SPD München-Land:Den Finger in die Wunde legen

Kommunalpolitiker fordern von den neuen Parteivorsitzenden Nachverhandlungen beim öffentlichen Nahverkehr.

Von Iris Hilberth, Landkreis

Der Advent ist die Zeit der Wunschzettel. Auch die Landkreis-SPD hat einen solchen verfasst, der geht allerdings nicht ans Christkind, sondern mit einem eindringlichen Appell zur Stärkung des Öffentlichen Personen Nahverkehrs (ÖPNV) an die neue Parteispitze in Berlin. Dort stehen in Kürze Gespräche mit der Union zur Nachverhandlung des Koalitionsvertrags an. Kreisvorsitzender Florian Schardt und seine Mitstreiter in München-Land sehen darin eine gute Chance, einige "unsinnigen Regeln", die derzeit den Ausbau des ÖPNV ausbremsen, abzuschaffen.

In dem Brief an die beiden neuen Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sowie Vizekanzler Olaf Scholz und den Vorsitzender der Bundestagsfraktion Rolf Mützenich weisen die SPD-Kommunalpoltiker aus dem Landkreis darauf hin, dass der Ballungsraum München dringend zusätzliche U-Bahnen, mehr S-Bahn-Kapazitäten und eine funktionierende Park-and-Ride-Infrastruktur braucht, um den Verkehr schon möglichst weit außerhalb der dicht besiedelten Gebiete von der Straße auf die Schiene umleiten zu können. Problem sei nicht die Kassenlage, sondern vor allem eine standardisierte Bewertung der Verkehrsprojekte.

Um das Anliegen zu verdeutlichen nennt Schardt gemeinsam mit der stellvertretenden Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche, der Fraktionsvorsitzenden im Kreistag, Ingrid Lenz-Aktas und dem Bürgermeister von Putzbrunn, Edwin Klostermeier drei Beispiele, die zeigen sollen, dass die Region München bei der Verkehrsinfrastruktur "hoffnungslos hinten dran" sei. So sei eine neue U-Bahnlinie U9 zur Entlastung zweier bestehender Äste nicht förderfähig, da zu wenig Menschen vom Auto auf den ÖPNV umsteigen würden.

"Wer einmal morgens mit einem Kinderwagen versucht hat, in die U3 einzusteigen, hat hoffentlich genug Zeit eingeplant, ein paar U-Bahnen auslassen zu können", schreibt die Landkreis-SPD. Noch "absurder" findet sie die Regeln zur Beurteilung von Park-and-ride-Plätzen. Diese seien das wirkungsvollste Mittel, um im stadtnahen ländlichen Raum Menschen zum Umstieg auf den ÖPNV zu bewegen.

"Der die Straßen entlastende Effekt darf in die Berechnung der Wirtschaftlichkeit einer ÖPNV-Maßnahme gar nicht mit einbezogen werden", fordern Schardt und seine Parteifreunde. Sie halten die Regelung für nicht mehr zeitgemäß. Park-and-ride nütze zum einen den Pendlern, die ihr Auto stehen ließen, zum anderen den Gemeinden, deren Straßen nicht mehr so stark befahren würden, nicht aber unbedingt genau der Gemeinde, die das Park-and-Ride-Parkhaus bauen müsse. Die SPD München-Land findet, die Lasten seien ungleich verteilt, es bräuchte einen Interessenausgleich.

Zugleich kritisiert sie in ihrem Brief scharf das Bundesverkehrsministerium, das seit zehn Jahren in CSU Hand ist. "Bekommen haben wir schicke E-Roller, die nur im Weg rumstehen und eine Pkw-Maut, die keinen Cent einbringt, dafür einen Haufen Geld kostet", heißt es in dem Brief an die neue SPD-Führung. Die drei Minister hätten sich mit der Maut herumgeschlagen, anstatt sich um die wahren Verkehrsprobleme zu kümmern. Schardt und seine Mitstreiter fordern die Parteispitze auf, "den Finger in die Wunde zu legen."

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