Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in Pullach:Die CSU wittert Morgenluft

Im Kampf gegen Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund wird Christine Eisenmann von der WIP und der FDP unterstützt. Einig sind sie sich in dem Ziel, die Grüne zu stürzen und alte Wunden zu heilen.

Von Michael Morosow, Pullach

Jetzt, da das Coronavirus als großer Gleichmacher das Leben auch der Menschen hierzulande bestimmt, stehen für politische Selbstdarstellungen kaum noch Bühnen zur Verfügung. Das Kandidatengeschrei findet daher weitgehend im Internet einen Resonanzboden, in Pullach zudem im Isar Anzeiger, dessen Leser seit Monaten aufs Beste über die Verwerfungen im Pullacher Politbetrieb lesen können. In der Ausgabe vom Donnerstag stehen sich die beiden Siegerinnen der Kommunalwahl am 15. März, Susanna Tausendfreund (Grüne) und Christine Eisenmann (CSU), auf zwei Druckseiten gegenüber zum finalen Werbeauftritt in eigener Sache, wobei sie andere zu Wort kommen lassen: Sowohl die Grünen als auch die CSU präsentieren dabei Namenslisten von jeweils mehr als hundert Pullacherinnen und Pullachern, die vor der Stichwahl am kommenden Sonntag die Werbetrommel rühren für ihre jeweilige Favoritin.

Es mag so scheinen, dass die Wiederwahl von Tausendfreund bereits in trockenen Tüchern sei, verbuchte sie mit 43 Prozent doch ein deutlich besseres Wahlergebnis als Christine Eisenmann (23 Prozent), die im Bauamt der Gemeinde arbeitet. Aber das Rennen ist noch nicht gelaufen. "Das wird eine ganz enge Geschichte", glaubt auch Kirstin Lauer, die verantwortliche Redakteurin des Isar Anzeigers. Es sind arithmetische Überlegungen, die Lauer zu dieser Einschätzungs kommen lassen: Susanna Tausendfreund hatte am 15. März 1972 Stimmen bekommen, Christine Eisenmann 1060. Eine klare Angelegenheit eigentlich, möchte man meinen. Nun aber kann sich die CSU-Frau über breite Rückendeckung zweier Fraktionen freuen, deren Kandidaten Reinhard Vennekold (WIP, 840 Stimmen) und Michael Reich (FDP, 470 Stimmen) bei der Bürgermeisterwahl ausgeschieden sind; beide Fraktionen rufen ihre Wähler auf, für Eisenmann zu stimmen. Der Verdacht freilich liegt nahe, dass diese Wahlempfehlungen nicht in erster Linie der Überzeugung geschuldet sind, dass die Christsoziale eine gute Rathauschefin abgeben würde, sondern vielmehr der Absicht, die amtierende grüne Bürgermeisterin aus dem Amt zu drängen.

Wenn die Wähler von WIP und FDP geschlossen für Eisenmann stimmen, was nicht sehr realistisch ist, wäre der viel beachtete Höhenflug der grünen Bürgermeisterin jäh beendet und fände die geschundene Seele der Pullacher CSU endlich wieder Ruhe. Das Wahlergebnis von vor sechs Jahren hatte tiefe Wunden geschlagen im Fleisch der Christsozialen, die bis dahin mit einer Unterbrechung (Sabine Würthner, FDP, 1996 bis 2002) das Sagen hatten im Rathaus. Nun aber wittern sie Morgenluft.

Die WIP und die CSU verbindet eine besondere Geschichte

In gewisser Weise kommen die aktuellen Sympathiebezeugungen der Wählergruppierung WIP für die CSU-Kandidatin überraschend, präsentierten sich beide Fraktionen in der zu Ende gehenden Amtsperiode doch nicht gerade in Freundschaft verbunden. Das zeigte sich im Herbst 2017, als die WIP mit einem Bürgerbegehren den Bau von 22 geförderten Wohnungen stoppen wollte und die CSU zusammen mit Grünen, FDP und SPD dieses Vorgehen öffentlich verteufelten. Das war auch vor wenigen Wochen zu erleben, als die CSU wiederum den Schulterschluss mit anderen Fraktionen suchte und sich in einer gemeinsamen Erklärung gegen den ihrer Meinung nach unfairen Wahlkampfstil der WIP wendete.

Es ist dabei eine besondere Geschichte, die die WIP und die CSU verbindet. Ende 2013 nach einem Streit bei der Nominierung des CSU-Kandidaten hatten mehrere Mitglieder ihr Parteibuch in die Ecke geworfen und die WIP gegründet. Die Abtrünnigen erzielten 100 Tage darauf bei den Kommunalwahlen quasi aus dem Stand 25 Prozent und zogen und mit fünf Vertretern in den Gemeinderat ein - wohlgemerkt zu Lasten der CSU, die vier ihrer neun Mandate abgeben musste und auch ihren Bürgermeisterkandidat Andreas Most in der Stichwahl gegen Susanna Tausendfreund klar scheitern sah. Ein Triumph Eisenmanns würde den Schmerz vergessen machen und wäre auch Balsam für die enttäuschte WIP und deren gescheiterten Bürgermeisterkandidaten Vennekold, die sich viel mehr ausgerechnet hatten.

Und die SPD, deren Kandidat Michael Schönlein wenigstens 267 Stimmen bekam? Einer offiziellen Empfehlung enthält sich der Ortsverein nach wie vor, aber auf der Befürworter-Liste für Tausendfreund im Isar Anzeiger tauchen dann doch die Namen aller SPD-Gemeinderäte auf und auch der von Kandidat Schönlein.

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Quelle:
SZ vom 28.03.2020/hilb
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