Süddeutsche Zeitung

Strom aus Biomüll:Was lange gärt...

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In der Bioabfall-Verwertungsanlage des Landkreises in Kirchstockach wird dank verbesserter Technik heute fünfmal soviel Strom erzeugt wie vor 20 Jahren. Weiter steigern ließe sich der Ertrag nur, wenn die Bürger ihren Müll sauberer trennen würden.

Von Iris Hilberth, Brunnthal

Salat, Obstschalen, Kaffeefilter, Küchenpapier oder Pflanzenreste - alles wunderbare Stoffe, um Licht ins Dunkel zu bringen. Es steckt eine Menge Energie im Biomüll. Ein Kilo Abfall reicht aus, um 0,07 Kubikmeter Methan zu gewinnen und damit Strom zu produzieren, der locker reicht, um eine Energiesparlampe 50 Stunden lang zum Leuchten zu bringen oder mit dem Auto ein bis zwei Kilometer weit zu kommen. In Kirchstockach errichtete der Landkreis vor 20 Jahren eine Bioabfall-Vergärungsanlage. Seither konnte die jährliche Stromerzeugung dort verfünffacht werden.

Nach einigen Anlaufschwierigkeiten und technischen Mängeln in den beiden ersten Jahren verbuchte die Betreiberfirma Ganser 1999 immerhin 1,12 Millionen Kilowattstunden, 2016 notierte man insgesamt 5,1 Millionen. 32 528 Tonnen Bioabfall wurden im vergangenen Jahr angeliefert, 30,5 davon wurden zu 2,5 Millionen Kubikmeter Biogas für die Strom- und Wärmegewinnung im Blockheizkraftwerk verarbeitet. 35 Prozent des Biogases werden in Strom umgewandelt, 55 Prozent können als Wärme genutzt werden. Der Hydrolyserest kann als Dünger und Torfersatz verwendet werden.

Laut Landratsamt konnten so im vergangenen Jahr 4,1 Millionen Kilogramm CO₂ vermieden werden. Die Sammelmoral der Bürger sei nach wie vor sehr gut, heißt es aus der Behörde. 26 000 Tonnen Biomüll stammen jedes Jahr aus dem Landkreis, was 77 Kilogramm pro Einwohner entspricht. Die Landeshauptstadt München liefert zudem weitere 6000 Tonnen in Kirchstockach an.

Die Steigerung der Strommenge hat nicht allein mit der Zunahme der Abfallmengen zu tun. In den vergangenen Jahren wurde auch in die Technik investiert. Ursprünglich war die Anlage nur für einen Durchsatz von 20 000 Tonnen Bioabfall geplant worden. Eine Erweiterung auf 30 500 Tonnen durch den Bau eines neuen großen Hydrolysereaktors im Jahr 2010 führte zu einer kürzeren Verweildauer der Masse in den Reaktoren und damit zu einer Erhöhung der Biogasproduktion. Hinzu kam noch die Generalsanierung des Methanreaktors, sodass der Biogasertrag im vergangenen Jahr im Vergleich zum Jahr 2009 um 34 Prozent von 60 Kubikmeter auf 81 Kubikmeter pro Tonne Bioabfall gesteigert wurde.

SZ-Grafik: Andrea Burgmann; Quelle: Ganser Entsorgung

SZ-Grafik: Andrea Burgmann; Quelle: Ganser Entsorgung

Das Gymnasium Ottobrunn wird mit Wärme beliefert

Nun findet die Hygienisierung des Hydrolyserestes - schließlich muss der frei von Unkrautsamen und Krankheitserregern sein - seit diesem Jahr in der nachfolgenden Kompostierung stattfindet, so kann auch der Bedarf an Eigenwärme in der Anlage reduziert werden. Dadurch steht laut Geschäftsführer Ulrich Niefnecker eine höhere Wärmemenge für die Abgabe an Dritte zur Verfügung. Mittlerweile sei mit dem Zweckverband weiterführende Schulen im Südosten des Landkreises für das Gymnasium Ottobrunn ein Vertrag über Wärmeenergielieferung abgeschlossen worden. Für vier weitere Schulen seien Verträge in der Abstimmung.

Um auch kurzfristig eine Wärmenutzung am Standort umsetzen zu können, wurde 2014 als Pilotversuch mit der Trocknung von Holzscheiten und Holzschnitzel begonnen. Das Projekt soll nun dauerhaft fortgeführt werden. "27 Prozent der Abwärme wird zur Holztrocknung verwendet, Ziel sind hundert Prozent", sagt Niefnecker. Für die Holzwirtschaft habe sich hier eine praktische Lösung ergeben, "trockenes Holz brennt besser und man kann es lagern, ohne dass es zu schimmeln beginnt", erläuterte der Geschäftsführer die Vorteile. 75 Euro pro zehn Kubikmeter Holz nimmt der Betreiber der Anlage ein.

"Sand und Glassplitter sind immer drin."

Laut Niefnecker sind die Verbesserungen in der Anlage derzeit weitgehend ausgereizt. Nun lässt sich die Bioabfallverwertung allerdings noch optimieren, indem die Gemeinden ein noch bessere Qualität anliefern. Denn in den Tonnen landet noch immer jede Menge Dreck und Material, das da nicht hineingehört. Allein die Sandmengen, die in der Anlage vor der Verarbeitung des Biomülls herausgeholt werden müssen, sind immer mehr angestiegen und haben im Jahr 2016 einen Höchstwert von 2300 Tonnen erreicht. Das heißt: 7,5 Prozent des angelieferten Biomülls waren Sand. Zusammen mit den ebenfalls nicht gewünschten Ästen, Zweigen, Kunststoffen, Steinen und Leichtmetallen summiert sich die Menge der ungünstigen Stoffe auf 6192 Tonnen. "Sand und Glassplitter sind immer drin, wir finden aber auch häufig Kartoffelschäler, Cola-Dosen oder Batterien", so der Geschäftsführer.

Um also die Qualität des Biomülls zu verbessern, gilt es eine noch bessere Trennung der Stoffe vor dem Einwurf in die Biotonne hinzubekommen. So ist zum Beispiel bei Grüngut darauf zu achten, dass nur Grasschnitt, Blumen und Laub in die Anlage kommen, Äste und Zweige hingegen nicht. Sie verwertet der Landkreis über eine andere Schiene. Das gilt auch für Holz, Erden, Steine, Kehricht und - was viele Bürger nicht wissen, wohl auch weil es etwa in München anders gehandhabt wird: für Eier- und Nussschalen.

Auch von den als kompostierbar geltenden Kunststofftüten für Biomüll raten die Betreiber der Anlage dringend ab. "Sie sind nicht von anderen Kunststoffen zu unterscheiden und meist auch nicht komplett aus Maisstärke", erklärte Niefnecker. Die Technik sei so eingestellt, dass sie alle Folien herausziehe, "wir empfehlen Papiertüten." Das Landratsamt will nun eine neue detaillierte Bioabfall-Trennliste an die Gemeinden herausgeben und verstärkt in der Öffentlichkeit für eine bessere Trennung werben.

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SZ vom 28.02.2017
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