Symbolischer Beschluss:Unterschleißheim heißt Flüchtlinge willkommen

Niedersachsen, Hannover, 30.09.2020, Die ersten von bis zu 150 minderjährigen Migranten aus dem abgebrannten griechische

Die ersten minderjährigen Geflüchteten aus dem abgebrannten griechischen Lager Moria sind vergangene Woche in Deutschland gelandet.

(Foto: Localpic/imago)

Auch wenn es nicht in seiner Zuständigkeit liegt, erklärt sich der Stadtrat mit großer Mehrheit bereit, Menschen aus dem niedergebrannten Lager Moria auf Lesbos aufzunehmen.

Von Irmengard Gnau, Unterschleißheim

Die große Mehrheit des Unterschleißheimer Stadtrates will ein Zeichen für Humanität setzen und hat sich hinter einen Antrag von SPD, Grünen und ÖDP gestellt, um Geflüchtete aus dem niedergebrannten griechischen Flüchtlingslager Moria in der Stadt aufzunehmen. Obgleich die Entscheidungshoheit bei diesem Thema nicht bei den Kommunen liegt, will die Stadt aktiv dem Landkreis ihre Unterstützung bei der Aufnahme und Unterbringung Geflüchteter signalisieren und diesem mit der Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten in Unterschleißheim beiseite stehen. Zudem begrüßt die Kommune ausdrücklich die Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland, Geflüchtete aus Moria aufzunehmen. Der Antrag wurde mit 27 Stimmen angenommen, dagegen votierten die beiden AfD-Stadträte und Sybille Bichlmeier von der SPD.

In der Nacht auf 9. September war das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos nahezu vollständig niedergebrannt. Die mehr als 12 000 über das Mittelmeer geflüchteten Frauen, Männer und Kinder, die in dem ursprünglich für etwa 2800 Menschen konzipierten Lager untergekommen waren, wurden obdachlos.

Die dokumentierten Umstände, unter welchen die geflüchteten Menschen seither leben mussten und zum Teil müssen - Konflikte mit Anwohnern und Polizei, mangelnder Zugang zu Infrastruktur wie Trinkwasser, Medikamenten oder hygienischen Sanitäranlagen - haben viele Beobachter in Europa betroffen gemacht. Die derzeit grassierende Corona-Pandemie verschärft die Lage noch einmal zusätzlich, sodass immer mehr Politiker wie auch Bürger fordern, die Menschen von den Lagern auf den griechischen Inseln auf das europäische Festland zu bringen.

Inzwischen hat sich Deutschland bereit erklärt, 150 Minderjährige sowie 1553 weitere Geflüchtete aus anerkannt schutzbedürftigen Familien aus Moria aufzunehmen. Doch nachdem sich die Staatslenker der Europäische Union lange nicht auf eine gemeinsame Linie einigen konnten, haben sich vielerorts Kommunen und Landkreise zu Wort gemeldet. Angesichts der aus ihrer Sicht unbefriedigenden Situation, wollen sie selbst etwas tun.

So auch die Unterschleißheimer Antragsteller von SPD, Grünen und ÖDP. Sie sehen in der Situation auf Lesbos eine humanitäre Katastrophe und sehen die Stadt ebenso wie die Bundesrepublik "aus ethischer und christlicher Verantwortung" in der Pflicht, Hilfe zu leisten. "Hilfe kann nicht warten, bis in Europa Einstimmigkeit hergestellt ist", wird der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) im Antrag zitiert.

Als Kommune ein Zeichen setzen

Mehrere Stadträte unterstrichen, dass es ihnen wichtig sei, als Kommune ein Zeichen zu setzen. AfD-Vertreter Peter Kremer blieb mit seiner Forderung, die Kommunen sollten sich beim Thema Flucht und Asyl auf eine passive, ausführende Rolle beschränken, deutlich in der Minderheit. Den Änderungsantrag seiner Partei lehnten alle übrigen Fraktionen im Stadtrat ab, auch Bichlmeier stimmte dagegen. "Es war uns wichtig, ein Signal der Mitmenschlichkeit zu senden, auch politisch", sagt SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Breitenstein.

Die Zuständigkeit bei der Verteilung von Asylbewerbern liege zwar klar beim Landratsamt, aber die Unterbringung finde in den Kommunen statt. Man habe daher klar zeigen wollen, dass sich Unterschleißheim zur Verfügung stelle, um Menschen aufzunehmen, wenn die Bundesregierung dies beschließe. Breitenstein betont dabei die Zusammenarbeit mit dem Landkreis und dem Landratsamt - diese habe in der Vergangenheit gut funktioniert und solle so fortgesetzt werden.

Der Kreistag hat jüngst einen ähnlichen Antrag der Grünen verabschiedet. Zwar hatte Landrat Christoph Göbel (CSU) betont, dass die Entscheidungsgewalt, Geflüchtete aufzunehmen, nicht direkt beim Landkreis liege; die Kreispolitiker einigten sich jedoch darauf, die Aufnahmebereitschaft der Bundesrepublik offiziell zu begrüßen. Göbel geht davon aus, dass die schutzbedürftigen Familien aus Moria, die voraussichtlich in den kommenden Wochen in Deutschland aufgenommen werden, nach dem üblichen Verteilmechanismus, dem sogenannten Königsteiner Schlüssel, auf die einzelnen Regionen verteilt werden und somit auch der Landkreis einige von ihnen aufnehmen wird.

In einer früheren Version stand, dass Sybille Bichlmeier den Änderungsantrag der AfD nicht abgelehnt hat.

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