Sophie Scholl:Mit Flugblättern gegen Hitler

Sie war das Gesicht der Widerstandsgruppe "Weiße Rose": 1943 wurde Sophie Scholl von den Nazis hingerichtet. Heute wäre sie 90 Jahre alt geworden.

Robert Probst

Der Saal wirkt wie aus der Zeit gefallen. Die dunkle Rundum-Holzvertäfelung verleiht ihm eine drückende Atmosphäre, die Richterbank droht von einem hohen Sockel - und doch richten sich sofort alle Blicke auf einen einfachen Tisch. Denn auf dem Tisch steht eine Vase mit weißen Rosen.

Hans Scholl und seine Schwester Sophie Scholl

Im Widerstand der "Weißen Rose": Hans Scholl und seine Schwester Sophie. Sie wurden nach einer Flugblattaktion gegen die Herrschaft des NS-Regimes am 18. Februar 1943 verhaftet, vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 22. Februar 1943 in München-Stadelheim hingerichtet.

(Foto: DPA)

In diesem Schwurgerichtssaal im Münchner Justizpalast verurteilte der oberste NS-Richter Roland Freisler am 22. Februar 1943 Christoph Probst, Hans und Sophie Scholl zum Tode - "wegen landesverräterischer Feindbegünstigung, Vorbereitung zum Hochverrat und Wehrkraftzersetzung" - das Urteil wurde noch am selben Tag vollstreckt. Eine kleine Ausstellung in dem Saal hält die "Willkür im Namen des Deutschen Volkes" wach. An diesem Montag erinnern mehrere Veranstaltungen - eine auch in München - an Sophie Scholl, die vor 90 Jahren im württembergischen Forchtenberg geboren wurde.

Seit Jahrzehnten ist Sophie Scholl das Gesicht der studentischen Widerstandsgruppe "Die Weiße Rose". Hauptursache dürfte die mediale Konzentration auf ihre Person sein, als jüngstes Mitglied in einer hochkonspirativen Männergruppe, umgeben von der feindlichen Welt der NS-Diktatur, in ständiger Angst vor der Gestapo - so wird sie vor allem in den erfolgreichen Filmen "Die Weiße Rose" (1982) von Michael Verhoeven und "Sophie Scholl - Die letzten Tage" (2005) von Marc Rothemund gezeichnet.

Dabei war ihre Rolle innerhalb der Gruppe selbst nicht sehr bedeutend. Gleichwohl beharrte sie nach ihrer Verhaftung - den sicheren Tod vor Augen - auf ihren weltanschaulichen und ethischen Überzeugungen und versuchte andere Beteiligte zu decken. Die Gestapo-Vernehmungsprotokolle geben davon ein eindrucksvolles Zeugnis.

Sophie Scholl steht in ihrer Jugendzeit der NS-Ideologie zunächst aufgeschlossen gegenüber, sie tritt in den Bund Deutscher Mädel (BDM) ein und hat bei der Jungmädelschaft in Ulm sogar Führungspositionen inne. Doch bereits vor dem Abitur, das sie 1940 ablegt, rückt sie immer weiter vom herrschenden politischen Regime ab, betätigte sich in der bündischen Jugend und sucht sich von der "Volksgemeinschaft" durch die Hinwendung zu Philosophie, Malerei und Religiosität abzuschotten.

Nach dem Abitur arbeitet sie als Kindergärtnerin und absolviert den Arbeits- und Kriegshilfsdienst, im Mai 1942 beginnt sie in München ein Studium der Biologie und Philosophie - und wird von ihrem Bruder Hans in seinen regimekritischen Freundeskreis eingeführt, der maßgeblich geprägt ist durch die katholischen Publizisten Carl Muth und Theodor Haecker sowie den Philosophieprofessor Kurt Huber, dem Mentor der Gruppe. Die Diskussionen drehen sich vor allem darum, wie man in einer totalitären Diktatur seine geistige Unabhängigkeit bewahren kann.

"Es war unsere Überzeugung"

Hans und sein Freund Alexander Schmorell haben zu diesem Zeitpunkt bereits damit begonnen, zum passiven Widerstand gegen den Hitler-Staat aufzurufen. Ihr Medium sind vier vervielfältigte Flugblätter. Die Schriften sind vom bürgerlich-christlichen Humanismus, literarischen Zitaten und großem Pathos geprägt.

Doch nach der Niederlage der Wehrmacht bei Stalingrad ändert sich die Rhetorik, deutlich weisen die Autoren auf die aussichtslose Kriegslage hin. Mit klaren Worten wird das Volk schließlich zum Sturz des verbrecherischen NS-Regimes aufgefordert. Mit Teerfarbe schreiben sie zudem die Parolen "Nieder mit Hitler" und "Freiheit" an Münchner Hauswände.

Sophie Scholl ist bei der Herstellung, Vervielfältigung und Verteilung dieser beiden letzten Flugblätter in ganz Süddeutschland aktiv. Im Gestapo-Verhör betont sie: "Es war unsere Überzeugung, dass der Krieg für Deutschland verloren ist, und dass jedes Menschenleben das für diesen verlorenen Krieg geopfert wird, umsonst ist. Besonders die Opfer, die Stalingrad forderte, bewogen uns, etwas gegen dieses unserer Ansicht nach sinnlose Blutvergießen zu unternehmen."

Beim Auslegen des sechsten Flugblatts im Lichthof der Universität werden Hans und Sophie Scholl am 18. Februar 1943 verhaftet. Zu den Zielen der "Weißen Rose" bekennt Sophie Scholl im Verhör mutig: "Ich war mir ohne weiteres im Klaren darüber, dass unser Vorgehen darauf abgestellt war, die heutige Staatsform zu beseitigen und dieses Ziel durch geeignete Propaganda in breiten Schichten der Bevölkerung zu erreichen." Gleichwohl, ihre Aufrufe sind in der Bevölkerung ohne Folgen geblieben.

Doch die Aktionen der "Weißen Rose" waren mehr als nur ein Aufstand des Gewissens, sie waren ein mutiger Akt politischen Widerstands - für die Machthaber war das ein Schwerverbrechen, für das Hans und Sophie Scholl, Christoph Probst, Alexander Schmorell, Willi Graf und Kurt Huber mit dem Leben bezahlten.

Mehr als 60 Menschen wurden vom NS-Staat bis 1945 wegen der Flugblattaktionen verfolgt, zu Haftstrafen verurteilt oder in den Tod getrieben. Die Schriften der "Weißen Rose" aber bleiben. Im fünften heißt es: "Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnisses, Schutz des einzelnen Bürgers vor der Willkür der verbrecherischen Gewaltstaaten, das sind die Grundlagen des neuen Europa."

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