Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Bier von hier, Folge 2:Erfolgreiches Himmelfahrtskommando

Als Michael Sechehaye vor drei Jahren den einst kultigen Fliegerbräu in Feldkirchen übernahm, waren Gasthaus und Brauerei herunter gewirtschaftet. Mittlerweile ist das "Flugwerk" wieder bei den Gästen beliebt - auch für das selbst gebraute Weißbier.

Von Anna-Maria Salmen

Schon von außen strahlt das alte Wirtshaus im Herzen von Feldkirchen einen ganz besonderen Charme aus. An den unverputzten, roten Ziegelwänden mit den hohen Fenstern rankt sich Efeu hinauf. Hinter dem Gebäude, im Schatten von großen, grünen Sonnenschirmen, lassen sich im Biergarten einige Gäste ihr Mittagsmenü schmecken.

Betritt man das "Flugwerk", muss man nicht lange suchen, um den ganzen Stolz von Wirt Michael Sechehaye zu entdecken: Nur einmal durch die Gaststube hindurch, dann geben am Ende des Raums hohe Glasfenster den Blick frei auf die hauseigene Brauerei.

Auf zwei Ebenen stehen da zwei bauchige, kupferfarbene Sudkessel, dünne und dicke Röhren ragen heraus und führen an der Decke entlang. Sechehaye blickt zufrieden in die kleine Braustube. Ein lockerer Typ in blauem Jeanshemd und mit leicht zerzausten Haaren. Der 42-Jährige ist gelernter Spediteur, doch bereits während der Ausbildung war er nebenbei in der Gastronomie tätig.

Mit einem kleinen Café in der Messestadt Riem machte er sich schließlich selbständig. Zehn Jahre lang führte der Wirt den Laden erfolgreich, bis er eines Tages zufällig am leer stehenden ehemaligen Fliegerbräu in Feldkirchen vorbeifuhr. Mit einem "Schuss Naivität und Wahnsinn", erinnert Sechehaye sich lachend, habe er beschlossen, das alte Wirtshaus zu übernehmen. Keine leichte Aufgabe oder besser: ein Himmelfahrtskommando. Denn das Fliegerbräu genoss zwar einst bei vielen Gästen Kultstatus, doch in der jüngeren Vergangenheit hatte er durch mehrere Pächterwechsel mit abnehmender Qualität und unzufriedenen Kunden zu kämpfen. Auch aus diesem Grund beschloss Sechehaye, den Neustart mit einem geänderten Namen und Logo anzugehen.

"Fliegen" bleibt das Motto

Das alte Motto "Fliegen" blieb dennoch erhalten. Eine große Herausforderung war es zudem, das heruntergekommene Gebäude wieder aufzupolieren. Die komplette Einrichtung musste ersetzt werden, auch die Brauerei war "ziemlich hinüber", wie Sechehaye es ausdrückt. Dank der Unterstützung seiner Familie und Freunde sowie seines Teams gelang die Renovierung jedoch. Im April 2016 öffnete das Flugwerk wieder seine Türen.

Von Beginn an legte der Wirt großen Wert darauf, seinen Gästen gutes Bier ausschenken zu können. Nach anfänglichen Experimenten mit Hobbybrauern war für Sechehaye schnell klar: Das Flugwerk braucht einen Profi. Seit knapp drei Jahren ist daher Braumeister Tobias Böckl aus Landshut für den Gerstensaft zuständig. Zuvor war der Niederbayer in einer großen Brauerei tätig, in der die Herstellung weitgehend computergesteuert lief.

Die Fachkenntnisse, die Böckl sich in seiner langjährigen Ausbildung angeeignet hatte, waren dort fast schon verschwendet. Anders im Flugwerk: Hier gibt es keine Automatismen, der Braumeister macht alles selbst. Einblicke in seine Arbeit gibt Böckl Interessierten bei seinen Brauereiführungen, selbstverständlich inklusive Verkostung. Bereits im alten Fliegerbräu war besonders das Weißbier gefragt gewesen. Dem bleibt auch Sechehaye treu: "Wir experimentieren nicht wie alle anderen mit mehreren Sorten." Ihm sei es wichtiger, ein einziges gutes Weißbier anzubieten, das immer die gleiche Qualität und mattgoldene Farbe mit bernsteinfarbenen Reflexen habe. Hier und da ergebe sich dennoch einmal eine spezielle Sorte, beispielsweise das Starkbier "Tobilator" oder ein untergäriges Sommer-Festbier.

Die Weiße als "Hauptzugpferd"

Die hausgebraute "Flugwerk-Weiße" ist nach Aussage Sechehayes das "Hauptzugpferd" des Wirtshauses. Denn das Bier wird nicht nur den Gästen ausgeschenkt, sondern auch in die Speisen eingearbeitet. Es kommt beispielsweise in den Spätzleteig, in ein "Bieramisu" und natürlich in die Soße für den Schweinebraten. "Wir machen hier alles selbst", betont Sechehaye. Von Fertiggerichten oder Tütensoßen hält der 42-Jährige nichts. Diese Philosophie ist seiner Ansicht nach die Erfolgsformel des Flugwerks. "Man kann nur das verkaufen, wo man wirklich dahinter steht", davon ist der Gastronom überzeugt.

Das Konzept kommt an, wie sich in den drei Jahren seit der Neueröffnung gezeigt hat. "Wir haben es geschafft, dass die Hiesigen wieder regelmäßig zu uns kommen", sagt Sechehaye. Gut möglich, dass bald auch von außerhalb verstärkt Gäste den Weg ins Flugwerk finden. Mit seinem Team ist der Wirt kürzlich in einer Fernsehsendung aufgetreten, in der Gastronomen ihre Lokale gegenseitig bewerten - das Flugwerk hat den Wettbewerb gewonnen.

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Quelle:
SZ vom 17.09.2019/belo
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