Miniland:Das Ende der kleinen, heilen Welt

Lesezeit: 3 min

Ein letzter Blick auf eine Welt im Miniaturformat. (Foto: Angelika Bardehle)

Das Miniland in Heimstetten öffnet zum letzten Mal. Danach zieht die Modellbau-Ausstellung um nach Straubing. Richtige Fans wird das nicht von regelmäßigen Besuchen abhalten

Von Christina Hertel, Kirchheim

Renate Niessen fotografiert ein Fußballstadion mit Tausenden Zuschauern, ein Gebirge im Hintergrund und ein Feuerwerk am Himmel. Ihr Mann Wolfgang, 60 Jahre, ein Steuerberater mit weißem Haar, lehnt an der Balustrade und schaut. Autos, Fachwerkhäuser, Züge. Die beiden sind wie zwei Riesen. Die Autos sind kleiner als ihr Daumen, die Straßenlaternen nicht mal so lang wie ihr kleiner Finger. Sie könnten die Männchen einfach wegschnipsen, die Bäume ausreißen. Aber sie schauen bloß und lächeln und fotografieren. Wenn er in Rente geht, das hat sich Wolfgang Niessen fest vorgenommen, will er wieder anfangen, Eisenbahn zu bauen. Seine Frau, sagt er mit Blick auf die Miniaturlandschaft, die in einer Halle im Heimstettener Gewerbegebiet aufgebaut ist, müsse ihm bloß helfen, das Haus zu entrümpeln. Dann geht es los. So wie früher als Kind.

Ein letzter Blick auf eine Welt im Miniaturformat. (Foto: Angelika Bardehle)

Die Chefin über diese Welt - 444 Quadratmeter groß, Deutschland von der Nordsee bis zur Zugspitze - heißt Elisabeth Linert. Zehn Jahre führte sie das Miniland am S-Bahnhof in Heimstetten. Und in ein paar Tagen fangen sie und ihre 14 Mitarbeiter an, Kisten zu packen, die Bäumchen von der Platte zu nehmen. Und das Kraftwerk, den Flughafen, die Post, die Kaserne, das Gefängnis, den Freizeitpark. 20 Mal wird ein Lastwagen außen vom Parkplatz losfahren, jedes Mal 150 Kilometer zurücklegen, bis nach Straubing in Niederbayern. Dort, in einer alten Ziegelei mit blauer Fassade, baut Linert die Miniaturwelt neu auf. Im Februar 2018 soll sie unter dem Namen "Blue Brix" eröffnen - fast doppelt so groß und behindertengerecht.

Das Miniland zieht nach zehn Jahren aus Heimstetten fort. (Foto: Angelika Bardehle)

Traurig, sagt Linert, sei sie nicht, dass sie aus Kirchheim wegziehe. Sie freue sich auf die neuen Räume, die neue Aufgabe, die eigentlich schon längst begonnen hat. Auf ihrem Laptop zeigt Elisabeth Linert Fotos. In Straubing baut sie eine Western-Welt auf. Von Kanada bis nach New Mexiko, vom Wald bis in die Wüste. Die Besucher werden Saloons sehen, Blockhütten, Lasso schwingende Cowboys, den Grand Canyon, Pferde, Indianer. Die Berge werden mehr als drei Meter hoch und es wird eine Brücke geben, die mehr als drei Meter lang ist.

444 Quadratmeter - von der Nordsee bis zur Zugspitze

150 Stunden habe es gedauert, sie zu bauen, sagt Linert. Auch die Stadt Straubing soll im Miniformat zu sehen sein - mit dem weißen Turm auf dem Marktplatz und dem ockerfarbenen Rathaus. Zwei Tage habe sie alleine an dem Gebäude gesessen, sagt Linert. Sie bastelt immer mit, wenn sie Zeit hat. Denn ihre Liebe zu winzigen Bäumchen, Häusern, Bergen, die Lust am Kleben, Bemalen und Bauen hat sie zu der Geschäftsführerin der Miniaturwelt gemacht.

Nicht nur über dem Volksfest gehen am Sonntagabend die Lichter aus. (Foto: Angelika Bardehle)

2007 übernahm Linert die Sammlung von Erhard Rockrohr. Im Allgäu hatte er 30 Jahre zuvor begonnen, das Miniland aufzubauen. Als er älter wurde, suchte er einen Käufer und fand Elisabeth Linert, damals 40 Jahre alt, Steuersekräterin, eine Frau, die ihr Hobby, das Basteln, zum Beruf machen und gleichzeitig einen Ort schaffen wollte, den die Leute mit einem Lächeln im Gesicht betreten. "Zum Steuerberater", sagt sie, "geht niemand gerne." Linert kaufte Erhard Rockrohr die Sammlung ab und verlegte sie vom Allgäu nach Kirchheim.

Betreiberin Elisabeth Linert freut sich bei aller Wehmut auf den Neuanfang. In Straubing baut sie ihre Mini-Welt doppelt so groß und mit vielen Erweiterungen wieder auf. (Foto: Angelika Bardehle)

Die Besucher im Miniland sind meistens entweder ziemlich alt oder ziemlich jung. Es sind Männer mit grauen Haaren, Hüfttasche und Kamera um den Hals und Frauen mit Dauerwelle und Brille. Und es sind blonde Jungs und Mädchen mit Zöpfen. Manchmal stehen sie zusammen da und schauen auf diese heile Mini-Welt. Und manchmal kommen die älteren Paare auch alleine. "Die Kinder", sagt eine Dame, "können das alles doch gar nicht erfassen."

Die meisten Besucher: älter oder sehr jung

Elisabeth Linert glaubt nicht daran, dass sich eines Tages niemand mehr für Modelleisenbahnen interessieren könnte. Obwohl die Zeiten schneller werden, obwohl Kinder heutzutage mit zehn schon ein Smartphone haben und eine Playstation und einen Computer. Obwohl sie damit die ganze Welt anschauen können, glaubt sie, werden die Leute ins Miniaturwunderland kommen. Klar, sagt Linert, Teenager finden Modelleisenbahn peinlich. Und klar, die Hersteller von Modellbahnen schreiben rote Zahlen und Geschäfte schließen. Aber wenn aus Kindern Eltern werden, würden sie sich wieder daran erinnern, wie schön es damals war mit dem Opa und den Zügen.

Tatsächlich scheint die Liebe zur Eisenbahn eine zu sein, die nicht so schnell abkühlt. Linerts Cheftechniker wird mit ihr nach Straubing ziehen. Und einer ihrer Stammgäste, ein Mann, der meistens freitags nach der Arbeit vorbeischaut, manchmal im Shop ein Bäumchen kauft, wolle auch regelmäßig kommen, sagt Linert. 14 Mitarbeiter hat sie in Heimstetten, um die 30 sollen es in Straubing werden. Angst habe sie nur davor, dass es beim Umzug regnet. Denn eine Modelleisenbahn verträgt kein Wasser.

Wolfgang und Renate Niessen stehen immer noch beim Fußballstadion. Zwei Stunden seien sie jetzt schon hier, sagt Renate Niessen, aber es gebe immer noch etwas zu entdecken: den Freizeitpark mit Kettenkarussell, den Flughafen, das Autokino. Wolfgang Niessen glaubt sogar, dass Modelleisenbahnbauen langsam wieder modern wird. "Die Menschen", meint er, "haben einen Drang, etwas mit ihren Händen zu machen." Sie wollen nicht nur auf einem Display hin- und herwischen.

Kirchheim
:Zurückbleiben, bitte!

Der Modelleisenbahnpark Miniland zieht nach Straubing

Das Miniland hat nur noch dieses Wochenende von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

© SZ vom 09.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: