Oberhaching:Baden ist Nebensache

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Ob in der Sonne oder im Schatten - im Further Naturbad bei Oberhaching findet jeder seinen Platz. (Foto: Angelika Bardehle)

Das Naturbad in Furth ist bei Einheimischen wie Auswärtigen vor allem als Oase fernab aller Hektik beliebt. Manche sind seit Jahrzehnten fast jeden Tag hier. Doch seit außer den 3800 Mitgliedern auch immer mehr Badegäste kommen, stößt das Idyll an seine Grenzen

Von Patrik Stäbler, Oberhaching

Wer mehr erfahren will über das Naturbad Furth, das heuer je nach Sichtweise seinen zehnten oder 91. Geburtstag feiert, der kann in Archiven wühlen, Fotos von früher bestaunen oder über alte Zeitungsannoncen schmunzeln: "Bassinausmaße 1000 qm. Angenehmes weiches Wasser. Eisenhaltig. Günstige Wärmegrade. Besondere Stunden für Frauen reserviert. Sprungeinrichtungen. Volkstümliche Badepreise." Der schnellste Weg zur Geschichte und zu den Geschichten dieses Bads im Münchner Süden ist jedoch ein anderer: einmal quer über die Liegewiese und den "Oldie's Hill" hinauf - das steht tatsächlich auf einem Schild, das der Bürgermeister vor Jahren an den Spinden hat anschrauben lassen.

Ob in der Sonne oder im Schatten - im Further Naturbad bei Oberhaching findet jeder seinen Platz. (Foto: Angelika Bardehle)

Dort also haben sie einen Campingtisch aufgestellt, darauf eine rot-weiß karierte Decke, Weißbierkrug, Aschenbecher und Schafkopfkarten. Und drumherum sitzen Erika Schmidt, 80, Christa Prem, 74, und ihr Ehemann Hannes Prem, 86. Die drei gehören zu jenen rund ein Dutzend Freibad-Rentnern, die seit Jahrzehnten hierherkommen und sich stets auf dem Oldie's Hill niederlassen, von wo aus man im Schatten der Bäume das ganze Bad überblickt. "Ich war 1949 das erste Mal hier", erzählt Erika Schmidt, die gebürtige Giesingerin. "Wir sind damals mit dem Rad raus nach Furth gefahren wie so viele Münchner. An schönen Tagen war die Hölle los."

Dass es in dem Örtchen überhaupt ein Freibad gab, war dem umtriebigen Wiggerl Schuster zu verdanken, dessen Namen die Oldie-Freunde mit Ehrfurcht aussprechen. Als er dereinst auf die Idee kam, mitten in der ländlichen Idylle ein Freibad zu errichten, wurde er von vielen belächelt. Doch als nach der Eröffnung 1928 die Besucher nur so herbeiströmten, nicht nur aus dem Umland, sondern scharenweise auch aus München, da lächelte niemand mehr - vielmehr wurde Wiggerl Schuster, der für sein Bad auch mal ein Karussell aus einer alten Flak baute, ob seines Unternehmergeistes gerühmt.

Generationsübergreifend: Am "Oldie's Hill" treffen sich seit eh und je Stammgäste wie Erika Schmidt, und das Ehepaar Christa und Hannes Prem (von links). (Foto: Angelika Bardehle)

Wobei das Naturbad, dessen Wasser sich aus Quellen speist und daher ohne Chlor auskommt, auch weniger gute Zeiten gesehen hat: Als sich in den Siebzigerjahren der Betrieb nicht mehr rentierte, wurde aus dem öffentlichen ein privates Bad - nur für Mitglieder. Zu ihnen gehörten selbstredend auch Erika Schmidt und das Ehepaar Prem, denen seinerzeit kleine Häuschen auf dem Gelände gehörten. Inklusive Betten. "Wir sind damals am Freitag nach der Arbeit hergekommen und am Montag wieder heimgefahren", erzählt Hannes Prem, ehe ihn ein Seufzer von Erika Schmidt unterbricht: "Mei, haben wir da Feste gefeiert."

Das Bad freilich, und das ist noch vorsichtig ausgedrückt, verlor in jenen Jahren seinen alten Glanz. Überdies waren viele Oberhachinger nicht eben glücklich, zwar ein Freibad im Ort zu haben, das jedoch nur Mitgliedern zur Verfügung stand. 2005 bot sich der Gemeinde die Chance, das Gelände zu kaufen. Schwimmer- und Nichtschwimmerbecken, der Bachlauf, Umkleiden, Duschen und Kiosk - alles wurde neu gestaltet. Zudem übernahm nach der Wiederöffnung 2009 der Verein Freunde Further Bad den Betrieb. Dessen rund 3800 Mitglieder kommen nicht nur per Chip auch vormittags ins Bad, wenn es für die Öffentlichkeit geschlossen ist. Sondern sie können auch bei der Gestaltung des Badebetriebs mitreden und sich aktiv einbringen, weshalb die Gemeinde stolz von einem "Bürgerbad" spricht. Geführt und organisiert wird dieses vom vierköpfigen Vereinsvorstand; dazu kommen an die hundert Helfer, die sich um die Grünpflege, den Schließdienst und um Veranstaltungen kümmern.

Wobei sie durchaus noch mehr Unterstützung durch Ehrenamtliche brauchen könnten, sagt Martina Kern, seit 2011 Vorsitzende des Vereins. Sie hat sich heute mit ihrer Stellvertreterin Susann Kosmalla im Bad verabredet - aber nicht etwa, um sich ins kühle Nass zu stürzen. Vielmehr muss das Jubiläumsfest am Wochenende geplant werden, so wie für den Vorstand fast immer irgendetwas ansteht. "Das ist quasi ein Full-Time-Job, den wir ehrenamtlich und neben unserer Arbeit machen", sagt Kern. Schließlich gelte es, ein kleines Unternehmen mit 20 Mitarbeitern zu führen, ergänzt Kosmalla. Rund 30 000 Besucher zählt das Further Bad im Jahr - Mitglieder, die außerhalb der Öffnungszeiten kommen, nicht eingerechnet. Damit nähert sich das immer beliebter werdende Naturbad langsam seiner Belastungsgrenze.

Am Beckenrand kümmern sich Susann Kosmalla und Martina Kern vom Verein Freunde Further Bad (von links) um den reibungslosen Betrieb. (Foto: Angelika Bardehle)

"Wir hatten schon Tage, an denen wir beinahe wegen Überfüllung schließen mussten", erzählt Kern. Und dennoch wirkt das Further Bad, gerade im Vergleich zu den Münchner Freibädern, an den meisten Sommertagen wie eine Oase der Ruhe, fernab aller Hektik. "Der familiäre Charakter hier, das ist schon etwas Besonderes", sagt Martina Kern und spricht damit auch den Rentnern vom Oldie's Hill aus der Seele. Denen geht es nämlich, wie sie alle bestätigen, weniger um das 50 Meter lange Schwimmerbecken, den Sprungfelsen oder gar die Wasserrutsche - sondern vor allem ums Beisammensein.

Wie oft sie heute schon im Wasser war? Bei dieser Frage muss Erika Schmidt, die seit 1959 hier Stammgast ist, leise lächeln. Dann sagt sie fast entschuldigend: "Noch gar nicht. Ich war in den letzten zehn Jahren nur ein einziges Mal im Wasser. Mir ist das nämlich zu kalt."

© SZ vom 27.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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