Soziale Stadt:Ritter Hilprand auf dem Skateboard

Soziale Stadt: Tamara Ugrinsky hat die Entwürfe der Schüler gemeinsam mit dem Street-Art-Künstler Frank Cmuchal umgesetzt.

Tamara Ugrinsky hat die Entwürfe der Schüler gemeinsam mit dem Street-Art-Künstler Frank Cmuchal umgesetzt.

(Foto: Claus Schunk)

Mittelschüler haben mit dem Team der Sozialen Stadt die Unterführung am S-Bahnhof Taufkirchen neu gestaltet. Jetzt hoffen die Beteiligten, dass das neue Graffito nicht überschmiert wird, wie ein ähnliches am Köglweg.

Von Patrik Stäbler, Taufkirchen

"Schlampe", "Hure", "fette Sau" - mit solchen Nettigkeiten wurden unlängst noch viele Besucher in Taufkirchen begrüßt. Denn derlei wüste Beschimpfungen prangten an den Wänden der Fußgängerunterführung am S-Bahnhof - jenem Ort, den etliche Menschen in der Gemeinde als erstes zu Gesicht bekommen. Auch abgesehen von den Schmierereien war der Durchgang, der die Ortsteile Am Wald und Taufkirchen verbindet, eher ein Schandfleck denn eine Visitenkarte für Taufkirchen. Es war düster, es war dreckig, es war deprimierend - bis jetzt.

Denn inzwischen springt in der Unterführung ein moderner Ritter Hilprand auf dem Skateboard über den Wasserturm; daneben sieht man das Kriegerdenkmal, den Bahnhof samt Dampflok sowie eine Frau im roten Kleid, die zwei Wölfe an der Leine hält - eine junge Version der 1982 verstorbenen Anna Seidl, der letzten Bewohnerin des Wolfschneiderhofs. Diese und weitere Motive aus Taufkirchen, alle im Comicstil und in knalligen Farben an die Wand gesprüht, zieren seit Kurzem die Nordseite der Unterführung - von den Schmierereien ist nichts mehr zu sehen. Die Wand gegenüber ist derweil noch jungfräulich weiß; im kommenden Frühjahr soll auch hier Hand angelegt werden - im Rahmen des Projekts "Kunst am Bahnhof" des Städtebauförderprogramms Soziale Stadt.

Dieses soll die Situation der Siedlung Am Wald verbessern, und hierfür habe man schon vor Jahren bei den dortigen Kindern und Jugendlichen nachgefragt, wo es aus ihrer Sicht in dem Ortsteil noch hapere, erzählt Tilo Klöck, der das Projekt begleitet. "Viele haben uns damals gesagt: Dieser Schmuddelbahnhof muss schöner werden." Überdies gab es vor drei Jahren auch einen Antrag in der Bürgerversammlung, der eine Aufhübschung der Unterführung forderte. Allein dem nachzukommen, gestaltete sich nicht leicht, da die Entscheidungshoheit über den Durchgang bei der Deutschen Bahn liegt. Nach langen Verhandlungen, so Klöck, habe man es aber geschafft: Die Bahn gab ihr Einverständnis, dass die Soziale Stadt die Wände der Unterführung mit einem XXL-Graffito versieht.

Als Vorbild diente dabei der Durchgang am Köglweg, der 2015 in Kooperation mit Schülern der Realschule mit einem großformatigen Kunstwerk verschönert wurde. Diesmal bezogen die Organisatoren der Sozialen Stadt die Kinder der Mittelschule am Lindenring mit ein: In Workshops im Jugendkulturzentrum Next Level erarbeiteten sie verschiedene Motive - etwa den Ritter auf dem Skateboard oder das Selbstporträt eines afghanischen Mädchens, das fast ehrfürchtig zu Hilprand hinauf blickt. All die Motive wurden dann rund um eine Luftaufnahme der Gemeinde gruppiert. Der Clou daran: Auf der einen Seite der Unterführung sieht man aus der Vogelperspektive das Taufkirchen der Nachkriegszeit, auf der anderen Seite das Taufkirchen von heute.

Das tatsächliche Sprühen des Werks übernahmen dann der Street-Art-Künstler Frank Cmuchal und Tamara Ugrinsky, die beide dem Team der Sozialen Stadt angehören. Drei Tage lang waren sie in der Unterführung zugange. Immer wieder seien sie ins Gespräch mit Passanten verwickelt worden, berichtet Ugrinsky. "Eine einzige Dame gab es, die ist mehrmals zu uns gekommen und hat gemeckert, was wir hier tun. Doch sonst waren die Rückmeldungen nur positiv", erzählt Ugrinsky. "Viele haben sich gefreut, dass jetzt endlich was passiert in der Unterführung. Und ganz oft haben wir den Satz gehört: Hoffentlich verschandelt jetzt niemand eure Bilder."

Genau das war seinerzeit an der Unterführung am Köglweg passiert, wo bereits kurz nach der Vollendung erste Schmierereien auftauchten. Unter anderem quetschten drei Jugendliche, die später von der Polizei gefasst wurden, ein "nicht" in den Schriftzug "Wir sind Taufkirchen". Doch nach dem holprigen Start habe es an der dortigen Unterführung kaum mehr Probleme gegeben, berichtet Bürgermeister Ullrich Sander (parteifrei): "Es war schön zu sehen, dass damals nach der Verschandelung ein Schrei der Empörung laut wurde. Danach waren die Bürger die beste Polizei und haben achtgegeben, dass so was nicht mehr passiert." Nun hoffe er, sagt Sander, "dass das bei der Bahnhofsunterführung genauso sein wird".

Die Eröffnungsfeier für die neu gestaltete Unterführung am S-Bahnhof findet an diesem Dienstag um 17 Uhr statt. Besucher erfahren dort mehr über das Kunstprojekt der Sozialen Stadt; für das Rahmenprogramm sorgt die Musikschule.

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