient.

Doch da irrten die beiden Besucher aus der Stadt gewaltig. Gefallen haben soll es ihnen aber trotzdem, das älteste Gebäude der Gemeinde, das einen authentischen Einblick in kleinbäuerliche Lebenswelten längst vergangener Tage im Hachinger Tal gibt.

Lange hieß das Haus nach seiner letzten Bewohnerin "Demmelhaus"

Nun könnte man auch annehmen, dass hier am Hubertusplatz 3 einst ein Wagner seinem Beruf nachging. Davon ist laut Christian Stölzing von den Heimatfreunden Wagnerhaus aber nichts bekannt. Der Förderverein, der das historische Haus mit viel Liebe, Akribie und Fleiß professionell saniert hat und seither betreut, hat sich gleichwohl für diesen Namen des Anwesens entschieden, weil es in seiner Anfangszeit offenbar in Anlehnung an einen damaligen Bewohner "Zum Wagnerhanns" geheißen hatte.

Als die Gemeinde Oberhaching 1997 sechs Jahre nach dem Tod der letzten Bewohnerin, Anna Demmel-Hofmann, das alte Haus kaufte, war es in der Gemeinde noch als "Demmelhaus" bekannt. Ein Jahr später übernahm der Förderverein die Betreuung und denkmalgerechte Pflege dieses letzten vollständig erhaltenen Hofes in der Gemeinde.

Und das bedeutete für die zirka 30 ehrenamtlich tätigen Vereinsmitglieder für mehrere Jahre richtig viel Arbeit. Der 1721 von Georg Gänssler errichtete Einfirsthof, bei dem Wohnhaus und Stall mit Scheune unter einem Dach liegen, musste von Grund auf hergerichtet werden. Das verschlang nicht nur viel Geld, etwa 558 000 Euro, sondern erforderte auch großes Know-How der Denkmalschützer und Architekten.

Mittel aus verschiedenen Fördertöpfen sowie 121 500 Euro von der Gemeinde machten es möglich, dass heute ein historisches Kleinod inmitten des Ortes erhalten wurde, bei dem man nicht nur mit dem Schritt über die Türschwelle in die Welt vor rund hundert Jahren eintauchen kann, sondern in der umgebauten Tenne und im Bauergarten auch Feste von heute feiern darf.

Wohl erst Ende den 19. Jahrhunderts gab es einige Umbauten

Man muss sich ein wenig bücken, will man die Stube im Erdgeschoss betreten. Der alte Balken des Türstocks ist niedrig, "nicht weil die Leute damals so klein waren", wie Stöltzing betont. Vielmehr sei es darum gegangen, die Wärme im Haus zu halten. Auch die Fenster, die noch immer recht klein sind, seien ursprünglich mal noch winziger gewesen. Erst Ende des 19. Jahrhunderts habe es einige Umbauten gegeben. Möbliert ist die Stube nicht mit Originalmöbeln aus dem Demmelhaus. Doch haben die Heimatfreunde Dinge ausgewählt, die typisch für einen Hof der damaligen Zeit waren. Einen schlichten quadratischen, hundert Jahre alten Holztisch etwa, "quadratisch deshalb, damit der Weg zum Topf in der Mitte von allen Seiten gleich weit ist", erklärt Stöltzing.

Oder das Sofa aus der Biedermeierzeit, es handelt sich dabei um eine Dauerleihgabe vom Museum Glentleiten. Auch der Kachelofen in der Ecke schaut aus, als stehe er schon ewig hier. Was allerdings nicht der Fall ist, denn der Förderverein hat ihn eigens an der Fachschule für Keramik in Landshut anfertigen lassen. Alte Kacheln, die die Heimatfreunde damals auf dem Dachboden gefunden hatten, dienten als Vorlage für das Schmuckstück. "Der Ofen hätte also genauso aussehen können", sagt Stöltzing.

Nebenan die Schlafstube mit dem Nachttopf unter dem kurzen Bett und dem Madonnenbild an der Wand. Auf der anderen Seite des Flurs die alte Küche mit allerlei Gerätschaften und einer Speisekammer mit Eingemachtem, Birnen und Zwetschgen, die auch schon einige Jahrzehnte in den großen Gläsern verstaut sind. Die kleine Treppe hinauf in den ersten Stock führt zu einer weiteren Stube, die Heimatfreunde haben sie als Kinderzimmer gestaltet. Der Verein hat sich an eine spärliche Möblierung des Wagnerhauses gehalten, "wir wollten nicht vier oder fünf Kaffeemühlen ausstellen, sondern einen Hof so zeigen wie er war", erläutert Stöltzing das Konzept des Vereins.

Oberhachinger können die alte Tenne auch für Feiern mieten

Zudem erfährt man im ersten Stock auf Schautafeln mehr über die Geschichte des Hauses und der Gemeinde. Über die 14 Höfe, die Deisenhofen einst hatte, über den Dorfalltag und die damals genutzten Gerätschaften, und über die Bauweise und die Sanierungsarbeiten des Wagnerhauses. Auch der Ständerbau der alten Tenne wurde schonend restauriert.

Die Zimmerleute hatten die dunklen alten und die hellen neuen Balken des Dachstuhls geschickt miteinander verbunden. So ist ein Raum für Veranstaltungen entstanden. Eine moderne Küche und Toiletten wurden in den ehemaligen Stall eingebaut. Wer möchte kann die alte Tenne auch für seine privaten Feierlichkeiten mieten. Allerdings gilt dieses Angebot nur für Oberhachinger.

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