Süddeutsche Zeitung

Solarradweg:Teurer Strom vom Straßenrand

Der Landkreis will auf dem neuen Radweg bei Grasbrunn Solarpaneele verlegen lassen. Landrat Göbel erhofft sich davon eine Vorreiterrolle bei der neuen Technik, sein CSU-Parteifreund Loderer spricht von Steuerverschwendung.

Von Martin Mühlfenzl, Grasbrunn

Noch ist kein einziges Paneel des ersten möglichen Solarradwegs im Landkreis München entlang der Kreisstraße M 25 zwischen Grasbrunn und dem Sportpark der Gemeinde verbaut. Für Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) ist das Projekt aber "jetzt schon ein Fall für das Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler". Während der Mobilitätsausschuss des Kreistags am Dienstagnachmittag mehrheitlich dafür stimmte, das Projekt weiterzuverfolgen, machte Loderer sehr deutlich, was er von einem Solarradweg hält: "Es handelt sich konzeptionell um eine Fehlgeburt. Erklären sie diese Summe mal den bedürftigen Menschen bei uns, die eine Wohnung suchen."

Die Summe, die Loderer so heftig kritisierte, beläuft sich auf nahezu 657 000 Euro. Diesen Betrag haben die Planer im Landratsamt für den Bau des etwa 90 Meter langen und 2,40 Meter breiten Abschnitts ermittelt, auf dem eine etwa 200 Quadratmeter große, horizontale Fläche mit Solarpaneelen überbaut werden soll. Aus drei Schichten bestehe ein Solarradweg, erläuterte Planerin Pawena Klinger: aus dem Oberflächenbelag, wahrscheinlich aus Glas, der alle Eigenschaften einer Straßenoberfläche aufweist, einer Elektronikschicht für die Sensoren sowie der Grundschicht zur Energieübertragung. Klinger favorisiert nach eigener Aussage flexible Solarmodule mit biegsamen Paneelen, die auf bestehende Asphaltflächen - etwa den Radweg an der M 25 - aufgelegt werden können und leicht austauschbar sind.

Vier Anbieter für Solarradwege gebe es derzeit weltweit, sagte Klinger, in den USA, Frankreich, den Niederlanden und das Unternehmen Solmove aus Potsdam. Im November vergangenen Jahres hat Solmove im nordrhein-westfälischen Erftstadt den ersten Solarradweg Deutschlands aufgebaut, ebenfalls 90 Meter lang mit einer Grundfläche von etwa 200 Quadratmetern - die Solaranlage soll etwa 12 000 Kilowattstunden Strom im Jahr erzeugen; zehn bis vierzehn Jahre wird es laut Erftstadts Bürgermeister Volker Erner (CDU) dauern, bis sich die Kosten amortisiert hätten. Wichtig ist Erner aber vor allem, "ein Zeichen für den Klimaschutz zu setzen".

Darum geht es auch Münchens Landrat Christoph Göbel (CSU) - aber nicht nur. "Es geht letztlich nicht um den Radweg, der natürlich nicht wirtschaftlich ist", sagte Göbel im Mobilitätsausschuss. "Es ist ein Projekt, aus dem wir einen Mehrwert ziehen können. Es geht um die Technik." Der Landkreis könne hierbei eine Vorreiterrolle einnehmen, sagte der Landrat - und erhielt Unterstützung von Grünen-Fraktionschef Christoph Nadler. "Das Projekt soll Möglichkeiten für die Zukunft aufzeigen, wir müssen uns mit allen möglichen, innovativen Ideen befassen", sagte Nadler.

Ottobrunns Bürgermeister Loderer konnten diese Argumente nicht überzeugen. "Es ist geradezu lächerlich zu erwarten, dass Fortschritte durch solche Projekte zustande kommen", sagte Loderer. Hightech-Firmen wie Airbus würden seit Jahrzehnten an Solarmodulen forschen und Paneele unter ganz anderen Bedingungen testen. "Das ist eine ganz offensichtliche Verschwendung öffentlicher Mittel, dass es nur so kracht", sagte Loderer und beantragte, "das Projekt und auch jede weitere Beschäftigung damit einzustellen". Allerdings erfolglos.

CSU-Fraktionssprecher Stefan Schelle äußerte Bedenken, weil es für derartige Projekte kaum Zuschüsse durch den Bund oder Freistaat gebe; einzig über den Förderaufruf für kommunale Klimaschutzmodellprojekte des Bundesumweltministeriums ist es möglich, Subventionen zu erhalten. Schelle knüpfte seine Unterstützung an eine erfolgreiche Bewerbung des Landkreises mit dem Solarradweg für das Förderprogramm; der Ausschuss schloss sich diesem Einwurf Schelles an.

Ob und wann mit dem Bau des ersten Solarradwegs im Landkreis begonnen werden kann, ist also noch nicht gesichert. Wohl aber, dass sich Radler auf dem 90 Meter langen Stück über besondere Annehmlichkeiten freuen dürften: Der Solarradweg kann nachts beleuchtet und im Winter beheizt werden. Und der Radler fährt auf schneefreien, enteisten Paneelen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4405072
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 11.04.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.