SPD und Jusos:Erneuern - aber wie?

München, Hofbräukeller, Parteitag der SPD München-Land,
(Foto: Angelika Bardehle)

Vor dem Mitgliederentscheid über eine neue große Koalition treten auch im Landkreis zahlreiche Menschen der SPD bei. Dabei trifft die Aktion "Tritt ein, sag nein" selbst bei Jusos nicht auf ungeteilte Zustimmung

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Es sind nicht nur die Jungen, die derzeit die SPD aufmischen. Am Freitag hat sich eine ältere Frau aus dem südlichen Landkreis eigens auf den Weg nach München gemacht, um - ganz analog - in der Parteizentrale am Oberanger ihren Beitritt zu erklären. "Das gibt es auch noch, dass die Menschen den Antrag auf Papier ausfüllen", sagt Ingo Kohlmann, der Pressesprecher der Bayern-SPD. "Aber natürlich läuft das meiste online. Und zur Zeit wie verrückt." Weit mehr als 1200 Menschen sind in der vergangenen Woche alleine in Bayern in die SPD eingetreten. Die meisten, sagt Kohl, aus Nürnberg, München und dem Landkreis München.

Die meisten - da sind sich die Genossen einig - haben ein bestimmtes Ziel: Sie folgen dem Juso-Aufruf "Tritt ein, sag nein!", um bei der Mitgliederbefragung gegen eine neuerliche große Koalition zu stimmen.

Wer sich mit Kevin Cobbe, dem Vorsitzenden der Jungsozialisten im Landkreis unterhält, fühlt sich an einen anderen jungen Sozialdemokraten erinnert, der die Parteiführung in Unruhe versetzt: Kevin Kühnert, den Juso-Bundesvorsitzenden. Beide haben nicht nur äußerlich Ähnlichkeit, sie verbindet auch ihr rhetorisches Talent und die Ablehnung einer Zusammenarbeit mit CDU und CSU sowie ihre Kritik am Schlingerkurs der Parteispitze - nicht erst seit der Bundestagswahl, bei der die Jusos im Landkreis München eine herbe Enttäuschung hinnehmen mussten: Ihrer einstigen Vorsitzende Bela Bach, 26, gelang es trotz aussichtsreicher Platzierung auf der Landesliste auch im zweiten Anlauf nicht, in den Bundestag einzuziehen. "Wir kämpfen ganz klar dafür, dass dieses Bündnis nicht zustande kommt", sagt Kevin Cobbe. Der 22-Jährige Aschheimer räumt zwar ein, dass die Sondierer um Parteichef Martin Schulz und Fraktionschefin Andrea Nahles "in den Verhandlungen Einiges erreicht haben". Aber das reicht ihm nicht. "Unsere Spitze spricht nicht darüber, was sie nicht erreicht hat. Wenn wir in diese Koalition gehen, werden wir uns niemals erneuern - inhaltlich nicht, personell nicht."

SPD 
München Land
Aschheim
Kevin Cobbe
21 Jahre Alt
Juso Sprecher

Nicht Kevin Kühnert, sondern Kevin Cobbe, der Vorsitzende der Jusos im Landkreis München.

(Foto: privat)

Parteien im ständigen Wandel

"Erneuerung - was soll das eigentlich heißen?", sagt dazu Ingrid Lenz-Aktas, die Fraktionsvorsitzende der SPD im Münchner Kreistag. "Immer wird davon gesprochen, wir als SPD müssten uns erneuern. Aber was ist mit den anderen? Die hätten doch viel größeren Bedarf." Parteien, sagt Lenz-Aktas, seien "im ständigen Wandel". Erneuerung finde doch "durch die Themen der Zeit statt und nicht indem wir irgendetwas ausschließen".

Natürlich verstehe sie die Jusos, sagt Lenz-Aktas, die wie Juso-Chef Cobbe in Aschheim zuhause ist. "Wenn Bedenken nicht von den Jusos kommen, von wem dann?" Natürlich sei die Lage der SPD schwierig und kaum zu kalkulieren. Lenz Aktas zitiert dazu den Politikberater Bert Rürup: "Wir können nur in einen kleineren Haufen Scheiße treten oder in einen größeren." Der größere wäre ihrer Meinung nach, die große Koalition abzulehnen.

Das sieht die Oberhachinger Gemeinde- und Kreisrätin Margit Markl anders. Ihr Ortsverein ist der einzige im Landkreis, der sich vor dem Bundesparteitag öffentlich gegen die Groko ausgesprochen hat. "Wir haben intern gerungen und diskutiert. Da waren alle Meinungen vertreten", schildert Markl. Sie selbst wird beim Mitgliederentscheid gegen die große Koalitions stimmen. "Mir reichen die Ergebnisse, die wir in den Verhandlungen erzielt haben, einfach nicht."

Der Druck, den die Jusos derzeit auf die Spitze der Partei ausüben, ringt Gregor Röslmaier "größten Respekt" ab. Mit 27 Jahren ist der Neubiberger Gemeinderat selbst noch Juso. Wohl auch deshalb sagt er: "Es ist doch absolut notwendig, dass die Jugend ausspricht, was ihr nicht passt, und Klartext redet. Kevin Kühnert macht das unglaublich geschickt, er nutzt die Führungskrise der SPD und stößt in ein Vakuum." Röslmaier weiß aus eigener Erfahrung, dass es um seine Partei nicht zum Besten bestellt ist: "Ich merke das doch, wenn ich rausgehe und mit Leuten spreche. Die wissen nicht, für was wir stehen, und haben diesen Schlingerkurs satt."

Am liebsten wäre dem Juso-Chef, die Neumitglieder würden bleiben

Eine Erneuerung, findet die Röslmaier, könne ja nicht dadurch gelingen, dass "Schulz und Nahles immer nur davon reden, dass wir uns erneuern müssen". Dennoch wird Röslmaier beim Mitgliederentscheid für die große Koalition stimmen. "Ich habe die SPD doch dafür gewählt, dass wir unsere Ideen umsetzen." Das wird auch der Taufkirchner Gemeinderat Matteo Dolce, 28, tun. Der ist ebenfalls noch Juso, aber nur auf dem Papier, wie er sagt: "Emotional nicht mehr so." Für Dolce ist derzeit nur eine Regierung aus Union und SPD möglich: "Da geht es nur in zweiter Linie um die Partei, selbst wenn wir uns selbst schaden. Es muss regiert werden." Vor vier Jahren hätte die SPD in die Opposition gehen müssen, sagt Dolce: "Jetzt aber hat sich alles geändert. Wir müssen vernünftig handeln."

Dolce und Röslmaier finden die Aktion der Jusos "fast schon unmoralisch". Aber sie gewinnen ihr auch Positives ab: "Es zeigt, dass wir am Leben sind", sagt Röslmaier. Die Partei halte das aus. Kevin Cobbe und Kevin Kühnert wollen es nicht länger aushalten. Cobbe sagt, natürlich werde er Bekannte und Sympathisanten dazu aufrufen, in die SPD einzutreten. "Aber natürlich wäre es mir am liebsten, die würden nicht nur Nein sagen und dann verschwinden, sondern sich langfristig engagieren." Das wünscht sich auch Ingrid Lenz-Aktas: Die SPD sei eine "Mitmach-Partei". "Da muss ich Verantwortung übernehmen und dabei bleiben."

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