Straßlach-Dingharting:"Baumpflegemaßnahmen" mit der Motorsäge

Straßlach-Dingharting: Die Linden auf der Baustelle gegenüber von Sabine Jahns Haus stehen noch, aber Jahn fürchtet, dass auch sie gefällt werden.

Die Linden auf der Baustelle gegenüber von Sabine Jahns Haus stehen noch, aber Jahn fürchtet, dass auch sie gefällt werden.

(Foto: Claus Schunk)

Eine Straßlacherin beklagt, dass sie über die Fällung zweier geliebter Bäume in ihrem Garten nicht einmal informiert wurde

Von Claudia Wessel, Straßlach-Dingharting

"Die suchen schon", sagt Sabine Jahn über die beiden neuerdings heimatlosen Turmfalken, die sie seit vielen Jahren kennt. Jedes Frühjahr, je nach Wetter mal früher oder später, steuerten die Raubvögel die beiden großen, 30 Jahre alten Nadelbäume im Garten von Sabine Jahn an. Sie setzten sich oben auf die Äste und flogen dann von dort zielsicher in den Dachboden des Mietshauses an der Tölzer Straße in Straßlach. Dort brüteten sie ihren Nachwuchs aus. Sie liebten offenbar diese Idylle genauso wie die Garteninhaberin. Ein Teich mit einem kleinen Bachlauf direkt unter der Kiefer und der Fichte ergänzte das Ensemble. Auch Elstern, Amseln und andere Vögel waren Dauergäste, denn Jahn fütterte sie gerne. Sie lebt seit 25 Jahren in dem Haus.

Nicht nur die Turmfalken sind nun also traurig, sondern auch Sabine Jahn und Sabine Engels, eine Nachbarin auf der anderen Straßenseite. Denn die Kiefer und die Fichte sind am 22. Februar gefällt worden. "Hier liegt einiges im Argen", sagt Sabine Engels, "der Umgang ist ein Dilemma." Sie wohnt in einem 300 Jahre alten Bauernhaus gegenüber von Sabine Jahn. Den Anblick der alten hohen Nadelbäume hat sie auch immer sehr genossen. Auch für den Schallschutz von der immer lauter werdenden Tölzer Straße hätten sie etwas beigetragen, sagt Sabine Jahn.

Ärger um die Bäume habe es freilich schon jahrelang gegeben, berichtet sie. Der Nachbar mit dem Garten daneben, Bruder der Besitzerin ihres Hauses, habe sich seit Jahren über die Tannennadeln beschwert. Seine Schwester hat nun im vergangenen Jahr das Haus verkauft und zwar an Thomas Roiderer, Sohn von Toni Roiderer, Wiesn-Wirt und Inhaber des "Gasthaus zum Wildpark" in Straßlach, das ebenfalls fast gegenüber dem Nadelbaum-Grundstück liegt.

Ja, er habe sich beschwert, sagt Georg Pauli, der Nachbar, der sich jetzt tatsächlich freut, dass die Nadelbäume weg sind. "Jahrelang habe ich ohne Murren die Nadeln weggemacht, die von den Bäumen auf mein Grundstück fielen", betont er. Das sei eine schwere Arbeit gewesen. Denn er habe ein Hanggrundstück, die Nadeln seien hinunter in den Abfluss gerutscht. Fünf- bis sechsmal im Jahr habe er auf Knien vor diesem gesessen und die Nadeln heraus gepult. Nach einer Rücken-Operation sowie einer Knieoperation könne er das aber nicht mehr. Seine Bitten an die Nachbarin und an seine Schwester, die Nadeln auf seinem Grundstück wegzumachen oder es machen zu lassen, seien nicht erhört worden. Als nun die Schwester das Haus an Thomas Roiderer verkauft habe, habe er diesen angesprochen und gebeten, dass er doch dafür sorgen solle, dass in Gärtner regelmäßig auf seinem Grundstück für Sauberkeit sorge.

Thomas Roiderer wiederum las wohl zwischen den Zeilen, dass die Bäume ein Problem seien und ließ sie vom ortsansässigen Gartenbauer Florian Brunsch untersuchen. Von Turmfalken, die unter einer etwaigen Fällung leiden könnten, sei ihm nichts bekannt gewesen, sagt er. Florian Brunsch, der auch Gemeinderat der Freien Wähler ist, kam zu dem Ergebnis, dass die Wurzeln der Bäume Hochstand hatten und die Bäume selbst Schräglage, dass also die Gefahr bestehe, dass sie auf die Garage von Georg Pauli fallen würden. Mit dem Todesurteil für die beiden Nadelbäume war der neue Besitzer einverstanden und ließ sie fällen.

Sabine Jahn, in deren Garten ja die beiden Nadelbäume standen, fühlt sich übergangen. Natürlich gehört das Haus, in dem sie als Mieterin wohnt, jemand anders. Der Garten aber sei schließlich seit 25 Jahren ihrer. Sie findet, es hätte sich gehört, dass man sie informiert. Und zwar ehrlich. So aber bekam sie nur eine E-Mail am Wochenende vor der Fällung. Sie solle die Gartentür offen lassen, da "Baumpflegearbeiten" geplant seien. Erst als sie am Montagmorgen - ausgerechnet zur Beerdigung ihrer Mutter - aufbrach, sah sie, dass die Bäume nicht gepflegt, sondern gefällt wurden.

Auch dass ein Gemeinderat über Gesundheit oder Krankheit der Bäume bestimmt hat, findet Jahn fragwürdig. Dass habe aber alles seine Richtigkeit, sagt Bürgermeister Hans Sienerth (parteifrei). Denn laut Ortsgestaltungssatzung sind nur heimische Bäume so schützenswert, dass bei ihrer geplanten Fällung ein externer Gutachter bestellt werden muss. Nadelbäume aber sind keine heimischen Bäume, daher reiche auch ein Ja oder Nein des Gartenbauers. Da die Angelegenheit nun doch weitere Kreise zieht, hat er das Thema aber auf die Tagesordnung des Bauausschusses gesetzt. Die beiden Linden übrigens an der Baustelle gegenüber von Sabine Jahns Haus, um die die beiden Sabines auch bereits fürchten, sollen auf jeden Fall stehen bleiben, sagt er. So stehe es jedenfalls im Bauantrag. Jahn hat schon erfahren, was als Ersatzpflanzung demnächst in ihrem Garten stehen wird: ein Apfel- und ein Zwetschgenbaum. Den Turmfalken wird das nicht gefallen.

Das Thema wird am Mittwoch, 24. März, in der öffentlichen Sitzung des Bauausschusses im Straßlacher Bürgerhaus behandelt. Beginn der Sitzung ist um 18.30 Uhr.

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