Straßlach-Dingharting:Keine Zeit für Sentimentalitäten

Straßlach-Dingharting: "Ich bin Realist", sagt Wiesn-Wirt Toni Roiderer über sich. Der Wirt des Hacker-Zelts ist nach eigenen Worten über das Wiesn-Aus nicht traurig.

"Ich bin Realist", sagt Wiesn-Wirt Toni Roiderer über sich. Der Wirt des Hacker-Zelts ist nach eigenen Worten über das Wiesn-Aus nicht traurig.

(Foto: Claus Schunk)

Wiesn-Wirt Toni Roiderer hadert nicht, dem Straßlacher ist eine Öffnung der Gastronomie Mitte Mai wichtiger

Von Claudia Wessel, Straßlach-Dingharting

Dass es unter den derzeitigen Umständen keine Wiesn gibt, findet Toni Roiderer, 75, Wirt des Hackerzeltes und Inhaber des Gasthof zum Wildpark in Straßlach sowie einer Metzgerei, gut. "Das war die richtige Entscheidung. Man kann keine halben Sachen machen. Eine Wiesn mit Abstandsregeln wäre unmöglich." Auch würden weniger Besucher kommen, weil die meisten Menschen jetzt schon während der Coronakrise ihren Urlaub nehmen mussten. Die Ausländer würden mit Sicherheit wegbleiben. Es würde eine "50 Prozent-Wiesn", so Roiderer. Das gehe nicht.

"Bei der Wiesn gibt es keine halben Sachen, entweder richtig oder gar nicht. Das macht sonst das Image der Wiesn kaputt." Nach seinen Gefühlen angesichts des Ausfalls braucht man ihn nicht zu fragen. Traurig? Wird ihm etwas fehlen? "Überhaupt nicht, ich bin Realist." Er werde auch keine Ersatzfeierlichkeiten mit seinen Mitarbeitern machen oder ähnlich Sentimentales.

Viel wichtiger als das Wiesn-Aus findet Roiderer im Moment etwas anderes: "Es wäre gut, wenn unser Ministerpräsident sich überreden lassen würde, dass die Gastronomie Mitte Mai wieder aufmacht." Die Abstandsregeln einzuhalten sei für die meisten Gaststätten kein Problem. Im Gasthof zum Wildpark etwa gibt es 500 Plätze, wenn man da 200 Leute sitzen hätte, gäbe es keine Ansteckungsgefahr, versichert Roiderer. Hygiene werde ohnehin streng beachtet, auch würden die Bedienungen mit Mundschutz arbeiten, es könnte Sicherheitsschleusen geben. "Die Politik soll uns Vorgaben machen, an die werden wir uns halten. Es soll doch ein Miteinander zwischen Politik und Gastronomie sein, kein Gegeneinander." Wenn es die Gäste möchten, könnten sie auch mit Mundschutz im Biergarten sitzen, ganz wie es ihnen gefalle.

Dass die Gastronomie endlich wieder öffnet, findet Roiderer aber nicht nur wegen der Wirte wichtig, die Verdienstausfall haben, sondern es geht ihm um seine Gäste. "Die Leute drehen ja durch", weiß er. Die säßen in ihren kleinen Wohnungen und kriegten die Krise. "Ich versteh' die Sorge", sagt Roiderer über Markus Söder, "aber jetzt sollte er mal ein bisschen nachdenken." Und zwar über die Situation der Bürger. "Wenn ich jemandem die Lebensfreude nehme, kann das nicht gut sein." Es sei also nicht nur eine wirtschaftliche Frage, ob die Gastronomie wieder aufmache. "Es geht um die Moral." Die Biergärten sollten auf jeden Fall Mitte Mai wieder aufmachen. Auch eine gewisse Logik spricht dafür, sagt Roiderer und zitiert seine Kollegin vom Hofbräukeller am Wiener Platz in München, die gesagt habe: "Ich darf nicht aufmachen, und draußen auf dem Platz sitzen die Leute."

Ob sie nun auf den Wiesen im Park oder an der Isar mit Abstand sitzen oder im Biergarten oder in anderen Gaststätten, das sei ja wohl kein Unterschied. Die gesamte Coronakrise nimmt Roiderer mit Geduld. "Stellen Sie sich vor, es wäre ein Erdbeben. Es kann also immer noch schlimmer kommen." Er rege sich grundsätzlich nur über Dinge auf, die er auch ändern könne, sonst sei das schlecht für seine Nerven. Vorbereitungen habe er für die Wiesn mit Absicht noch keine getroffen, außer denjenigen, die das ganze Jahr laufen müssen. Er hat das ganze Jahr über eine Mitarbeiterin, die sich nur um die Wiesn kümmert. Ab dem Frühjahr bekommt sie dann Verstärkung, erst eine Helferin, dann noch eine. Diese mussten diesmal nicht mehr antreten. Auch die vielen Wiesn-Bedienungen und anderen Arbeiter hat er erst gar nicht kontaktiert. 80 bis 90 Prozent von ihnen sind Stammmitarbeiter, die jedes Jahr dabei sind. Auch sie müssen auf ihr gutes Einkommen in den 16 Tagen verzichten. "Aber das müssen wir ja in diesem Jahr alle", so Roiderer.

Außer den fehlenden Einnahmen durch den Ausfall des größten Volksfestes der Welt gibt es noch ein Problem mit den Versicherungen, so Roiderer. "Wir haben ja eine Betriebsausfallversicherung wegen Pandemien und ähnlichen Ereignissen. Die Versicherungen aber wollen nicht zahlen mit der Begründung, dass Corona nicht im Vertrag stehe." Sie wollen daher nur 15 Prozent der Ausfälle zahlen. Auch diese Problematik trägt dazu bei, dass Wirte in der Klemme sind, auch wenn sie keine Wiesn-Wirte sind. Auch deshalb, das betont Roiderer nochmals deutlich, sei es von großer Bedeutung, Mitte Mai die Gastronomie wieder zu öffnen. Für die Lebensfreude aller, Betreiber und Gäste.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: