SZ-Adventskalender:Ein warmes Essen am Tag

Die Malteser bieten Mahlzeiten-Patenschaften für Menschen an, denen abzüglich der Miete weniger als 550 Euro zum Leben bleiben. Kurierfahrer bringen den Bedürftigen die Speisen nach Hause

Von Gudrun Passarge, Haar

SZ-Adventskalender: Fahrer Josef Götz von den Maltesern beliefert Menschen im Landkreis und in München mit Tiefkühlkost. Dabei bekommt er auch Einblicke in traurige Schicksale.

Fahrer Josef Götz von den Maltesern beliefert Menschen im Landkreis und in München mit Tiefkühlkost. Dabei bekommt er auch Einblicke in traurige Schicksale.

(Foto: Claus Schunk)

Ob die Frau, deren Möbel von besseren Tagen erzählen, die jedoch in der winzigen Wohnung kaum Raum lassen für ihre mühsamen Tippelschritte; oder der Mann, der mit gut 80 Jahren noch immer mehrere Stunden im Monat am Bügelbrett steht, um sich ein paar Euro hinzuzuverdienen - sie alle sind froh, dass es so etwas wie die Mahlzeiten-Patenschaften der Malteser gibt. Sie bieten vielen betagten Menschen die Gelegenheit auf wenigstens eine warme Mahlzeit am Tag.

Alfred Mattes begleitet das Projekt der Malteser von Anfang an. Er fährt das Essen aus und beliefert die Kunden. Er kennt die Not vieler Klienten. Es berührt ihn, wenn er sieht, "dass am Ende des Monats der Kühlschrank leer ist und sie noch nicht mal mehr Brot haben". Oder in der Wohnung nur noch eine Matratze am Boden liegt, weil alle anderen Möbel bereits verkauft wurden. Überwiegend seien es Frauen, die er beliefere, deren Rente nicht zum Überleben reiche, und das, obwohl sie oft ein Leben lang gearbeitet haben. "Bei vielen kommt noch eine Krankheit hinzu", erzählt er. Bei seinen Fahrten lernt er die Leute mit der Zeit besser kennen. "Und viele sind froh über eine kurze Ansprache. Wenn sie den ganzen Tag allein sind und dann jemand kommt, wollen sie gerne etwas erzählen, auch wenn es immer das gleiche ist." Aber das macht ihm nichts aus, denn er sieht die Not dieser Menschen, die oft ganz alleine sind.

Frau C. ist eine von ihnen. Die ehemalige Köchin lebt im Landkreis. Kleine Wohnung, kleine Rente, ein wenig Grundsicherung. Sie bekommt heute von Fahrer Josef Götz neue Bestellzettel vorbeigebracht. Vier Mahlzeiten pro Woche reichten ihr aus, erzählt die zierliche Frau. Sie erzählt noch von ihrer Nierenerkrankung, von einem Chef, der sie übers Ohr gehauen hat mit dem Gehalt und davon, dass es im Alter nicht mehr so einfach ist. "Da geht nichts mehr. Außer müde sein."

Götz hat an diesem Tag noch mehrere Kunden zu beliefern. In Haar, in München. In Kirchheim, Ismaning und Feldkirchen war er zwei Tage zuvor. Der Rentner macht den Job bei den Maltesern auf 450-Euro-Basis, seine Arbeit betrachtet er als sinnvoll. "Wir überlegen, ob wir nicht selbst auch so eine Patenschaft übernehmen", erzählt er über seine Familie. Er hat den Kofferraum voll mit Plastikboxen, die er verteilt. Manchmal nehmen Nachbarn das Essen entgegen, bei einem steht eine Schachtel vor der Tür, wo Götz das Essen nur reinlegen muss. Andere begrüßen ihn persönlich. Eine Frau drückt ihm bei seinem wöchentlichen Besuch einen Euro in die Hand, "das ist für Sie", sagt sie, stolz, dass sie ihm etwas geben kann. Ein Mann beschenkt ihn stets mit einer kleinen Pralinenschachtel. "Ich will das gar nicht annehmen", sagt Götz, er zuckt mit den Schultern. Den Menschen sei es eben wichtig, etwas zurückzugeben.

Dabei haben manche wirklich nur ein paar Groschen übrig. Wie Simon P. (Name geändert). Er erzählt, dass die Höhe seiner Rente halbiert wurde bei der Scheidung. 1500 Mark für seine Frau, 1500 Mark für ihn. "Und dann kam der Drecks-Euro", schimpft der 79-Jährige. Heute hat er rund 900 Euro Rente und 80 Euro Grundsicherung. Aber nach Abzug der Miete, Stromkosten, Versicherungen und Medikamentenzahlungen blieben ihm ganze 100 Euro zum Leben, erzählt er. Wie das reicht zum Überleben? "Da schränkt man sich eben ein, isst eine Semmel oder eine Breze mit Butter", antwortet er lapidar. Zur Mahlzeiten-Patenschaft kam er über die Gemeinde Kirchheim. So kann er jetzt auch mal wieder eine Suppe oder ein Hühner-Curry essen, wenn er es verträgt, denn Simon P. hat Magenkrebs. Noch vor Weihnachten muss er zur Chemotherapie ins Krankenhaus.

Für Menschen wie ihn haben die Malteser 2009 ihre Patenschaften eingerichtet. Sie hatten bemerkt, dass sich viele ältere Leute erheblich einschränken mussten. Gedacht sind die Mahlzeiten-Patenschaften für Menschen, die älter als 75 sind oder sich aus bestimmten Gründen schon in jüngeren Jahren nicht selbst versorgen können. Auch die Einkommenssituation wird überprüft. Wem abzüglich der Miete weniger als 550 Euro im Geldbeutel bleiben, der kann eine solche Patenschaft beantragen. "Wir liegen bewusst über dem Grundsicherungssatz, um auch die abzufangen, die knapp darüber liegen", berichtet Thomas Rapp, Leiter der sozialen Dienste der Malteser in Gräfelfing. Er schätzt den Bedarf an solchen Patenschaften in der Region München als riesig ein, sieht jedoch in der Praxis ein deutliches Stadt-Land-Gefälle, in München gibt es viel mehr Kunden. In der Stadt lebten die Menschen anonymer, im Landkreis gebe es dagegen noch ein soziales Umfeld, "die Menschen kümmern sich umeinander", sagt Rapp. Deswegen sei wohl auch die Hürde im Landkreis größer, die Hilfe der Malteser anzunehmen. "Viele möchten nicht gegenüber den Nachbarn zeigen, dass sie bedürftig sind." Vielleicht sei das Projekt im Landkreis auch einfach noch nicht so bekannt. Aber die Malteser arbeiten inzwischen mit dem Landkreis und einigen Gemeinden zusammen.

Das Geld für die Patenschaften wird über Spenden aufgebracht, wobei sich auch manche Kommune mit Bürgerstiftungen beteiligt. Bisher wurde noch nie ein Kunde zurückgewiesen, wenn er die Bedingungen erfüllt. Wenn nicht genügend Geld im Spendentopf ist, "dann gehen wir in Vorleistung" sagt Julia Krill, die Pressesprecherin der Gräfelfinger Malteser. Sie betont, wie wichtig es sei, das Schicksal dieser Menschen zu verbessern. Kornelia Imrich, die alle Anträge überprüft, erinnert sich da sofort an die alte Frau, die den Winter im Bett verbrachte, um Heizkosten zu sparen. "Völlig unsinnig", sagt Imrich, weil doch das Sozialamt diese Kosten übernommen hätte. Immerhin nahm sie die Patenschaft an und bekam so wenigstens täglich ein warmes Essen - frei Haus.

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