Landkreis München:Der Scholz-Effekt

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Dass Finanzminister Olaf Scholz Kanzlerkandidat wird, begeistert nicht nur Landesvorsitzende Natascha Kohnen. Das Bild zeigt beide links bei einem Wahlkampfauftritt 2017 mit der heutigen Bundestagsabgeordneten Bela Bach (rechts) in Keferloh. (Foto: Claus Schunk)

Die Sozialdemokraten im Landkreis scharen sich in seltener Einigkeit hinter dem designierten Kanzlerkandidaten. Sogar manche Jungsozialisten haben plötzlich ihr Herz für den eher konservativen Finanzminister entdeckt.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Olaf Scholz und die SPD-Spitze müssen dieser Tage auf Twitter so einiges aushalten. Unter dem Hashtag "#NOlaf" giftet ein Teil des Netzes gegen den wahrscheinlichen Kanzlerkandidaten der Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl im Herbst 2021. Auch und gerade viele Jusos machen ihrem Ärger darüber Luft, dass da ein eher dem konservativen Spektrum der SPD zugerechneter Kandidat die Partei in die Wahl führen soll. Ein Beispiel aus dem Kurznachrichtendienst: "Wie heißt nochmal der Kanzlerkandidat der CDU? - Olaf Scholz". Aber es gibt andere Stimmen. "Olaf Scholz hat in den vergangenen Monaten deutlich gezeigt, dass er das Zeug zum #Kanzler hat", schreibt Bayerns SPD-Chefin Natascha Kohnen ebenfalls auf Twitter. Und die Neubibergerin ergänzt: "Die Menschen vertrauen ihm und ich tue das auch!"

Während also viele in der Nachwuchsorganisation der SPD die Begeisterung Kohnens über den einstimmigen Beschluss des Parteivorstandes nicht teilen, den Bundesfinanzminister und Vizekanzler als Kanzlerkandidaten zu nominieren, bleibt im Landkreis München der Aufschrei aus - auch unter den Jusos. Ganz im Gegenteil, plötzlich scheinen einstige erbitterte Gegner des ehemaligen Ersten Bürgermeisters der Freien und Hansestadt Hamburg ihr Herz für Scholz entdeckt zuhaben.

Noch vor einem Jahr hätte sie angesichts dieser Personalie sicher anders reagiert, sagt Ramona Greiner. "Ich war kein großer Scholz-Anhänger", erklärt die stellvertretende Kreisvorsitzende der Jusos München-Land. "Aber jetzt halte ich es für eine sehr kluge Entscheidung. Scholz ist ein Pragmatiker, der zielorientiert arbeitet." Wenn nun in der Partei und mit den "beiden progressiven Vorsitzenden", also Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, an einem Strang gezogen werde, könne es auch gelingen, nach der Bundestagswahl "eine klar progressive Regierung" wahrscheinlich mit den Grünen und Linken zu installieren, sagt Greiner.

Lob von erfahrenen Sozialdemokraten

Ein Ziel, das auch ihr Vorstandskollege bei den Jusos, der Aschheimer Kevin Cobbe, vor Augen hat. Klar sei Scholz "nicht der größte Freund der Jusos", sagt Cobbe; aber nicht zuletzt in der Corona-Krise habe der bei den Jusos eher unbeliebte Finanzminister seine Qualitäten gezeigt, sagt Cobbe. "Ich bin mit dieser Lösung daher ganz zufrieden, auch wenn keine große Begeisterung ausgebrochen ist." Möglicherweise hat sich Scholz' Pragmatismus mittlerweile auch auf Teile der Jungsozialisten übertragen. Bei erfahrenen Sozialdemokraten kann der Finanzminister ohnehin punkten. "Ich bin froh, dass es jetzt keine langwierigen Personaldebatten gibt und die SPD nicht noch weiter nach links abdriftet", sagt Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich.

Greulich hegt noch eine andere Hoffnung: Und zwar dass seine Partei Lehren aus der Kanzlerkandidatur Peer Steinbrücks aus dem Jahr 2013 gezogen habe. Damals war dem Kandidaten ein Programm übergestülpt worden, für dass er selbst in weiten Teilen nicht stand und stehen konnte. "Ich hoffe schon, dass es diesen Lerneffekt gibt", sagt Greulich. "Wir müssen die Programmarbeit mit Geschlossenheit so hinbekommen, dass es eine glaubwürdige Geschichte ist."

Und eine mögliche rot-rot-grüne Bundesregierung nach der Wahl? "Da sollten wir uns nicht festlegen. Ich sage allen Kritikern immer: Schaut den schwarz-roten Koalitionsvertrag an. Was wir da alles durchgesetzt haben." Am Ende des Tages gehe es um Kompromisse und darum, sich als Partei wieder zu erkennen - da sei Olaf Scholz der richtige Kandidat, so der Ismaninger.

Eine Einschätzung, die auch Florian Schardt teilt. "Er ist der richtige Mann zur richtigen Zeit", sagt der SPD-Kreisvorsitzende. "Er muss es jetzt schaffen, die Regierungskompetenz, die er hat, rüberzubringen und die Partei hinter sich zu versammeln", sagt Schardt. Die Kritik vieler Jusos müsse eine Partei, in der es so viele Strömungen gebe, auch aushalten, sagt der Ottobrunner. "Aber am Ende müssen sich alle zusammenreißen." Ein rot-rot-grünes Bündnis will Schardt nicht ausschließen; allerdings nur, "wenn klar wird, dass die SPD stark in der Mitte verwurzelt ist".

Kevin Cobbe sagt, Ziel müsse es sein, dass die Union nach der Wahl nicht den Kanzler stellt. Da sind sich wohl die altgedienten Genossen und die Jungsozialisten einig.

© SZ vom 13.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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