Solln: Mordprozess in München:"Einer von vorne und einer von der Seite"

Im Prozess um den Tod von Dominik Brunner hat ein Schüler die angeklagten Schläger schwer belastet. Beide seien sehr aggressiv gewesen. Bekannt wurde auch: Bei der Spurensicherung gab es eine Panne.

C. Rost

Im Mordprozess um den auf einem Münchner S-Bahnhof getöteten Dominik Brunner sind die angeklagten Jugendlichen Markus Sch. und Sebastian L. schwer belastet worden. Ein 15-jähriger Schüler sagte am zweiten Prozesstag vor der Jugendstrafkammer des Münchner Landgerichts aus, die Angreifer hätten sich nach dem Aussteigen aus der S-Bahn im Münchner Vorort Solln sehr aggressiv verhalten.

Zwar habe Brunner als Erster zugeschlagen, aber nur, um die beiden abzuwehren. Dann hätten sich die Angeklagten auf den Bahnsteig "kurz zurückgezogen und sich eine Taktik überlegt", wie sie ihr Opfer am besten angreifen könnten. Sch. habe sich mit einem Schlüsselbund bewaffnet, dann sei "einer von vorne und einer von der Seite" auf Dominik Brunner losgegangen.

Als dieser gegen ein Geländer und zu Boden gestürzt sei, habe "vor allem Sch. auf Herrn Brunner eingetreten". Der Schüler sagte weiter, auch L. habe dabei mitgemacht, sich aber bald zurückgezogen und versucht, Sch. von dem Opfer zu trennen.

Noch bei seiner Festnahme trat Markus Sch. den Polizisten selbstbewusst entgegen: "Ich bin 18 Jahre alt und kenne meine Rechte", habe er gerufen, so erinnerte sich ein Kriminalbeamter an das "trotzige Auftreten" des jungen Mannes. Noch am selben Abend war von diesem Trotz wenig übrig.

Bei seiner ersten Vernehmung durch einen Beamten der Mordkommission sah er seinem Gegenüber trotz Aufforderung nicht ins Gesicht. "Er stützte seine Ellenbogen auf die Knie und stierte auf den Boden", erzählte der Kriminaloberkommissar vor der Jugendstrafkammer. Sch. habe auf ihn keinen betrunkenen Eindruck gemacht.

Falscher Zug als Beweismittel

Schwer taten sich die Ermittler, Spuren der Tat zu sichern - und eine Panne bei der Bahn machte ihnen die Arbeit noch schwerer. Die Polizei hatte den gesamten S-Bahn-Zug sichergestellt, mit dem Brunner und die zwei angeklagten Schläger nach Solln gefahren waren.

Der Kommissar der Mordkommission sagte aus, es seien in dem fraglichen Abteil keine verwertbaren Spuren gefunden worden - was auch schwer möglich gewesen wäre. Denn die Deutsche Bahn hatte, wie sich bei einer Befragung der Lokführer herausstellte, der Polizei den falschen Zug als Beweismittel überlassen.

Im richtigen Zug wurden die Ermittler das zweite Mal überrascht: Diese Baureihe der Münchner S-Bahn ist üblicherweise mit einer Videoüberwachungsanlage ausgestattet. Irgendwann vor dem 12.September 2009, an dem die Tat geschah, hatte jedoch ein nicht mehr zu ermittelnder Bahnmitarbeiter das Aufzeichnungsgerät ausgebaut. Die Videoanlage war damit lahmgelegt, als die Angeklagten im Zug vier Teenager zu erpressen versuchten, und Dominik Brunner sich einmischte.

Tat akustisch rekonstruierbar

Die Suche nach Spuren war auch sonst wenig ergiebig. An den Schuhen von Markus und Sebastian L. fanden sich zwar DNS-Mischspuren, bei denen nicht ausgeschlossen werden konnte, dass sie auch von Brunner stammten, aber weder DNS noch Blut, das eindeutig dem Opfer zugeordnet werden konnte, so ein Ermittler der Spurensicherung.

Als wichtiges Beweismittel im Mordprozess gilt ein Tonband, aufgenommen am Tattag zur Tatzeit 16.10 Uhr an in der Einsatzzentrale der Polizei. Dominik Brunner hatte mit seinem Handy bereits in einem kurzen ersten Telefonat gegen 16.05 Uhr in der S-Bahn per Notruf einen versuchten Raub der Jugendlichen an den Schülern gemeldet und dann wieder aufgelegt. Nach dem Aussteigen am Bahnhof in Solln betätigte Brunner dann über die Wiederholungstaste seines Mobiltelefons erneut den Notruf.

Ob das absichtlich oder zufällig geschah, ließ sich im Nachhinein nicht mehr feststellen. Bei der Polizei, die jeden Anruf über die Nummer 110 automatisch aufzeichnet, sind nach 16.10 Uhr insgesamt 22 Minuten aus der Verbindung mit Brunners Handy gespeichert. Die Aufzeichnung beginnt zeitlich etwa parallel zur Attacke der Angeklagten auf das Opfer.

Zu Details wollte sich der Kriminaloberkommissar mit Verweis auf das Phonetik-Gutachten des Landeskriminalamts nicht äußern. Die LKA-Experten werden die auf Band erfassten Geräusche im weiteren Verlauf des Verfahrens erläutern. Der Kriminaler sprach jedoch von "verschiedenen Stimmen und Geräuschen", aus denen sich zumindest akustisch der genaue Ablauf des tödlichen Übergriffs rekonstruieren lasse.

Markus Sch. und Sebastian L. haben die Tat zu Prozessbeginn gestanden und sich dafür entschuldigt. Es tue ihnen "unglaublich leid", sagten sie.

Nach Jugendstrafrecht drohen den Angeklagten bis zu zehn Jahre Haft. Sch., der zur Tatzeit volljährig war, kann aber auch nach Erwachsenenstrafrecht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: