SPD im Landkreis:Eine Frau für alle Fälle

Winterklausur der bayerischen SPD-Landtagsfraktion

Wer will, kann das Foto von der Winterklausur der SPD-Landtagsfraktion vor einem Jahr in Irsee so deuten, als hätte Fraktionschef Markus Rinderspacher schon damals Natascha Kohnen den Weg gewiesen.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Kreisrätin, Landtagsabgeordnete, Generalsekretärin - und bald Parteivorsitzende? Führende Genossen im Landkreis sind überzeugt, dass Natascha Kohnen die Rettung der Bayern-SPD im Kreuz hätte

Von Martin Mühlfenzl

Was für eine Rede. Emotional, mitreißend. Egal ob Nord oder Süd, Jung oder Alt - alle müssten zusammenhalten. Dann der wichtigste Satz: Die SPD könne nur Erfolg haben, wenn sich "Personal langfristig entwickeln und politische Talente auf lange Sicht" aufgebaut werden.

Gesagt hat das Bayerns SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen, die schon längst kein politisches Nachwuchstalent mehr ist - und mittlerweile weiß, dass die SPD in Bayern nicht mehr viel Zeit hat. Vielmehr ist die Neubibergerin Gegenstand einer Personaldebatte, die angesichts von zuletzt 14 Prozent in der Sonntagsfrage kaum zu vermeiden war.

Ein Video machte sie schlagartig bekannt

Gesagt hat sie all das übrigens im März 2015 über Bela Bach. Es war eine sehr persönliche Rede für ihre Parteikollegin und Freundin, die dazu beigetragen hat, dass Bach damals zu Kohnens Nachfolgerin als Kreisvorsitzende gewählt wurde.

Ein Video dieser Rede im Wappensaal des Hofbräuhauses gibt es nicht. Allerdings existiert auf Youtube ein anderes Dokument, zigtausend mal geklickt und im Netz gefeiert: Kohnen am Rednerpult im Maximilianeum - unter dem bayerischen Landeswappen. Resolut und überzeugend nimmt Kohnen in nur wenigen Minuten die Flüchtlingspolitik der Staatsregierung auseinander. Anmaßend sei es, sagt Kohnen in Richtung christsozialer Fraktion, Flüchtlingen vorschreiben zu wollen, wie sie zu leben hätten.

Nachdem das Video viral die Runde gemacht hatte, fragten sich viele, ob nicht diese Frau die Bayern-SPD führen sollte. Eine Frage, die angesichts der beunruhigenden Umfragewerte und den Skandalen um den ehemaligen Landtagsabgeordneten Linus Förster und neuerdings Regensburgs Oberbürgermeister Joachim Wolbergs an Aktualität gewonnen hat.

"Desolat!" "Dramatisch!" So wird der Zustand der SPD beschrieben

Denn auch die führenden Genossen im Landkreis wissen um die prekäre Situation ihrer Partei. "Desolat" sei diese, sagt der Haarer Landtagsabgeordnete Peter Paul Gantzer, die stellvertretende Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche bezeichnet sie in seltener Einmütigkeit gar als "dramatisch".

Kann Kohnen, die selbst seit 2009 Bestandteil des Führungstrios um Landtags-Fraktionschef Markus Rinderspacher und Parteichef Florian Pronold ist, die Probleme der Genossen im Freistaat lösen?

Die 49-jährige Neubibergerin hat zumindest gezeigt, dass sie für den schnellen Aufstieg prädestiniert ist: Die Biologin trat 2001 in die Partei ein, wurde ein Jahr darauf in den Gemeinderat gewählt und noch ein Jahr später Ortsvorsitzende. Von 2013 bis 2015 führte sie den Kreisverband, seit 2014 sitzt sie im Kreistag. Dem Landtag gehört sie seit 2008 an. Nun könnte ein weiterer Karrieresprung folgen.

Die Bürger wüssten nicht mehr, wofür die SPD steht

Wie heftig die Personaldebatten bei den Genossen geführt werden, ist kaum zu überschauen. Dass sie geführt werden indes schon. Das macht eine bemerkenswerte Aussage Bela Bachs deutlich, die sich zum Zustand der Partei eigentlich gar nicht äußern will: "Zu Personaldiskussionen sage ich nichts."

Wohl aber in aller Kürze zu den Qualifikationen ihrer Vorgängerin: "Sie wissen doch, dass ich Natascha für eine sehr starke und kompetente Politikerin halte. Mehr muss ich nicht sagen."

Deutlicher werden andere. "Es gibt im Bund und auch im Land keine unumstrittenen Führungspersönlichkeiten, die klare Kante zeigen", sagt Peter Paul Gantzer und bezieht dies vor allem darauf, dass "wir mit keinem Thema verknüpft werden". Der Bürger frage sich, wofür die SPD eigentlich stehe.

Den amtierenden Bayern-Chef Pronold will Gantzer zwar nicht direkt infrage stellen; gleichwohl betont er die Qualitäten Kohnens: "Sie hat sehr klare Vorstellungen davon, mit welchen Themen wir Menschen wieder überzeugen können. Im Bereich der sozialen Gerechtigkeit, bei der Erbschafts- und Einkommenssteuer, beim Klimawandel."

Eine Kampfkanidatur? Ausgeschlossen!

Und dann eine erstaunliche Feststellung des 78-Jährigen: Natascha Kohnen sei als Generalsekretärin eine äußerst loyale Persönlichkeit. Als solche aber könne sie in einem Dreiergremium nicht alle Stärken voll ausspielen. Ob sie ihren Vorsitzenden beim Landesparteitag in eine Kampfkandidatur zwingen könnte? "Auf keinen Fall", sagt Gantzer. "Das tut eine Generalsekretärin nicht." Was aber, wenn Pronold nicht wieder kandidiert? "Dann bleiben nicht mehr viele Persönlichkeiten übrig", so der Haarer vielsagend.

Dass eine Personaldebatte geführt werden müsse, findet auch Annette Ganssmüller-Maluche. "Das ist wie in einem Fußballverein. Wenn es nicht läuft, wird der Trainer infrage gestellt." Was aber ist mit seinem Stab, dem Co-Trainer, dem Fitnesscoach?

Jeder Einzelne, sagt Ganssmüller-Maluche über das Trio Pronold, Rinderspacher und Kohnen, mache "gute Arbeit". Aber: "Seit fast zehn Jahren haben sie es zusammen nicht geschafft, die Partei wieder in Schwung zu bringen. Sie werden nicht als die Persönlichkeiten wahrgenommen, die sie sein müssten."

Kraftlos wirke das Auftreten der Partei. Anders als auf kommunaler Ebene. "Wir im Landkreis sind erfolgreich, weil wir mit starken Persönlichkeiten präsent sind und Themen setzen", ist Ganssmüller-Maluche überzeugt. Das sollte dem Bayern-Chef als Vorbild dienen: "Er wäre gut beraten, sich mehr um die Landesebene als die Bundespolitik zu kümmern.

"Ja, natürlich könnte sie das."

Er soll seine Verantwortung als Vorsitzender wahrnehmen. Auch für die Orts- und Kreisverbände." Die Alternative wäre nur jemand, der die Aufgabe mit "viel Herzblut" wahrnehmen würde. Natascha Kohnen etwa? "Ja, sie könnte das natürlich."

Über Personen will die Fraktionschefin im Kreistag, Ingrid Lenz-Aktas, nicht reden: "Das bringt uns nicht weiter und wirft kein gutes Licht auf die Partei." Die Sozialdemokratie in Bayern könnte aber mehr Persönlichkeiten vom Schlage Kohnens vertragen, sagt sie: "Mehr unterwegs und sichtbar wie Natascha kann man nicht sein. Das merkt man an ihrer Präsenz."

Wie sie diese Belastung meistere, sei "bewundernswert", findet Lenz-Aktas, offenbare aber auch ein Problem der SPD in Bayern: "Wir sind zu klein, es lastet zu viel auf zu wenigen Schultern."

Es könnte gut sein, dass Natascha Kohnen bald noch etwas mehr im Gepäck haben wird. Etwa den Landesvorsitz.

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