Süddeutsche Zeitung

Singer-Songwriter:Regenbogen-Poesie

Tobias Sasse, früher mit der Band Heldenfrühstück unterwegs, tritt jetzt solo auf und schreibt Songs, die zum Nachdenken anregen

Von Christina Hertel, Unterschleißheim

Der Musiker Tobias Sasse ist ein Mensch, der wahrscheinlich ganz schön nerven kann. Weil er fragt und bohrt und nachhakt, bis er auf den Kern der Dinge stößt. Und das sei vielen Menschen auf Dauer zu anstrengend, sagt er. "Warum machst du, was du machst? Weil es bequem ist? Weil du Angst hast? Weil du es wirklich willst?", seien so Fragen, mit denen er schon so manchen verschreckt habe, sagt er. "Aber ich kann keinen Smalltalk." Tatsächlich dürfte Leuten, die lieber über das Wetter sprechen als über die großen Fragen des Lebens, bei Tobias Sasses erstem Solo-Album "Es geht um die Musik" ein spontaner Tinnitus kommen. Denn darin handelt er so ziemlich alles ab, was einen Menschen umtreiben kann. Liebe, Angst, Hoffnung, Freundschaft, Gott. Er tut das mal leise, alleine mit Akustikgitarre, Streichorchester oder Blaskapelle, mal etwas lauter mit Band und Sängerin. Manchmal klingt es nach Jesus-Pop, manchmal nach Musik, die durchaus irgendwo im Radio laufen könnte - vielleicht nicht zwischen den neusten Charthits, sondern eher auf Bayern 2 für den anspruchsvollen Hörer. Doch das dürfte Sasse sogar gefallen, denn das schlimmste Urteil wäre für ihn wohl, seine Musik als banal oder beliebig abzustempeln.

Tobias Sasse ist 33 Jahre alt, kommt ursprünglich aus Norddeutschland, ist aber in Unterschleißheim aufgewachsen. Vor einigen Jahren hat er einmal einen Song über seine Heimatstadt im Norden des Landkreises geschrieben. Darin besang er gemeinsam mit seiner Ska-Band "Heldenfrühstück" den Baggersee, den SV Lohhof, die Stadtkapelle. Die Musik hörte sich damals noch anders an - lustiger, geeignet zum Herumhüpfen und Mitgrölen. Heldenfrühstück, sagt Sasse, sei auf Party und Bespaßung ausgelegt. Jetzt möchte er, dass sich das Publikum mit seiner Musik und seinen Texten auseinandersetzt und darüber nachdenkt - also wird es bei seinem ersten Solo-Konzert am Freitag, 22. Februar, in Unterschleißheim im Jugendzentrum Gleis 1 auch nicht tanzen, sondern sitzen.

Das Album hat Sasse alleine geschrieben, aufgenommen und produziert - im Dachgeschoss seiner Wohnung im Osten Münchens. Da stehen Keyboards, Bildschirme, Gitarren, Mikrofone und an den Dachschrägen klebt Schaumstoff für die Akustik. Im Treppenhaus lehnt ein Surfbrett - es stammt aus einem der "Fack ju Göhte"- Filme. Sasse studierte Produktion an der Hochschule für Film und Fernsehen und arbeitete für die Firma, die die Komödie produzierte - bis er vor drei Jahren kündigte, um sich als Komponist selbständig zu machen. Seitdem schreibt er Musik für Hörspiele, Film und Fernsehen - und für sich selbst. Seine Festplatte sei voll von Musik, die kaum jemand je gehört habe. Zum Beispiel liegt da ein fertiger James-Bond-Song - den man sich tatsächlich gut in dem Vorspann eines Agentenfilms vorstellen könnte: Sängerin mit kraftvoller Stimme, Orchester, alles aufwendig und voluminös. Sasse hat auf seinem Computer außerdem die Musik zu vier fertigen Musicals gespeichert - die er zwar bei Wettbewerben einreichte, die aber nie irgendwo aufgeführt wurden. Woran das liegt? "Ich habe eher einen Otto-Waalkes-Humor", sagt Sasse und meint damit: nett, liebevoll, nicht laut polternd, auf keinen Fall ordinär. "Ich glaube, das ist gerade nicht so gefragt." Tatsächlich ist Sasse eher Typ Schwiegersohn als verwegener Rockstar. Er sagt von sich selbst: "Ich bin nicht hip, nicht cool." Er sei einer, der zu dem stehe, was er sage, die Freiheit liebe, bei der Arbeit nicht die Stunden zähle. Denn selbst wenn es mit dem großen Durchbruch bis jetzt noch nicht klappte: "Am Ende bleibt mir immer ein Produkt, das ich liebe."

Liebe ist so ein Wort, das Sasse häufig in den Mund nimmt. "Ich fahr voll auf die Liebe ab", sagt er zum Beispiel. Oder: "Man kann nichts falsch machen, wenn man aus Liebe handelt." "Handel aus Liebe nicht aus Angst" heißt auch ein Songtitel auf seinem Album. Sasse singt darin: "Liebe will die Taten nicht ermessen, lohnt sich das und ist das auch gerecht, sie lässt dich Wut und Hass vergessen, es geht gerade nur ums Hier und Jetzt." Es ist eines dieser ruhigeren, akustischen Singer-Songwriter-mäßigen Lieder auf der Platte, die man sich auch gut auf einem Festival junger Christen vorstellen könnte - so wie die Lieder "Mein Deal mit Gott" oder "Glaubensbekenntnis" - auch wenn es sich dabei, anders als der Titel vielleicht vermuten lässt, um kein Lobpreis handelt. Sasse singt davon, dass er an den Genuss, den Zauber eines Kusses und lange Nächte glaubt. Dass sich alles trotzdem ein wenig spirituell angehaucht anhört, ist wohl kein Zufall: Tobias Sasse bezeichnet sich selbst als Christen. Zwar besuche er selten einen Gottesdienst, doch die Vorstellung, dass es irgendwo einen Gott gibt, der alles zusammenhält, habe für ihn etwas Tröstliches.

Die Liebe zur Musik weckte sein bereits verstorbener Vater in ihm. Wenn sie früher zusammen auf dem Sofa saßen, so erzählt Sasse es, habe sein Papa meistens Pink Floyd CDs aufgelegt. Sämtliche Alben der Band stehen in einem mit hunderten CDs gefüllten Regal, alphabetisch sortiert. Das Cover der Pink-Floyd-Platte "The Dark Side of the Moon", ein Dreieck mit Regenbogen, hat Sasse auf den Unterarm tätowiert. Aber nicht nur weil ihm die Musik so gut gefalle, sondern weil der Regenbogen für ihn ein wichtiges Symbol sei - dass nach jedem Regen Sonnenschein kommt. Und das verarbeitete er auch in einem Song auf seinem Album.

Tobias Sasse stellt sein erstes Solo-Album "Es geht um die Musik!" am Freitag, 22. Februar, im Unterschleißheimer Jugendzentrum Gleis 1 vor. Beginn ist um 19.30 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 01.02.2019
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