SPD-Personalstreit:Kohnen auch im eigenen Kreisverband unter Druck

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Wer rückt hier ab, wer steht zusammen? SPD-Landeschefin Natascha Kohnen (Mitte) mit den Parteifreunden Annette Ganssmüller-Maluche, Dietrich Heyne (links) und Peter Paul Gantzer (rechts) auf einem Bild aus harmonischeren gemeinsamen Tagen in der Politik. (Foto: Robert Haas)

Zu den Unterzeichnern des Brandbriefs gegen die SPD-Landeschefin zählen die Vorsitzende Bach, Altlandrätin Rumschöttel, die stellvertretende Landrätin Ganssmüller-Maluche und Garchings Bürgermeister Gruchmann.

Von Iris Hilberth und Martin Mühlfenzl, Landkreis

"Noch so ein Papier", winkt Peter Paul Gantzer ab, nachdem er sich das "Thesen- und Diskussionspapier" für eine neue Bayern-SPD durchgelesen hat. In dem übt unter anderem die Kreisvorsitzende Bela Bach über fünf Seiten intensiv Kritik an der Landesvorsitzenden Natascha Kohnen aus Neubiberg und stellt Forderungen für eine Erneuerung der Partei auf. 29 SPD-Mitglieder haben das Schreiben unterzeichnet, wohl auch, weil sie überzeugt sind, dass "wir nicht erfolgreich sein werden, wenn wir die Inhalte ändern, aber nicht das Personal."

Gantzer, der 40 Jahre lang für den Landkreis-Norden im Landtag saß, findet das wenig überraschend: "Die Hälfte derer, die das unterschrieben haben, waren schon immer Kohnen-Gegner", sagt er, "da weiß man wo der Wind herweht".

Zu den Unterzeichnern aus dem Landkreis gehören neben Bach auch die stellvertretende Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche, der Garchinger Bürgermeister Dietmar Gruchmann und die ehemalige Landrätin Johanna Rumschöttel, die Natascha Kohnen einst in die Kommunalpolitik gebracht hat. Laut Rumschöttel geht es mit dem Papier nicht darum, "irgendjemanden zu köpfen" - also etwa die Parteivorsitzende anzusägen. Vielmehr könne Kohnen "die Richtige sein, wenn sie es jetzt schafft, auf die richtigen Inhalte zu setzen".

Und vor allem die SPD überhaupt wieder mit Inhalten zu füllen: "Der Zustand der Partei ist momentan kläglich, und es weiß niemand so recht, wofür sie überhaupt noch steht", sagt Rumschöttel. Sie kritisiert auch den Wahlkampf Kohnens, die etwa "Stil", "Anstand" oder "Haltung" plakatiert hatte. "Klar jeder ist für Anstand und Stil", sagt die Neubibergerin Rumschöttel. Aber es sei auch eine Abwertung des politischen Gegners damit verbunden, "wenn man für sich in Anspruch nimmt, als einzige für Anstand einzutreten".

Annette Ganssmüller-Maluche, die den Einzug in den Landtag verpasste, hatte schon am Tag nach der Wahl den Rücktritt Kohnens gefordert, auch jetzt, "mit Ruhe", findet sie, dass es vernünftig sei, den Neuanfang mit "einem neuen Gesicht" zu machen. "Wenn sie eine Freundin wäre, hätte ich ihr geraten: Das ist Unsinn, hör auf." Schließlich gehöre Kohnen seit zehn Jahren zur Spitze der Bayern-SPD. Ganssmüller-Maluche hat im Wahlkampf nach eigener Aussage vor allem vermisst, als Kandidatin in die Kampagne mit einbezogen zu werden. Geschockt habe sie, dass die Unterzeichner des Papiers vom Generalsekretär als Nörgler bezeichnet würden. "Wir stehen am Scheideweg, es geht darum, ob wir untergehen", mahnt sie.

Den Wahlkampf, der ganz auf die Person Kohnen zugeschnitten war, will Kevin Cobbe, Vorsitzender der Jusos im Landkreis, nicht wie viele andere als "inhaltsleer" bezeichnen. "Die wichtigen Themen wie Wohnen waren da, sie wurden nur sehr schlecht transportiert", sagt Cobbe, der kürzlich auch zum Ortsvereinsvorsitzenden in Aschheim gewählt worden ist.

Natascha Kohnen will er nicht infrage stellen: "Nach meiner jetzigen Einschätzung ist sie die Richtige. Aber sie wird sich bis Januar auch neu erfinden müssen." Dann tagt der außerordentliche Parteitag der Bayern-SPD. Bis dahin, sagt Cobbe, müssten erst die inhaltlichen Fragen geklärt werden - dann könne es um Personen gehen. Und die Jusos wollen ihren Beitrag zur Erneuerung leisten. "Wir Jungen müssen rein in die Ortsvereine, wir müssen die SPD aktiver mitgestalten", sagt Cobbe.

Das predigt auch die Kreisvorsitzende Bela Bach, die das Thesenpapier mit ausgearbeitet hat, seit Langem. "Das Papier ist auch eine klare Absage an das ,Weiter so', das wir in den vergangenen drei Woche erlebt haben. Eine direkte Rücktrittsforderung an Kohnen richtet Bach nicht, sagt aber: "In der Politik ist jeder ersetzbar." Kohnen müsse jetzt eine inhaltliche Strategie vorlegen, wie es mit der SPD weitergehen soll, um die Mitglieder wieder von sich überzeugen zu können, sagt Bach. Sie selbst will eine solche auch für den Landkreis ausarbeiten, mit allen Ortsvereinen und den SPD-Bürgermeistern.

Peter Paul Gantzer hält das Papier für wenig zielführend. Zu dem Passus, dass der SPD ein Thema fehle, mit dem sie die Menschen begeistern könne, sagt er: "Das wissen wir schon sehr lange, das haben wir nach verschiedenen Wahlen immer wieder analysiert." Das Problem sei, dass die SPD daraus keine Konsequenzen gezogen habe. "Das ist typisch. Die SPD sagt immer nur, was man tun müsste."

Insbesondere schade sich seine Partei mit ihren ständigen Flügelkämpfen. Die Bayern-SPD sollte sich vielmehr mal überlegen, dass sie der linkeste Landesverband im rechtesten Bundesland ist. Von einer Personaldebatte hält Gantzer hingegen nichts: "Man muss auch jemanden haben, der sich statt Natascha Kohnen als Vorsitzender anbietet, und den sehe ich nicht."

© SZ vom 13.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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