Kreis und quer:Im Zeitloch

Was die Sommerzeit, ein 24-Stunden-Schwimmen und einen CSU-Gemeinderat verbindet.

Kolumne von Lars Brunckhorst

Neulich, ein alter Freund war mal wieder zu Besuch, kam das Gespräch aufs Älterwerden im Allgemeinen und die Zeit im Besonderen. Ihm selbst, sagte der Freund, seien Alter und Zeit inzwischen völlig egal, er führe keinen Kalender und habe nicht einmal mehr eine Uhr. Gut, man weiß, dass er bereits seit ein paar Jahren Privatier ist, keine beruflichen Verpflichtungen und Termine mehr hat, aber so einfach in den Tag hinein leben? Wo sei das Problem, fragte er zurück. Einkaufen könne man doch im Internet 24 Stunden sieben Tage die Woche. Joggen gehe er, wenn ihm danach sei, zu Bett, wenn er müde ist, sein Lieblingsitaliener habe auch ohne Reservierung immer einen Tisch für ihn frei und die Tagesschau könne er jederzeit in der Mediathek sehen.

Allen, die nicht so frei sind, könnte dieses Wochenende dagegen wieder ganz schön auf den Zeiger gehen: In der Nacht von Samstag auf Sonntag ist zwar nicht gleich eine Zeitenwende, dennoch wird denen, die nach einem Chronometer leben, zwischen zwei und drei eine Stunde Schlaf geraubt. Wie gut hatten es da noch die alten Römer: Bei denen war der Tag zwischen Sonnenauf- und untergang immer zwölf Stunden lang, nur dass diese Stunden halt im Sommer länger waren als im Winter.

Der offenkundig recht ausgeschlafene Ortsverband Haar der Deutschen Lebens-Rettungsgesellschaft (DLRG) hat den Beginn der Sommerzeit jedenfalls mitbedacht, als er für dieses Wochenende ein 24-Stunden-Schwimmen ins Jagdfeldbad organisierte. Dieses startet am Samstag um 11 Uhr, endet aber erst am Sonntag um 12. Da wird also nicht geschummelt, wenn 150 Schwimmer 2254 Kilometer erkraulen wollen. Wem dagegen schon nach zehn Minuten in der Badewanne die Fingerkuppen schrumpeln, dem wären auch 23 Stunden genug.

Übrigens Zeit und Haar: In der Gemeinde im Münchner Osten scheint ein Wurmloch im Zeit-Raum-Kontinuum zu existieren. Anders ist nicht zu erklären, wie SPD-Gemeinderat Peter Paul Gantzer erfahren haben will, dass sein CSU-Kollege Alois Rath schon am 14. Dezember einen Arbeitsvertrag in einer Radiologie-Praxis unterschrieben hat, obgleich dieser beteuert, die Unterzeichnung sei erst am 11. Januar gewesen. Dass Gantzers Fraktionskollege Horst Wiedemann den CSU-Mann zunächst just an jenem Dezembertag gesehen haben will, sich dann aber korrigierte, es sei über einen Monat später gewesen, spricht keineswegs gegen die Theorie von der Zeitreise. Die Frage, wer wann was in der Praxis gemacht und gesehen hat, ist keineswegs belanglos, schließlich hatte besagter CSU-Gemeinderat an einer Abstimmung teilgenommen, welche die Eröffnung der Praxis erst ermöglichte.

Vielleicht ist die Erklärung aber auch ganz trivial: Alle drei Herren haben schon ein mehr oder weniger fortgeschrittenes Alter erreicht - und leben möglicherweise ebenfalls ohne Uhr und Kalender einfach in den Tag hinein.

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