Spontane Kunst:Keineswegs auf Sand gebaut

Spontane Kunst: Aus Kolumbien stammt Angie Martinez, die ihren Bühnenpartner Luis Alvarado auf einer Open Stage kennengelernt hat.

Aus Kolumbien stammt Angie Martinez, die ihren Bühnenpartner Luis Alvarado auf einer Open Stage kennengelernt hat.

(Foto: Claus Schunk)

Die erste Open Stage am Ottostrand ist eine Alternative zu gängigen Kulturprogrammen und eine Chance für junge Künstler.

Von Franziska Gerlach, Ottobrunn

Erst Meeresrauschen, dann Klaviermusik, Latinopop und ein SingerSongwriter, und als sich das Donnergrollen schließlich verzogen hat am Ottobrunner Himmel, beginnen auch noch die Vögel zu zwitschern. Nur die Füße kann man für noch mehr Urlaubsfeeling leider nicht in den Sand graben an diesem Abend am Ottostrand - zu nass ist dieser vom Regen. Macht aber nichts: Alles in allem ist die erste Open Stage an der kleinen Bar neben dem Wolf-Ferrari-Haus eine ausgesprochen schöne Veranstaltung mit Auftritten von ganz unterschiedlichen Künstlern.

Und vor allem eine Alternative zum gängigen Kulturprogramm in den Bürgerhäusern im Landkreis: Denn Open Stages, also offene Bühnen für spontane künstlerische Darbietungen, die kennt man zwar aus London oder New York oder auch aus München. In Ottobrunn gab es so etwas bis vor einigen Monaten aber noch nicht. Bis im November 2017 Christiane Eigmann, Tanja Richter und deren Mutter Christina Dittlein das "Ottobrunner Künstlerbrettl" gegründet haben. Vier Mal schon haben die drei Frauen seither Künstlern Gelegenheit zum Auftritt gegeben, bislang allerdings in den Restaurants und Bars der Gemeinde.

Doch weil die beiden Betreiber vom Ottostrand, Julian Langheinrich und Michael Sommerer, ihren Gästen an der Strandbar - neben Open-Air-Kino und Public Viewing zur Weltmeisterschaft - schon seit langem einmal Kultur bieten wollten, kontaktierten sie die Frauen vom "Ottobrunner Künstlerbrettl" über Facebook. "Wir sind nicht so drin in der Szene", sagt Langheinrich. "Also haben wir mit denen kooperiert." Er steht hinter der Bar und mischt bunte Flüssigkeiten zu einem Fruchtcocktail, dann dreht er das Meeresrauschen aus den Boxen ab.

Eine Bühne, auf der sich junge Künstler ausprobieren

Einige Meter weiter baut nämlich gerade Tanja Richter, die an diesem Abend unter dem Künstlernamen "Pianozeit" auftreten wird, ihr E-Piano auf. Etwa 20 Minuten bekommt jeder Künstler Zeit auf der Bühne, und als Richter schließlich in die Tasten greift, wehen sinnliche Melodien über den Ottostrand. Drei Musikacts und ein Comedian nutzen die Bühne an diesem Abend. Die Sängerin Angie Martinez und Luis Alvarado haben sich sogar auf einer vergangenen Open Stage des "Ottobrunner Künstlerbrettls" kennengelernt, und nun begleitet der gebürtige Mexikaner die kolumbianische Sängerin aus Ottobrunn an der Gitarre. Der vierte und letzte Künstler des Abends, Hani Who aus Garmisch-Partenkirchen, erklärt den Zuschauern in ihren Liegestühlen dann, statt Comedy oder Poetry Slam "ein Motivationscoaching" vorbereitet zu haben. Ein wenig philosophisch angehaucht sei dieses, aber das gehe hoffentlich in Ordnung.

Grundsätzlich, erklärt Tanja Richter, wolle man Künstler jedweden Genres ansprechen. Kabarettisten und Songwriter, Duos und Einzelkünstler. Egal ob Profi oder nicht, egal wie alt und egal, woher die Leute kommen. "Natürlich freuen wir uns, wenn sich auch viele Ottobrunner trauen", sagt Richter. Eine Open Stage sei aber weder ein Casting noch ein Wettbewerb. Sondern eine Bühne, eine ungezwungene Veranstaltung, auf der sich Künstler ausprobieren können - ohne gleich bewertet zu werden. Eine Voraussetzung gibt es aber doch: Auf der Bühne dürfen nur eigene Stücke gespielt werden, keine Cover. Sonst fielen Gebühren für die Urheberrechte der Lieder an.

"Das ist wie bei einer Kette."

Manuel Winhart, 20 Jahre alt und auf dem Kopf eine umgedrehte Baseballkappe, weiß das natürlich. Er ist in diesem Jahr schon fünf Mal bei einer Open Stage aufgetreten. Man wisse zwar nie genau, was einen da erwarte. "Aber ich hab' Bock auf Spielen", sagt er. Und die Münchner Szene entwickle sich gerade gut. "Das ist wie bei einer Kette. Du trittst auf, machst es gut, wirst weiterempfohlen." Offenbar ganz zu Recht: In Ottobrunn jedenfalls spielt und singt Winhart, als gäbe es auf dieser Welt nur seine Gitarre und ihn. Die Liebe zur Musik hat er auf einer Tour durch Neuseeland und Australien entdeckt. "Der ist genial", sagt Julian Langheinrich. Er tritt aus der Bar, blickt zur Bühne. Genau solche Künstler sollten auch in Zukunft am Ottostrand auftreten.

Die nächste Open Stage findet am 1. August statt, Interessenten melden sich bei info@pianozeit.de.

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