SPD-Veranstaltung in Unterhaching:Politik im Plauderton

SPD-Veranstaltung in Unterhaching: Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (rechts) unterhielt sich mit Natascha Kohnen auch über Privates.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (rechts) unterhielt sich mit Natascha Kohnen auch über Privates.

(Foto: Claus Schunk)

"Kannst du auch Bairisch?" Spitzenkandidatin Natascha Kohnen und Ministerin Franziska Giffey sprechen in Unterhaching auch über Privates.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Wer in Bayern an Wahlkampf denkt, dem kommen meist die Bierzelte in den Sinn. Lospoltern gegen den politischen Gegner, das kommt an. Informationsrunden über soziale Gerechtigkeit oder die Verkehrsprobleme im Ballungsraum können zwar auch informativ sein, sind aber oft dröge. Natascha Kohnen, die Spitzenkandidatin der SPD und Landtagsabgeordnete im südlichen Landkreis München, tourt mit einer anderen Art von Veranstaltung durchs Land, die sich "Kohnen plus" nennt, mit zwei Akteuren an einem Tisch auf einer Bühne auskommt und durchaus ankommt. Gleichsam unterhaltsam wie informativ redet die bayerische SPD-Chefin mit ihrem Gast viel über Politik, aber auch ein bisschen privat, meist in einem Plauderton, der den Zuhörern das Gefühl gibt, an einem sehr persönlichen Gespräch teilzuhaben und außer den politischen Forderungen wirklich etwas über die beiden Menschen dort vorne zu erfahren. Am Freitagabend hatte Kohnen im gut gefüllten Saal des Unterhachinger Kubiz' die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey an ihren roten Tisch gebeten.

"Die Frau ist der Hammer", kündigte SPD-Bezirkstagskandidatin Ramona Greiner die Ministerin an. Tatsächlich überraschte Giffey so manchen Zuhörer mit ihrer direkten und offenen Art. Nun erzählte die ehemalige Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln zwar nichts wirklich Neues aus ihrem Leben. Es lässt sich nachlesen, dass die vor 40 Jahren in Brandenburg geborene Ministerin einst Lehrerin werden wollte, dann aber ihre Stimme versagte ("Man hört das ja, aber als Politiker hat man immer ein Mikro"). So wurde sie Diplom-Verwaltungswirtin, studierte Europäisches Verwaltungsmanagement und arbeitete im Neuköllner Rathaus. In Unterhaching sagte sie: "Mein Job war es, die EU-Kohle nach Neukölln zu holen." Angetrieben von dem Wunsch, in dem Bezirk, in dem an Schulen mitunter 90 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund haben, zu erreichen "dass jedes Kind das packt", trat sie in die SPD ein. "Allein in der Verwaltung kann man das nicht."

Natürlich sollte das Publikum auch erfahren, wie Kohnen zur Politik kam, wenngleich die meisten im Saal von der SPD waren und viele die Geschichte ihrer Vorsitzenden sicher schon kannten. Der Schulleiter des Münchner Luisengymnasiums hatte 1985 zwei Busse gemietet und die Oberstufenschüler nach Wackersdorf geschickt. Dort sah Kohnen dann die Protestcamps, die wütenden Bauern und mit welcher Brutalität die Staatsregierung gegen die Menschen vorging. Ein Erlebnis, wie sie sagt, das sie bis heute präge.

Nach dem Abitur studierte sie Biologie, forschte über die Fotosynthese und schrieb ihre Diplomarbeit über Schwefelbakterien, "was auf Partys nicht so toll ankam". Sie wurde dann Lektorin in einem Schulbuchverlag und hat vor allem aus der Zeit der Einführung des achtjährigen Gymnasiums "Bildungsarbeit in Bayern kennengelernt, die will man zum Teil gar nicht wissen". Fertige G9-Bücher, fehlende Lehrpläne und einen Kultusminister Schneider, der angefangen habe, die Lehrpläne selbst zu schreiben. "Das muss man sich mal vorstellen."

Nicht nur die Kritik an der Schulpolitik, sondern auch an frühkindlicher Bildung und der Kinderbetreuung lässt sich gut anhand ihrer Biografie erzählen. Es ist die Geschichte, wie sie zur SPD kam. Wie sie sich in Paris durchringen musste, ihren Sohn ganztags in die Kita zu bringen, und der damit ganz glücklich war. Und wie sie 1999 mit ihrer Familie zurück nach Bayern, nach Neubiberg, kam und für ihren Paul und ihre Hannah im Rathaus nach einem Kita-Platz fragte. Dort traf sie auf einen Beamten, der sagte:"Na, Kita brauchen wir hier nicht. Wenn die Frauen frei haben, gehen sie eh nur shoppen." Inzwischen gebe es sogar Ganztagsklassen in Neubiberg, berichtet Kohnen der Familienministerin. Die konnte hier ihr geplantes "Gute Kita-Gesetz" mit anbringen, das mit 5,5 Milliarden Euro die Qualität der frühkindlichen Bildung verbessern soll. "Das löst bei manchen noch Schnappatmung aus", sagt sie.

Was die Berlinerin an der Münchner SPD-Frau aber auch interessierte: "Kannst du auch Bairisch? " Kohnen spricht eigentlich immer Hochdeutsch, und als sie sich an diesem Abend doch einen Satz im Dialekt entlocken lässt, klingt das etwas bemüht. Doch konnte sie Franziska Giffey, der demnächst ihre erste Bierzeltrede bevorsteht und die daher befürchtet, dass man dazu Bairisch können muss, beruhigen: "Mach das so, wie du bist, dann wird es super!"

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