Süddeutsche Zeitung

Sportkonferenz in Oberhaching:Kommando Pimperle

Skistar Felix Neureuther fordert bei der Kinder- und Jugendsportkonferenz dringend mehr Bewegung in den Schulen.

Von Francesco Collini, Oberhaching

Solche Szenen sieht man auf Konferenzen eher selten: "Kommando Aufstehen!", ruft Felix Neureuther seinen Zuhörern zu. Etwa 160 Menschen stehen gleichzeitig auf. "Hinsetzen!", kommandiert Neureuther unmittelbar danach, allerdings ohne das Wort "Kommando" vor seinem Befehl auszusprechen. Wer auf die Schnelle den Trick nicht bemerkt und sich auf den Stuhl setzt, wird von den anderen ausgelacht. Der Gag funktioniert, das Publikum im Raum ist wach.

Die meisten lachen. So einfach geht's, zeigt Neureuther - heute nicht in Sportkleidung unterwegs, sondern mit schwarzem Pulli und lässiger Baseball-Kappe. Dabei meint er das ganz ernst. Mit der kurzen Aufführung des Reaktionsspiels "Kommando Pimperle" will der ehemalige Skistar seinem Publikum zeigen, wie einfach es ist, Bewegung in den Schulunterricht zu integrieren, wenn man denn will. Vor Neureuther sitzen Vertreter aus Schulen, Sportvereinen und Politik, neben ihm auf dem Podium steht der bayerische Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler). Sie alle sind an diesem Samstagmorgen an die Sportschule Oberhaching gereist, um an der ersten Bayerischen Kinder- und Jugendsportkonferenz teilzunehmen. Dafür haben sich die Veranstalter, der Bayerische Landes-Sportverband (BLSV) und die Bayerische Sportjugend (BSJ), kein leichtes Thema ausgesucht: Es geht um die Frage, wie man mehr Sport in den schulischen Alltag integrieren kann und welche Rolle Sportvereine in diesem Prozess einnehmen sollen.

Wie sehr Neureuther für die Sache brennt, merkte man schon vergangenen Juli, als er den bayerischen Sportpreis bekam und die Chance nutzte, um vor einem überraschten Sport- und Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ein leidenschaftliches Plädoyer für mehr Bewegung an Schulen zu halten. "Mir wäre lieber gewesen, wenn Söder dabei gewesen wäre", sagt Neureuther lakonisch. An jenem Abend hatte Herrmann versprochen, die Forderungen an Piazolo weiterzuleiten. Neureuther kündigte an nachzubohren.

Politiker stehen auf der Bremse

Die Botschaft sei gut angekommen, sagt nun Piazolo. Doch nach knapp drei Monaten und zwei Besuchen in den Ministerien spürt man, dass Neureuther noch mehr Mühe brauchen wird. Als Piazolo anmerkt, dass man an Grundschulen "vielleicht mehr machen könnte", grätscht Neureuther rein. "Müssen!", sagt er und holt sich den begeisterten Applaus der Gäste.

Neureuther geht's ums große Ganze. Er spricht darüber, dass Kinder sich durch die Digitalisierung viel weniger bewegen. Anders als im Sport komme man mit mobilen Geräte "mit Zwei-Daumen-Bewegungen zum Erfolg", sagt Neureuther. Dagegen müsse man "schon im Kindergarten" ansetzen und Lehrer dafür aus- und fortbilden. Er erzählt von seiner Kindheit ohne Handy und vom ersten Mal mit Handy unterwegs: "Da war ich drei Wochen alleine in Norwegen, mit 16. Das Problem war, dass das Handy gar nicht für das Ausland angemeldet war. Der Bub ist trotzdem gesund zurückgekommen", erzählt er und bringt alle wieder zum Lachen. Er nennt dann Beispiele aus Skandinavien, wo Kinder trotz der Kälte viel mehr Zeit draußen verbringen als hier und erklärt, dass Sport auch in Sachen Integration helfen könne.

Doch neben dem Profisportler, der schneller als alle anderen ans Ziel kommen will, steht ein Politiker, der auf die Bremse drückt. Man müsse zwischen dem klassischen Sportunterricht, dem Sport während der Unterrichtspausen und dem Sport an Ganztagsschulen unterscheiden und "schauen, wo man mehr machen kann", sagt Piazolo. Seine Schwerpunkte beim Talk sind vor allem die Ganztagsschulen und die Schulinfrastruktur, die für mehr Sport ausgebaut werden müsse. Diese seien "eigentlich nicht" die richtigen, sagt Neureuther im Gespräch mit der SZ. Es sei "einfacher, Sport an Ganztagsschulen zu integrieren", doch er hätte Probleme damit, seine Kinder in die Ganztagsschule zu schicken. Gleichzeitig gebe es Eltern, die das tun müssten. Die Frage sei, "ob die Ganztagsschule die Lösung ist".

Ohne Vereine geht es nicht

Über eines sind sich Neureuther und Piazolo einig: Ohne Vereine ist es unmöglich, dass Kinder im Alltag mehr Sport machen. Deshalb sei die Rolle des BLSV und der BSJ bei der Beratung so wichtig, vor allem, wenn es um Bürokratie geht. In der Fragerunde zeigen sich konkrete Probleme. Eine Vertreterin des DJK Würmtal erzählt, wie schwierig es sei, neue Übungsleiter zu finden. Eine Sportlehrerin hingegen habe Probleme mit ihrer Schule gehabt, weil sie aus Platzmangel ein selbstgebautes Trampolin aufstellen wollte und nicht durfte.

Für all das will Neureuther die Politik weiter unter Druck setzen: "Natürlich werde ich wieder in die Ministerien gehen und an die Öffentlichkeit, wenn's was bringt", sagt er. Er will weiter mit den Vertretern des BLSV kooperieren, denn sie "sprechen die gleiche Sprache wie ich". Anders als die Politik, mit der es "mühsame Gespräche und viel Geduld" brauche. Zur Not will Neureuther wieder "Kommando Pimperle" spielen: "Das zeigt, wie einfach es ist, Menschen zu begeistern, wenn man richtig ansetzt."

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Quelle:
SZ vom 14.10.2019/hilb
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