Süddeutsche Zeitung

Streit ums Wasser:Quell der Zwietracht

Um die Trinkwasserversorgung sicherzustellen, will die Gemeinde Brunnthal einen Brunnen verlegen. Das empört die Nachbarn in Sauerlach, denn das dazugehörige Schutzgebiet würde über die Ortsgrenze reichen.

Von Bernhard Lohr und Patrik Stäbler, Brunnthal/Sauerlach

Der Brunnen als Zankapfel findet sich in etlichen Sagen wieder - und im Alten Testament. Dort wird im 1. Buch Mose vom Streit zwischen Isaak und den Philistern erzählt, die aus Neid den Brunnen von Abrahams Sohn mit Erde verstopfen und somit unbrauchbar machen.

So weit würden die Sauerlacher natürlich nicht gehen, und doch ist zwischen der Gemeinde und dem Nachbarort Brunnthal ein veritabler Zwist entbrannt - um einen Brunnen. Dieser ist aktuell nur ein Vorhaben, jedoch schallt es schon jetzt aus Sauerlach, dass Brunnthal eine "Unverschämtheit" vorhabe, während man dort dem Nachbarn "Kirchturmdenken" vorwirft.

Infolge des Zuzugs in die Region werden nicht nur das Bauland und der Wohnraum knapp. Auch die Wasserversorgung für eine wachsende Zahl von Menschen zu garantieren, stellt die Rathäuser vor große Aufgaben. Dazu kommen gestiegene Auflagen. Wachsende Kommunen wie Unterhaching und Neubiberg sind auf Wasser aus dem Mangfall- und dem Loisachtal angewiesen, wo seit Längerem Landwirte gegen größere Schutzgebiete Sturm laufen und auch vor Gericht ziehen, weil sie für ihre Flächen Wertminderung befürchten, wenn die Bewirtschaftung und die Nutzung nur noch unter Auflagen möglich ist.

Auch direkt im Süden von München, im Hofoldinger Forst und im Höhenkirchner Forst sind bereits große Flächen als Schutzgebiet ausgewiesen. Manche Gebiete überlagern sich und sie reichen, abhängig von der Fließrichtung des Grundwassers, teilweise weit über Gemeindegrenzen hinaus. Nun möchte dort, im Raum Sauerlach, Brunnthal, Höhenkirchen-Siegertsbrunn und Aying, die Gemeinde Brunnthal einen ihrer beiden Trinkwasserbrunnen verlegen.

Schließlich war die Genehmigung für diesen Brunnen beim Hauptort Brunnthal - daneben gibt es noch einen bei Faistenhaar - bis 2013 befristet; seither hangelt sich die Gemeinde mit Verlängerungen durch. Schon seit 2012 sei man im Rathaus "an dem Thema dran", sagt Bauamtsleiter Siegfried Hofmann. Früh habe sich gezeigt, dass eine Beibehaltung des Brunnenstandorts kaum sinnvoll wäre.

Neue geologische Erkenntnisse

Denn das geschützte Wassereinzugsgebiet würde sich deutlich vergrößern und weite Teile des bebauten Gebiets von Sauerlach sowie landwirtschaftliche Flächen betreffen. Grund dafür seien "neue geologische Erkenntnisse", sagt Hofmann, wonach die bisherige Zone nicht der Wirklichkeit entspreche.

In der Folge beschloss der Brunnthaler Gemeinderat, dass eine Verlegung des Brunnens die bessere Lösung sei. Als neuen Standort hat die Kommune eine Fläche westlich der Autobahn ins Auge gefasst. Die Folge: Das neu entstehende Schutzgebiet würde größtenteils auf den Bannwald östlich von Sauerlach fallen. Aus Hofmanns Sicht ist das "die beste Lösung", beträfe dies doch ein Gebiet, "in dem es ohnehin schon Beschränkungen gibt". Doch in Sauerlach sieht man das ganz anders. Von dort kommen im Zuge der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung harsche Reaktionen. "Die Waldbesitzer haben sich massiv aufgeregt", berichtete Bürgermeisterin Barbara Bogner (Unabhängige Bürgervereinigung Sauerlach/UBV) im Gemeinderat.

"Das Brunnthaler Gemeindegebiet ist ziemlich groß, sodass man wohl einen anderen Standort finden würde", befand Bogner. Und Josef Ücker (CSU) zürnte: "Das, was die Brunnthaler da machen, ist schon unverschämt. So kann das nicht bleiben." Einmütig votierte das Gremium für eine betont kritische Stellungnahme der Gemeinde. Darin heißt es: "Die Trinkwasserversorgung in der Gemeinde Brunnthal muss so realisiert werden, dass die notwendigen Brunnen und die dazugehörigen Wasserschutzgebiete auf Brunnthaler Gemeindeflur zu liegen kommen."

Im Brunnthal kam das nicht gut an. "Ein starkes Stück" nannte Bürgermeister Stefan Kern (CSU) dort im Gemeinderat die Reaktionen der Nachbarn. Es sei nicht "die feine Art". Immerhin gehe es um Trinkwasser und nicht irgendeine Nebensächlichkeit. Das neu geplante Schutzgebiet werde fernab von bebautem Gebiet im Bannwald und im Erholungsgebiet liegen, argumentieren die Brunnthaler. Planungen der Gemeinde Sauerlach in Sachen Gewerbegebiet und Umgehungsstraße seien ausdrücklich berücksichtigt worden. Mit dem Ortsteil Walchstatt würden sogar Sauerlacher Bürger vom Brunnthaler Brunnen aus mitversorgt. Auch existiere ein Trinkwasser-Notverbund zwischen Sauerlach und Brunnthal. "Wasser sollte uns allen wichtig sein", sagte Kern. Der Brunnthaler Gemeinderat beschloss in der Folge einstimmig, an den Plänen festzuhalten.

Die Genehmigung müsste wohl kommen

Nun soll das Genehmigungsverfahren beim Landratsamt anlaufen. In diesem können die betroffenen Grundstücksbesitzer und Nachbarorte erneut Stellungnahmen einreichen. Amtsleiter Hofmann in Brunnthal hat nach der ausführlichen Vorabprüfung keine Zweifel, dass seine Gemeinde die Genehmigung für den neuen Standort erhalten wird: "Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn wir diesen Brunnen nicht bekommen."

All das klingt nicht unbedingt so, als sollte der Brunnenstreit von Brunnthal und Sauerlach so enden wie der Zwist zwischen Isaak und den Philistern in der Bibel. Sie fanden seinerzeit nämlich einen Kompromiss und leisteten nach einem gemeinsamen Mahl einen Schwur, dass keiner dem anderen Schaden zufügen werde.

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SZ vom 26.02.2019/belo
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